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Kreisky macht in Pessimismus

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„Nur unmittelbar nach dem Erdölschock des Oktober 1973 und im darauffolgenden Jahr war der Pessimismus der Österreicher größer als jetzt“, stellt das Linzer IMAS-In-stitut aufgrund einer zwischen 22. November und 2. Dezember durchgeführten Umfrage fest. 44 Prozent der Befragten erklärten, sie blickten 1978 „zuversichtlich“ entgegen, jedoch 42 Prozent reihen ihre persönliche Prognose unter der Kategorie „Skeptisch-sorgenvoll“. Noch vor einem Jahr lautete das Verhältnis Optimisten zu Skeptikern 55:33.

Worauf diese Sorge um die Zukunft zurückzuführen ist, liegt wohl auf der Hand. Nach jahrelanger Schönfärberei haben sich zum Jahreswechsel erstmals Spitzenpolitiker der Regierungspartei zur -bisher stets belächelten - Schar oppositioneller Kassandrarufer getun der Regierung, die ja nur Tendenzen verstärken oder abschwächen kann, gut oder schlecht funktioniert (Die Wirtschaft wird nicht von ein paar Regierungsmitgliedern „gemacht“, sondern von allen Österreichern gemeinsam), gut auch die These, daß ein bestimmtes Spektrum staatlicher Wirtschaftspolitik unter ÖVP-Verantwortlichen nicht anders ausgeschaut hat und derzeit nicht anders ausschauen würde, was sicherlich auch auf die bewährte Sozialpartnerschaft zurückzuführen ist.

Das Institut für Wirtschaftsforschung wie das Ford-Institut rechnen für das begonnene Jahr noch mit einem Wachstum: Eineinhalb bzw. zwei Prozent. Im Gegensatz dazu tanzt Kreisky eindeutig aus der Reihe: „Ich hoffe, daß wir ein Minuswachstum, das wir ja schon hatten, vermeiden können“, gefällt er sich in der neuen Pessimistenrolle, ohne aber am Wörtchen Miseilt: Allen voran Bruno Kreisky, der zwar nach Aussage seiner Parteigenossen von der Wirtschaft nicht viel versteht, aber doch mit seinen Jahresringen so etwas wie einen sechsten Sinn in ökonomischen Fragen entwickelt hat. In einem Interview mit der „Bunten“ gesteht der Kanzler ein: „Bei der Arbeitslosenrate wollen wir versuchen, unter drei Prozent zu bleiben, ich fürchte nur, daß es ein bisserl mehr wird.“ Auf des Kanzlers Hinweis: „Mit drei Prozent hätten wir de facto noch Vollbeschäftigung“, hatte allerdings Josef Taus die passende Antwort parat: „Das ist doch nur eine Definitionsfrage...“

In der Tat ist das eine Definitions-fräge: Faßt man den Kreis der Arbeitslosen relativ weit, wird man ' von vielen'Wirtschaftsexperten zu hören bekommen, drei Prozent seien doch noch Vollbeschäftigung, wie dies kürzlich auch Heinz Kienzl in der FURCHE ausführte. Bereits jetzt aber liebäugeln verschiedene Gewerkschaftsexperten mit der These, auch 3,5 Prozent seien noch als Vollbeschäftigung an den Mann zu bringen. Vermutlich weiß man im ÖGB Bescheid, warum gerade jetzt solche Thesen vorgewärmt werden müssen.

Während die offizielle ÖGB-Neu-jahrsbotschaft („Für den ÖGB bedeutet Vollbeschäftigung nicht die Sicherung jedes Arbeitsplatzes, sondern das Recht auf Arbeit für jeden, der arbeitsfähig und arbeitswillig ist“) noch einigermaßen zuversichtlich formuliert wurde, drückt sich ÖGB-Mann Thomas Lachs in der Jänner-Nummer der „Solidarität“ um einige Grade drastischer aus: „Der Kampf um jeden einzelnen Arbeitsplatz hat bereits begonnen. Wirtschaftsexperten blicken eher pessimistisch in die Zukunft. Daher muß rasch gehandelt werden. Auch wenn viele Maßnahmen unpopulär sind“.

Besonders düster ist weiterhin die Lage auf dem verstaatlichten 'Stahlsektor. Was die VÖEST-Al-pine und ihre Edelstahl-Töchter betrifft, fällt einem hier leider ein sarkastischer Silvesterscherz ein: 1978 wird ein mittleres Jahr: schlechter als 1977 und besser als 1979 ...

Für 15.000 VÖEST-Alpine-Be-schäftigte läuft derzeit ein Schulungsprogramm, weil es an Aufträgen im Hüttenbereich mangelt, weiß die sozialistische Arbeiterzeitung zu berichten. Daß das zu Ende gegangene Jahr dem heimischen Stahlkonzern einen Verlust von 700 bis 800 Millionen Schilling gebracht hat, daß 1978 wieder mit Schulungen und auch Kurzarbeit zu rechnen sein wird, ist keine Kleinigkeit mehr.

Freilich soll der Schwarze Peter nicht völlig undifferenziert der Regierung zugeschoben werden. Genauso wie die Wirtschaft zu einem gewissen Teil auch ohne jedes Zunuswachstum Anstoß zu nehmen. Bisher galt als allgemein anerkannt, daß das, was größer wird, wächst und das, was kleiner wird, schrumpft...

Schade ist übrigens, daß zur Zeit zunehmender Bewölkung über den ökonomischen Landschaften die Sozialpartnerschaft noch immer kein anderes Gesicht bekommt. Es wäre wünschenswert, würde die Regierungspartei der Sozialpartnerschaft nicht unentwegt die Themen diktieren (was nur für schlechtes Klima sorgt), dafür aber hin und wieder im Parlament den wirtschaftspolitischen Ball von der Opposition aufnehmen. Zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage hat die Volkspartei ein immerhin der Diskussion wertes „Konzept zur Sicherung der Arbeitsplätze“ vorgelegt. Die Regierung will es „net amol ignorieren“.

Schade ist ferner noch, daß es sich die Regierung gerade zum Prinzip gemacht hat, bei zwei Alternativen die eine zu vermiesen, statt die andere attraktiv zu machen: So bei der Lkw-Steuer, wo das Lastautofahren benachteiligt und nicht der Bahntransport bevorzugt wird, im städtischen Verkehr, wo der Autofahrer ausgesak-kelt und nicht der Straßenbahnfahrer eingeladen wird, so insbesondere auf dem Zahlungsbilanzsektor, wo Importieren bestraft wird, während kaum etwas für den Konsum auf inländischen Märkten oder die Erstreckung der Lebensdauer der Produkte geschieht.

Die Regierung ist sicher nicht der Buhmann für alle Wirtschaftssorgen. Sie wäre aber gut beraten, unterließe sie in Hinkunft mehr als bisher, das, was sie nicht kann (oder wül), und machte sie mehr das, was sie kann.

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