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Der Schilling - eine Auster

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„Mir ist ein guter Schilling lieber, als ein schlechter“, erläuterte Bundeskanzler Kreisky im Frühjahr die Schillingaufwertung und machte damit ein verwickeltes Problem auf eine höchst einfache, von sachlichen Bedenken kaum angekränkelte Weise transparent. Der Beifall war ihm gewiß.

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„Mir ist ein guter Schilling lieber, als ein schlechter“, erläuterte Bundeskanzler Kreisky im Frühjahr die Schillingaufwertung und machte damit ein verwickeltes Problem auf eine höchst einfache, von sachlichen Bedenken kaum angekränkelte Weise transparent. Der Beifall war ihm gewiß.

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Leider macht eine Aufwertung allein noch kein gutes Geld: wäre das so einfach, wir könnten uns in aller Welt vor Aufwertungen nicht erretten. Schon damals warnte die „Furche“, obwohl sie die längst fällige Schillingaufwertung grundsätzlich guthieß, vor der bequemen Auffassung, daß damit die Inflation schon hinreichend bekämpft sei. Die Paritätsänderung schützt uns nur besser gegen die eingeführte, nicht aber gegen die hausgemachte Inflation. Gerade diese haben wir aber seither in ausreichender Weise genossen: Im August lag der Lebenshaltungskostenindex schon bei 5,2 Prozent; und für die Zeit nach der Wahl stehen schon weitere Preis- und Tariferhöhungen Gewehr bei Fuß.

Dank der Schillingaufwertung hat der Hinweis auf die weltweite Teuerung nur mehr bedingt Gültigkeit, weil diese zum mindesten teilweise dadurch auf gefangen wurde: der derzeitige Kaufkraftschwund ist daher zum Großteil heimisches Erzeugnis. Wenn es den Deutschen heute auch nicht besser ergeht und die D-Mark längst nicht mehr das ist, was sie war, so heißt das noch lange nicht, daß wir alle dort begangenen Fehler nachmachen müssen, was heute vielfach der Fall ist. Der „harte“ Außenwert des Schillings kann nicht über seine „weiche“ Kaufkraft hinwegtäuschen; dieser gleicht zunehmend einer Auster: unter der harten Schale birgt sich ein weicher, glitschiger Inhalt.

Bedenklich ist nicht zuletzt der Zusammenfall von verstärkter Geldentwertung und abnehmender Konjunktur, wodurch wir uns auf dem besten Weg in eine Stagflation befinden („Furche" Nr 36/1971). Die Wirtschaftspolitik läuft dadurch Gefahr, daß künftige Versuche zur Konjunkturbelebung in einer Inflationsbelebung verpuffen.

Die Ursache dieser Fehlentwicklung ist vor allem darin zu suchen, daß der Staatshaushalt 1971 noch mehr als die früheren Haushalte auf Grund parteipolitischer Zielsetzungen und nicht nach konjunkturpolitischen Überlegungen errechnet wurde. So nur läßt sich die Überhitzung der Bauwirtschaft erklären, die durch öffentliche Aufträge hervorgerufen wurde, obwohl gerade gegenüber einem so arbeitsintensiven Zweig angesichts des würgenden Arbeitskräftemangels in Österreich Zurückhaltung geboten gewesen wäre.

Hier aber wurde in einträchtigem Zusammenwirken von Bund und Gebietskörperschaften genug wirtschaftlicher Zündstoff angehäuft, um unsere gesamte Konjunktur in Brand zu stecken. Die vielen aufgerissenen Straßen, vorab in Wien, an denen dann nichts geschieht, weil den Bau- untemehmen die Arbeitskräfte fehlen, sind ein offen zutage liegendes Beispiel für diese Fehlplanung; oft werden dann des Alibis wegen an jede Baustelle ein paar Leute geschickt, die allein gar nicht imstande sind, die Arbeiten voranzutreiben und in dieser Verstreutheit vergeudet sind, was genau das ist, was angesichts des ausgeschöpften Arbeitsmarktes nicht eintreten dürfte. Die Ubemachfrage auf dem Baumarkt bedingt aber ein immer rascheres Klettern der Baupreise, und diese sind nun einmal erfahrungsgemäß die Schrittmacher, die alle übrigen Preise nach sich ziehen.

Rückläufige Konjunktur

Wie soll das weitergehen? Die Konjunktur in der übrigen Wirtschaft ist eindeutig rückläufig. Glaubt die Regierung, die sich doch für den Fall ihrer Wiederwahl Gedanken machen müßte, durch noch vermehrte öffentliche Bauaufträge eine Konjunkturschwäche ausgleichen und einen neuen Aufschwung bewirken zu können? Dem stehen einige ernste Hindernisse entgegen.

Zum ersten ist der Gebarungsabgang im Staatshaushalt schon so groß (und wird durch gesetzlich bereits festgelegte Mehrausgaben in den nächsten Jahren noch weiter steigen), daß einer Ausweitung des Investitionsaufwandes enge Grenzen gesetzt sind; der Ausweg neuerlicher Steuerbelastungen ist in dem diesbezüglich ohnehin schon im internationalen Spitzenfeld stehenden Österreich kaum ratsam, zumal derlei unweigerlich wirtschaftsbremsend und preiserhöhend wirken müßte.

Weiters gestattet die Arbeitsmarktlage, derzufolge Österreich auch bei schlechter Konjunktur mit einem Kräftemangel rechnen muß, kaum eine weitere Ausdehnung in einem so arbeitsintensiven Bereich wie die Bauwirtschaft; konjunktur- fördemde Maßnahmen müßten ganz im Gegenteil in anlageintensiven Zweigen einsetzen, in denen ohne oder mit nur ganz geringem Arbeitskräftemehrbedarf eine fühlbare Konjunkturbelebung möglich wäre.

Vor allem aber kann es sich ein so außenhandelsabhängiger Staat wie Österreich auf die Dauer nicht leisten, Konjunkturpolitik mit rein binnenwirtschaftlichen Maßnahmen zu treiben. Schon heuer wirkt sich die punktuelle Überhitzung im Inland verheerend auf die Handelsbilanz aus. Auf Grund von Hochrechnungen ist in diesem Jahr mit einem Abgang von rund 25 Mrd. S zu rechnen, um 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Gehen wir auf diesem Weg weiter, so wird der vielgepriesenen Schillingaufwertung sehr bald eine Schillingabwertung folgen.

Durch konjunkturwidrige Überbeanspruchung unserer Wirtschaftskraft haben wir so ziemlich alle Möglichkeiten für künftige Konjunkturbelebungsmaßnahmen vorzeitig verausgabt. Obwohl die jetzige Regierung sehr viel von Planung und Steuerung der Wirtschaft spricht und im Handelsministerium ein Beirat nach dem anderen geschaffen wird, ist sie in ihrem ureigensten Bereich, in der Konjunkturpolitik, untätig geblieben: statt einer aktiven wurde eine passive Konjunkturpolitik betrieben, die öffentlichen Hände haben ihre Ziele ohne Rücksicht auf die jeweilige Wirtschaftslage verfolgt.

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