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Die Konsumgenossenschaften in der Zweiten Republik

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Auch wir wollen der „Furche“ zum 15. Geburtstag herzlichst gratulieren, dieser schönen österreichischen Kulturzeitschrift, deren volksbildnerische Aufgab wir anerkennen und würdigen.

15 Jahre sind, so kurz sie im Rückblick erscheinen mögen, eine lange Zeit — besonders, wenn sie, wie bei fast allen Betrieben der Wirtschaft unseres Landes, mit der harten Arbeit des Aufbaues und der Beseitigung der Kriegsschäden erfüllt waren. Die Konsumgenossenschaften Österreichs, die durch die Zeitereignisse besonders hart getroffen und in ihrer Tätigkeit behindert waren und bei Kriegsende großen Verwüstungen gegenüberstanden, haben in den, letzten 15 Jahren einen großen Aufschwung und einen bemerkenswerten Erfolg ihrer Arbeit erzielt. Es ist dies nicht zuletzt dem Vertrauen der Bevölkerung zu danken, das sich am besten in den Mitgliedzahlen dokumentiert. Die österreichischen Konsumgenossenschaften zählen heute rund 392.000 Mitglieder, wobei alle Schichten der Bevölkerung vertreten sind. Sie versorgen demnach, wenn man pro Mitglied eine dazugehörende Familie von 2,9 Personen rechnet, 1,137.000 Menschen oder rund 16 Prozent der Gesamteinwohnerschaft Österreichs. Da von 1933 bis 1945 die Konsumgenossenschaften durch Sperrverordnung und Untersagungsgesetz gehindert waren, auch nur einen einzigen Laden zu eröffnen, war die Schaffung neuer Läden bei dem Zustrom an Mitgliedern eine dringende Notwendigkeit geworden, der -Rechnung—getragenwerden mußte. Heute umfassen die österreichischen Konsumgenossenschaften bereits wieder 1629 Läden.

Es wäre jedoch verfehlt, wollte man nur diese Punkte als Beweis der erfolgreichen Tätigkeit der Konsumgenossenschaften anführen. Eines der in den Statuten verankerten Grundprinzipien, auf welchen die Genossenschaftsidee basiert, stellt ja fest, daß die Konsumgenossenschaften in erster Linie Diener des Konsumenten sein sollen. Dem modernen Verbraucher dienen heißt aber, dem Fortschritt dienen. Die Konsumgenossenschaften haben diese ihre Aufgabe ernst genommen. Sie waren es, welche vor zehn Jahren den ersten Selbstbedienungsladen in Österreich eröffnet und damit in unserem Lande einer Entwicklung Bahn gebrochen haben, die für den gesamten Lebensmittelhandel von größter Wichtigkeit war und ist. Mit dieser Einrichtung wurde nicht nur der einkaufenden Hausfrau geholfen, sondern auch der Anschluß an die modernen Verkaufsmethoden gefunden, welche damals außerhalb unserer Grenzen bereits üblich waren. Eine weitere Pioniertat war kürzlich die Eröffnung des ersten Automatenladens Österreichs durch die Konsumgenossenschaft Wien. Es war dies der erste Schritt in eine neue Richtung, die für die Zukunft größte Bedeutung haben wird, da durch die Verkürzung der Arbeitszeit und damit auch der Ladenoffenhaltezeiten entstehende Engpässe überwunden werden können und dem Konsumenten die Möglichkeit geboten wird, wichtige Artikel und Lebensmittel auch außerhalb der Verkaufszeit zu besorgen. Die Konsumgenossenschaften sind auch stets bemüht, ihre Mitglieder mit qualitativ den Anforderungen entsprechenden Waren möglichst preisgerecht zu versorgen. Die erzielten Überschüsse werden nach Jahresabschluß gemäß der Höhe des Einkaufs an die einzelnen Mitglieder rückvergütet. Schließlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß die Konsumgenossenschaften stets allen Bestrebungen entgegenwirken, die die Bildung von gegen die Konsumenteninteressen gerichteten Monopolen und Kartellen zum Ziele haben.

Aber nicht nur in rein materieller Hinsicht dienen die Konsumgenossenschaften dem Verr bTattc4ieT.-HBer,--4C-onsumverbaiid und die GöC arbeiten eng mit den Konsumentenberatungsstellen zusammen; die GöC hat gemeinsam mit der VÖKO ein Hausfrauenseminar eingerichtet, das im Hause der GöC stattfindet und dessen Kurse über modernes, sparsames Wirtschaften sehr beliebt und daher stets voll besetzt sind. Es ist aber nicht allein der einheimische Konsument, als dessen Schutzmacht die Konsumgenossenschaften arbeiten: sie waren in Österreich die ersten, die zu Hilfsaktionen gegen die Not in den wirtschaftlichen Entwicklungsländern aufriefen und diese selbst nicht nur mit tatkräftiger materieller Hilfe unterstützen, sondern auch das dort herrschende soziale Elend moralisch durch die Durchdringung der Bevölkerung mit der Idee der genossenschaftlichen Selbsthilfe lindern wollen. stetiges Wirtschaftswachstum und finanzielle Stabilität gesichert werden. Freilich würden wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen viel rascher zum Erfolg führen und auch wirksamer seih, wenn die wirtschaftliche Bildung verbessert werden könnte, eine Forderung, die sowohl von Wirtschaftswissenschaftlern als auch von Wirtschaftspolitikern immer wieder erhoben wird.

Nur eine vernünftige Kombination Steuer-, budget- und kreditpolitischer Maßnahmen ermöglicht eine rationelle Verwirklichung der finanzpolitischen Ziele. Auch bedarf die Finanzpolitik einer harmonischen Ergänzung durch währungspolitische Maßnahmen. Die moderne interventionistische Finanzpolitik verfügt über ein reiches Instrumentarium. Es ist eine große Aufgabe, dieses Instrumentarium mehr und mehr in der Praxis anzuwenden und das Verständnis für finanzpolitische Zusammenhänge zu vertiefen.

Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einer Hochkonjunktur, die Kapazitäten sind weitgehend ausgenützt. Wenn auch vielleicht der Höhepunkt der Konjunktur bereits überschritten ist, muß doch getrachtet werden, Über-hitzungserscheinungen zu vermeiden, um ein weiteres ruhiges Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. Eine besondere Disziplin, vor allem auf dem Lohn- und Preissektor, ist daher am Platz. Die Aussichten der österreichischen Wirtschaft sind gut, das Volkseinkommen hat sich auch 1960 beachtlich erhöht, die Stabilität konnte gewahrt werden. Die finanzpolitischen Maßnahmen im kommenden Jahr werden daher vor allem bemüht sein, die Expansion der österreichischen Wirtschaft unter stabilen Verhältnissen zu sichern.

Immer gilt es jedoch eines zu beachten: „Die Finanzpolitik des Interventionsstaates der Gegenwart weist unvermeidlicherweise eine weit komplexere Gestalt auf als diejenige, die unter der Herrschaft der klassisch-orthodoxen Dek-kungsregeln im Zeitalter des Liberalismus befolgt wurde. Die Verwirklichung der Hauptziele moderner Wirtschafts- und Sozialpolitik: stetiger, maximale Beschäftigung sichernder wirtschaftlicher Fortschritt, gleichmäßigere Besitzverteilung und soziale Sicherheit — Ziele, die erst im Zuge der säkularen Wandlungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu Massenidealen und -postulaten wurden — läßt sich ohne eine bewußt auf sie gerichtete Finanz- und Währungspolitik nicht ermöglichen ... Die Ausdehnung der öffentlichen Tätigkeit jedoch in wechselseitiger Verbundenheit mit strukturellen Veränderungen der Marktwirtschaft und dem Aufkommen neuer Ideologen haben dazu geführt, daß heute weit mehr als im letztvergangenen Jahrhundert Umfang und Zusammensetzung der Budgets sowie die staatliche Deckungspolitik über Wohl und Wehe aller Staatsbürger entscheiden.“

1 Günter Schmölders, Das Irrationale in der öffentlichen Finanzwirtschaft, Probleme der Finanzpsychologie, rowohlts deutsche enzyklopädie, Hamburg 1960, S. 14 f.

2 Schmölders, a. a. O. S. 34 f.

3 Fritz Neumark, Grundsätze und Arten der Haushaltführung und Finanzbedarfsdeckung, Handbuch der Finanzwissenschaft, erster Band, J. C. B. Mohr „Paul Siebeck“, Tübingen 1952, 15, S. 669.

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