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Spiegel der Gesellschaft

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Wenige Bereiche des öffentlichen Lebens spiegeln die Probleme der modernen Gesellschaft derart konzentriert wider wie die Finanz- und Budgetpolitik des Staates.

Während nach den Grundsätzen der klassischen Budgetpolitik der Anteil des Staatshaushaltes am Sozialprodukt möglichst niedrig zu halten war und in den Wellentälern des Konjunkturablaufes noch verringert werden sollte, ist heute das Budget als Instrument der Konjunkturpolitik unbestritten und nur der Aktionsradius einer solchen Politik Diskussionsgegenstand. Die gegenwärtige Finanz- und Budgetpolitik hat aber nicht nur die verheerenden Auswirkungen der Welt-

Dieser kurze Rückblick und die Vorschau auf die nächste Zeit können doch die Überzeugung geben, daß es der Bundesregierung gelungen ist, in den drei viertel Jahren, seit das neue Kabinett angelobt wurde, einige wichtige Arbeiten zu leisten, daß derzeit an der Lösung einer Reihe wichtiger Aufgaben gearbeitet wird, daß allerdings noch vieles in Angriff zu nehmen ist, das nur bei einer echten Zusammenarbeit zu einem befriedigenden Ergebnis gebracht werden kann. Diese Zusammenarbeit anzustreben muß auch im nächsten Jahr unsere vordringlichste Aufgabe sein.

Wollen wir hoffen, daß dieses Jahr uns den Frieden und die Freiheit erhält, daß Österreich mit seiner inneren Ordnung und seinem Bestreben, ausgleichend zu wirken, auch weiterhin beispielgebend für alle anderen Staaten bleiben möge. Allen Lesern der „Furche“ übermittle ich auf diesem Weg meine aufrichtigsten Wünsche für ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr! Wenn es uns das erhält, was wir uns erarbeitet haben, und das sichert, was wir besitzen, dann wird es ein Jahr des Heils sein!

wirtschaftskrise der dreißiger Jahre als Hintergrund, sie ist vielmehr in gleicher Weise Ausdruck der völlig geänderten Ansichten über die legitimen Aufgaben des Staates. Aktivitäten des Staates und anderer öffentlicher Körperschaften, die noch vor wenigen Jahrzehnten als utopisch gegolten hätten, erscheinen heute selbstverständlich. Betrachtete es der liberale Ordnungsstaat als seine Aufgabe, die bestehende Ordnung zu gewährleisten .und lediglich eklatante Mängel zu be- kämpfen, so zielt heute die Gesellschaftspolitik bewußt aut eine Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in seinen verschiedenen Bereichen ab.

Da wird dem Staat, freilich mit sehr bedeutsamen Unterschieden zwischen den einzelnen Auffassungen, ein weiter Aufgabenbereich zugewiesen. Ohne damit sagen zu wollen, daß in Österreich ein Konzept einer einheitlichen Gesellschaftspolitik erkennbar wäre, wozu die pluralistische Gesellschaft der Gegenwart auch kaum die Voraussetzungen bieten dürfte, ist es gleichwohl für die aufgezeigten Tendenzen symptomatisch, daß der Anteil der öffentlichen Hand am Sozialprodukt auch in Österreich stark gewachsen ist. Selbst, wenn man nur die Abgaben und abgabeähnlichen Beiträge, Umlagen und dergleichen berücksichtigt und die privatwirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand vernachlässigt, ist dieser Anteil für das Jahr 1964 mit etwa 34 Prozent zu veranschlagen. Namentlich die Finanzpolitik des Bundes greift tief in das Leben fast jedes Bürgers ein.

Niemand sollte daher an ihren Problemen vorübersehen. Geht es doch um die Belastung jedes einzelnen Bürgers mit öffentlichen Abgaben verschiedenster Art, um seinen eigenen Anteil an den mannigfachen Leistungen des öffentlichen Sektors, nicht zuletzt jedoch um die Stabilität der Währung.

Das kommende Jahr wird die österreichische Finanzpolitik vor sehr bedeutsame und ebenso schwierige Aufgaben stellen.

Vor wenigen Tagen hat der Nationalrat das Bundesfinanzgesetz für 1964 verabschiedet. Manche hatten überhaupt am Zustandekommen des Budgets gezweifelt, so daß der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen mit Recht als ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung der innerpolitischen Situation aufgefaßt werden konnte. Trotzdem stehen auch bei diesem Budget die Aspekte der Finanz-, der Wirtschafts- und der Währungspolitik im Vordergrund, weil die harten Tatsachen der Einnahmen und Ausgaben des Staates und ihrer Wirkung auf Konjunktur und Währung BateKMü ,ffi &zulass!S9t"9ib

Vor allem wird es notwendig sein, den von mir vorgeschlagenen vorläufigen Belastungs- stop, d. h. die Vermeidung zusätzlicher Aufgaben des Bundes, wenigstens grundsätzlich zu beachten. Insbesondere den Verbänden — auch den Gewerkschaften — kommt hier die verantwortungsvolle Aufgabe zu, ihren Mitgliedern vor Augen zu führen, daß eine weitere Überforderung des Staates den Geldwert verringern würde. In erster Linie würde eine solche Entwicklung die wirtschaftlich Schwachen und die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft treffen. Auch zahlreiche Arbeitsplätze gerieten damit in Gefahr. Nicht leicht wird es sein, den für 1964 präliminierten Abgang, der in der ordentlichen Gebarung 529 und in der außerordentlichen Gebarung 3347 Millionen Schilling beträgt, so zu bedecken, daß abträgliche Auswirkungen vermieden werden. Der Bund wird sich wohl überwiegend des inländischen Kapitalmarktes bedienen müssen, jedoch sehr darauf zu achten haben, daß der Wirtschaft die Beschaffung langfristigen Kapitals nicht weiter erschwert wird.

Kapitalmarktgesetze notwendig

In diesem Zusammenhang ist die rasche Behandlung des Komplexes der sogenannten Kapitalmarktgesetze notwendig. Nur ein Bruchteil davon konnte bisher erledigt werden, wofür nicht nur Auffassungsunterschiede zwischen den Regierungsparteien, sondern auch budgetäre Schwierigkeiten maßgebend waren. Es wäre völlig unrichtig, in den Kapitalmarktgesetzen lediglich einen Wunsch der Wirtschaft oder gar nur der Industrie zu erblicken. Vielmehr ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, die angesichts der unaufhaltsam fortschreitenden Integration eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt darstellt, schon deshalb von allgemeinem Interesse, weil nur in einer lebenskräftigen und wachsenden Wirtschaft die Mittel aufgebracht werden können, die der Staat zur Erfüllung seiner vielfältigen Aufgaben benötigt. Steuererhöhungen kommen bei der — international gesehen — sehr hohen Steuerbelastung nicht mehr in Betracht.

Der Komplex der Kapitalmarktgesetze hat auch ein ernstes ordnungspolitisches Problem zum Gegenstand, nämlich die derzeitige steuerliche Privilegierung der Anleihen der öffentlichen Hand. Die Beseitigung dieses wesentlichen Strukturmangels des österreichischen Kapitalmarktes müßte in die Wege geleitet werden.

Es ist erfreulich, daß sich der als Unterausschuß der Paritätischen Kommission errichtete Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen insbesondere auch mit den Problemen des Kapitalmarktes befassen will. Die sachliche Atmosphäre dieser Expertenberatungen sollte geeignet sein, allseits akzeptable Lösungen vorzubereiten. Die Fundierung der Experten in Theorie und Praxis rechtfertigt die Hoffnung, daß die Beratungen nicht durch doktrinäre Vorurteile belastet sein werden. Insbesondere der bisweilen vertretene Gedanke einer zentralen Investitionslenkung sollte unter diesen Umständen nicht weiter verfolgt werden. Auch der bestgeschulte Planungsbeamte vermag keinen vollwertigen Ersatz für die im Wirtschaftsleben stehenden Unternehmer und Leiter von Unternehmungen, die für ihre Entscheidungen das Risiko tragen, zu bieten. Überdies ist jede Art einer länger- oder auch nur mittelfristigen volkswirtschaftlichen Vorausschau mit derart großen Unsicherheitsfaktoren belastet, daß es gefährlich wäre, sie zur Grundlage weittragender steuerpolitischer Maßnahmen zu machen. Nicht nur im Osten ist es bis in die jüngste Zeit immer wieder zu eklatanten Fehlprognosen gekommen, die im übrigen keineswegs auf unzulängliche Experten, sondern einfach auf die Natur der Sache zurückzuführen waren.

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