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WO KEIN WILLE, DA IST AUCH KEIN WEG

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Die Bank of Credit and Commerce International (BCCI) sorgte im Frühjahr dieses Jahres für Schlagzeilen. Die Erschütterung über ihren skandalumwitterten Zusammenbruch ist groß gewesen. Immerhin war sie die bedeutendste Bank auf der südlichen Hemisphäre und auch in den „alten" Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, haben Tausende Gewerbetreibende sich ihr anvertraut.

Aufsehenerregender jedoch als ihr Zusammenbruch, dessen Gründe nicht geklärt erscheinen, ist ihre Entwicklung: Die BCCI wurde 1972 gegründet und wurde 1983 von „Euromo-ney " am zweiten Platz der Banken mit dem größten Wachstum ausgewiesen. Innerhalb von 14 Jahren wuchsen ihre „assets" von 2,500.000 auf 20 Billionen US-Dollar.

Dieser Erfolg wurde von Beobachtern ihrer besonderen Managementphilosophie zugeschrieben, die von ihrem Gründer, Agha Hasan Abedi „Natural Management" genannt wird. Es ist eine Philosophie, die sich durch Freiraum und Offenheit, sowie durch Förderung der Vielfalt im Unternehmen auszeichnet. Anstatt eines „Central Headquarters" gab es bei der BCCI zum Beispiel eine „Central Support Organization". Man baute nicht auf Kontrolle sondern auf das Ermöglichen einer Entwicklung. Komitees mit unterschiedlichen Zusammensetzungen steuerten die Entscheidungsfindung und die Unterstützung auf den verschiedenen internationalen und lokalen Ebenen.

Die lebendige Kommunikation selbst war das eigentliche Organisationsprinzip, nicht Regeln und festgeschriebene Strategien. Das völlige Fehlen von Organigrammen und Titeln symbolisierte das Bestreben, jeden Mitarbeiter als wichtig anzusehen; die persönliche Entwicklung der Menschen im Unternehmen wurde aktiv unterstützt, nicht jedoch erzwungen. Nicht auf Raschheit allgemein wurde Wert gelegt, sondern auf das richtige „Urning" der Aktionen. Man nahm die Strömungen wahr und nutzte sie. Erfolg wurde nicht auf „win-ning" gegründet, sondern darauf, ob Entwicklung erzielt wurde - Entwicklung des Mitarbeiters, des Marktes, der wirtschaftlichen Infrastruktur des betreffenden Landes. Im 14. Jahr ihres Bestehens beschäftigte die BCCI 13.000 Mitarbeiter in 72 Ländern.

Es mag eigenartig anmuten, nun nach seinem unrühmlichen Ende dieses Unternehmen beziehungsweise dessen Managementkonzept erwähnenswert zu finden. Faktum ist, daß ihr Wachstum und ihr Erfolg einzigdastehend waren. Es gibt viele Unternehmen, die unter noch peinlicheren Umständen Skandale produzierten. Vermutlich gelang es nicht bei der Größe und der Intemationalität des Instituts letztlich politischen und wohl auch illegalen Geschäftsangeboten zu widerstehen.

Tatsächlich weist das,.Natural Management" des Agha Hasan Abedi alle Grundgedanken auf, die auch Unternehmen der „alten Welt" derzeit bewegen. Es gibt kaum eine Ausgabe der bekannten amerikanischen Management-Magazine, wie zum Beispiel „Fortune" oder „Havard Business Revue", in der nicht eine Erfolgsstory über einen Unternehmensführer zu lesen ist, der mit neuen, flexiblen Strukturen und Organisationsformen experimentiert. Diese neuen Wege weisen alle ohne Ausnahme ein Abwenden von hierarchischen Organisationsformen zugunsten fließender, flexibler Strukturen auf. „Breaking bureaucracy" ist die Devise, gleichgültig ob es um Verbesserung der Kundenorientierung oder größere strategische Flexibilität oder um das Management neuer Technologien geht.

Die hierarchisch-bürokratische Form des Unternehmens ist passe. Sie hat in den Jahren konstanten Wachstums und prognostizierbarer Entwicklung hervorragende Dienste geleistet. Die berechtigten Zweifel darüber, daß sie in den kommenden Jahren noch brauchbar bleiben wird, sind unübersehbar. Zu klar scheint es, daß die auf uns zukommenden Probleme keineswegs durch eine „verbesserte" Bürokratie gemeistert werden können: Jede Strategie, jede Methode beginnt dann obsolet zu werden, wenn durch ihren verstärkten Einsatz die Probleme nur noch größer werden, die man durch ihren Einsatz zu lösen hofft. Und genau das ist heute bereits mit hierarchischen Unternehmensstrukturen der Fall: Der Mangel an unternehmerischem Denken kann nicht mit hierarchischem Appell gefördert werden, der Mangel an Lern- und Risikobereitschaft wird nicht durch verordnete „Corporate Identity" behoben, Kommunikation nicht durch Informationsrichtlinien intensiviert. Schon gar nicht Veränderungsbereitschaft durch den Einsatz externer Berater beziehungsweise deren Aufpfropfen neuer Strukturen über alte.

Das Management wird nicht nur globaler, auch das Grundproblem ist global: Wenn die Umwelt der Unternehmen turbulent und dynamischer wird, brauchen wir ähnliche Prozesse im Unternehmen, um flexibel und aktiv diesen Prozeß mitzugestalten.

Um es gleich vorweg zu sagen: Es geht nicht um radikale Abschaffung der Hierarchie! Gedanken wie „Abschaffen" oder „Einsetzen" stammen aus der Gedankenwelt der Hierarchie selbst, in der im Unterschied von „Entwicklung" in Radikaldimensionen der Machbarkeit gedacht wird. Es geht vielmehr um eine Weiterentwicklung unseres bisherigen Denkens über Unternehmensstrukturen. Orientierungspunkte für neue Wege in der Untemehmensf ührung sind alle Überlegungen, die die Starrheit und Unbe-weglichkeit, sowie Anleitung und Kontrolle für Aktivitäten zugunsten von Lebendigkeit und Veränderung, Lernen und Entwicklung überwinden wollen.

Die Entwicklung von Teams, offene Kommunikation zwischen allen Bereichen und Ebenen, Aktivierung und Ermuntern zu Kritik und Erarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung verschiedener Abläufe, kurz alles, was in einem hierarchie- und ordnungsorientiertem Management ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube hervorzurufen pflegt, stehen meist im Mittelpunkt dieser Entwicklungen. Erfolgreiche Unternehmen sind immer Spiegelbilder der Entwicklungen des Marktes gewesen, sie haben sozusagen den Geist der Zeit inkorporieren können, weil sie neugierig und lernbegierig in ihre Umwelt geblickt haben. Mit Beständigkeit und Vorauswissen hat die Umwelt der Unternehmen mittlerweile nur mehr recht wenig zu tun. Wie versuchen Unternehmen heute, der Krise der bisherigen Organisationsformen zu begegnen? Das „Natural Management" des Agha Hasan Abedi kann seine „femöstlichen" Anleihen nicht verleugnen. Genauso, wie es nicht sinnvoll erscheint, japanische Vorbilder zu kopieren, wird es auch für viele europäische Manager schwierig sein, eine Mission wie Abedi durch ihr Unternehmen zu tragen.

„Vernetzung" bleibt jedoch ein gültiger Grundsatz auch bei konservativeren Veränderungsbemühungen. Ob Matrix-Organisation in der Vergangenheit, ob Projektmanagement, ob Task-Forces oder Qualitätszirkel, überall werden Verbindungen querdurch die „Hierarchie" hergestellt und Initiative ermuntert und bestärkt.

Bei Conrail, einem Speditionsunternehmen mit Sitz in Philadelphia trifft ein Komitee von 19 Führungskräften aus dem mittleren Management wichtige operationelle Entscheidungen. Das heißt, es greift direkt mit diesen Entscheidungen in die Gestaltung von Arbeitsabläufen ein. Dieses ,.Netzwerk" von Führungskräften trifft sich jeden Montag bis zu zwei Stunden und diskutiert beziehungsweise entscheidet eine große Anzahl taktischer Fragen, wie zum Beispiel die Art der Preisgestaltung, Lieferpläne oder die Qualität des Services für wichtige Kunden bei gleichzeitiger Kostenbeachtung. Damit nicht genug: Dieses Komitee entwickelt auch die Unternehmensplanung für die nächsten Jahre und schließt bei seinem Entwurf recht radikale, neue Ansätze zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit mitein. Geschäftsleitungsmitglieder können diesen Sitzungen beiwohnen und werden über die Tätigkeit des Komitees informiert. Den Vorsitz nehmen sie nie ein und beeinflussen auch die Arbeit der Gruppe nicht.

Die Royal Bank of Canada, eine der größten und profitabelsten Banken Nordamerikas geht seine Reformen, um seine Filialen-Strategie zu verbessern, so an: Eine „Netzwerk-Gruppe" bestehend aus zwölf Führungskräften unterzieht die derzeitige Situation einer gründlichen und sehr offenen Kritik. Ihre Erkenntnisse fassen sie in einem Reformplan zusammen. Auch hier stammen dje Mitglieder der Gruppe alle aus der Organisationsebene, die direkt von den Problemen betroffen sind. Das Top-Management bleibt aus dem Prozeß ausgeschlossen.

17 konkrete Vorschläge wurden 1990 präsentiert. Seitdem arbeitet die Gruppe gemeinsam mit der Geschäftsleitung an der Umsetzung der Vorschläge. Nun sollen alle Gebietsmanager zu einem Netzwerk zusammengefaßt werden, das sich laufend mit den Entwicklungen auseinandersetzt, um so einen permanenten Lernprozeß zu installieren.

Auf den ersten Blick klingt das überhaupt nicht aufregend und schon gar nicht neu. Projektteams mit diesen Zielsetzungen sind längst bekannt. Und doch gibt es hier einige Unterschiede: Während Projektteams meist temporär eingesetzt sind, bleiben solche Netzwerk-Gruppen zusammen. Sie werden „institutionalisiert" und nehmen sozusagen die Stellung von „Veränderungsspezialisten" ein. Durch ihren „Langzeit-Erfahrungsaustausch" lernen sie das Unternehmen immer besser zu durchschauen. Die Kommunikation kann wirklich offen sein, da sich innerhalb der Gruppe Vertrauen entwickeln kann. Niemand ist „Repräsentant" einer bestimmten Abteilung, die er zu schützen hat. Der zweite Unterschied: Ungleich den meisten Projektteams erhalten sie die zu bearbeitenden Probleme nicht definiert und zugewiesen. Sie sind frei dort „hineinzuleuchten", wo sie es eben wollen. Sie werden selbst initiativ und bestimmen häufig durch ihre bloße Tätigkeit eine Veränderung von Informationsflüssen und EntScheidungsprozessen, bis hin zu Einflüssen auf neue Machtverteilungen. Wie ein „Spaltpilz" sollen sie bisherige Strukturen aufbrechen. Als dritter Unterschied ist die Rolle der Geschäftsführer in diesem Prozeß zu erwähnen: Sie sind schlicht und einfach Garant für die Umsetzung der Vorschläge und nicht letztlich zustimmende Instanz. Damit geben sie die Rolle der Letzt-Entscheider in das Unternehmen ab und ermöglichen eine Neugestaltung der Veränderungsprozesse. Natürlich entscheiden sie in denjenigen Belangen, die auf ihrer Ebene entschieden werden müssen weiterhin. Daneben lernen sie jedoch auch immer mehr ihr Unternehmen und was es zu leisten imstande ist, zu verstehen. Der wichtigste Unterschied zu so manchen anderen Formen ist jedoch noch viel einfacher: Es finden tatsächlich Veränderungen statt.

Diese Beispiele zeigen den entscheidenden Aspekt auf: Es gibt ein echtes Bemühen um Veränderung, das sich durch die beständige Einrichtung solcher Netzwerke und die bedingungslose Unterstützung durch das Top-Management äußert. Erst dadurch können sie diejenigen Kenntnisse und auch diejenige Macht entwickelnde man für erfolgreiche Veränderungen braucht. Es ist im Grunde fast gleichgültig, welche Methode man zur Veränderung einsetzt, solange Veränderung auch wirklich gewollt ist. Die ausgefeilteste Methode ist zum Scheitern verurteilt, wenn der Veränderungswille fehlt. Wo ist also wirklich anzusetzen?

Die Kultur eines Unternehmens entsteht durch die Art und Weise, wie im Unternehmen und seinem Management gedacht wird. Die eigentlich wirksamen Gedankenmuster sind dabei oft nicht bewußt. Sonst wäre nicht so häufig das Phänomen anzutreffen, daß so viele Führungskräfte „eigentlich wissen", wie es sein sollte, abeij keiner es tut. Welche „inneren" Blockaden gibt es für Führungskräfte in einflußreichen Stellen, die das verändernde Handeln,das „Schreiten zur Tat" verhindern? Welche „geheimen" Gedanken und Annahmen wirken dem entgegen? □ Hier ist zunächst ein tiefes Mißtrauen gegenüber all jenen Veränderungsprozessen zu erwähnen, die nicht vom Management selbst ausgehen oder letztlich unter seiner Aufsicht eingeleitet werden. Kontrolle ist auch notwendig. Aber sie ist meist wesentlich wichtiger als jede Eigendynamik. Diese Prioritätensetzung teilt sich auf unteren Ebenen durch viele kleine Signale unmißverständlich mit und sorgt damit für das Ersticken jedes Veränderungswunsches von unten. Veränderungen kommen von oben und dorthin blickt man auch.

Nun wird so mancher Manager den Kopf schütteln und an die von ihm wahrgenommene geringe Veränderungsbereitschaft auf unteren Ebenen denken. Hier ist ein einfacher Test anhand weniger Fragen anzubieten: Wieviel Risikobereitschaft und Initiative haben Sie selbst durch Vorleben gezeigt? Wie oft haben Sie Kritik an derzeitigen Zuständen offen und bereitwillig aufgegriffen, ernst genommen und zur Erarbeitung neuer Lösungen ermuntert? Wie ehrlich haben Sie solche Aktivitäten, ungeachtet des Erfolges, unterstützt? Konnten Sie als wohlwollender Beobachter sich zurückhalten und den Betroffenen wirklich Freiraum bieten? Wenn Sie alle diese Fragen mit , Ja" beantworten, fragen Sie bitte noch Ihre Mitarbeiter (denn Führung wirkt sich in deren Erleben aus). Wenn auch Ihre Mitarbeitermit einem (ehrlichen) „Ja" antworten, dann sollten Sie etwas für Ihre Mitarbeiter im Sinne der Ausbildung tun.

□ Der Zwang, daß jede Lösung „richtig" sein muß und daß es keine Experimente geben darf, ist ein weiterer Hinderungsgrund. Die Annahme, es gäbe objektiv richtige Lösungen, haben wir von der Naturwissenschaft übernommen (die sie selbst im Bereich der Atomphysik längst über Bord geworfen hat). In Zeiten raschen Wandels ist diese Sehnsucht nach Sicherheit nicht mehr zu befriedigen. Natürlich müssen wir nach dem Besten nach „Wissen und Gewissen" streben. Wichtiger ist jedoch die Überzeugung, am richtigen Weg zu sein, als ein logischer Beweis, der ohnehin nicht möglich ist. Das Odium der „Unfehlbarkeit" wird gerne dem Papst abgesprochen, aber Manager glauben es haben zu müssen. Das innere Verbot zum Experiment macht unsere Welt noch komplexer, als sie ohnehin schon ist: Alles durchdenken und berücksichtigen zu wollen muß jede Veränderung hemmen. Vermutlich muß eben deshalb der Unfehlbarkeitsanspruch herhalten. Unsere Wissensgesellschaft neigt dazu, anderen Nicht-Wissen vorzuwerfen, anstatt den Mut zu verstärken, neue Wege zu versuchen. Vielleicht deswegen, weil bei einem Erfolg (der ja nie ausgeschlossen werden kann), bisheriges eigenes Wissen nicht mehr haltbar wäre?

□ Die meisten Veränderungen werden „heiligen Kühen" geopfert. Tabus zu durchbrechen, in kritische Fettnäpfchen zu treten und andere Aktivitäten mit unangenehmen Folgeerscheinungen sind allzu häufig mit dem Aufzeigen von kritischen Punkten im Unternehmen verbunden. Dieser Punkt hängt natürlich eng mit dem vorhergehenden zusammen, da Wissen in der Hierarchie ja auch immer Macht bedeutet.

So wird so manche notwendige Veränderung am Altar der Macht und der Unantastbarkeit geopfert.

Die Liste ist keineswegs erschöpfend. Es sind jedoch Beispiele von häufigen Ursachen für Veränderungs-unwilligkeit dort, wo neue Wege und Lösungen zwar gedacht und erkannt, aber nicht umgesetzt werden. Mithin also, wo nicht die Erkenntnis, sondern der Wille fehlt. Bürokratischhierarchisches Denken steuert nun einmal das persönliche Interesse in Richtung Kontrolle, Stabilität, Störungsfreiheit in Abläufen, Widerspruchsfreiheit, logische Beweisbarkeit von Dingen, die längst nicht mehr „logisch" zu beweisen sind, weil einfach die sicheren Informationen nicht vorhanden sind und generell Absicherung der eigenen Position durch Behauptung der eigenen Fehlerlosig-keit. Wo Probleme als Störungen „geahndet" werden, zeigt niemand Probleme auf. Wir sollten „Hierarchie" nicht als eine Organisationsform, sondern als eine Haltung verstehen lernen.

In einer Welt raschen Wandels ist das Unternehmen zu einem ebensolchen genötigt, wenn es erfolgreich überleben will. Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit ist im Kern kein organisatorisches oder methodisches Problem. Sie sind eine Frage der Persönlichkeit und des Weltbildes.

Alle schönen Methoden zur Erreichung einer „flexiblen, lernbereiten Organisation" können nichts bewirken, wenn die Haltung zu Veränderung und Risiko sich nicht verändert. ' Da es an gescheiten Methoden keinen Mangel gibt, sondern eher einen solchen auf der Seite der kundigen Anwender, ist die Frage nach dem „Manager im Jahr 2000" auch nur unter dieser Perspektive zu beantworten. Versuchen wir also diese Persönlichkeit zu skizzieren, worum ich ja letztlich von der Redaktion gebeten wurde:

Unter der Voraussetzung, daß der allgemeine Trend gleich bleibt (was ja auch nicht sicher angenommen werden kann), wird der erfolgreiche Manager des Jahres 2000 ein Weltbild haben, das sich im Unterschied zu stabilen und mechanischen viel eher an lebendigen, dynamischen Systemen, orientieren wird. Er selbst wird sich als Mensch ebenfalls als ein sich „entwickelndes System" begreifen und neugierig nach neuem Wissen und Möglichkeiten Ausschau halten. Nichts ist für ihn bereits das einzig Mögliche, nichts ist der „Weisheit letzter Schluß". Dieses Weltbild wird für ihn stimmiger sein, da es mehr dem Wesen des Lebendigen entspricht. Unter diesen Voraussetzungen wird er ebenso neugierig in sein Unternehmen blicken und das dort vorhandene Wissen und vorhandene Fähigkeiten zu beleben versuchen. Entwicklung der Menschen ist für i hn Stärken des Gesamten. Er steht in seiner Auffassung nicht „über" allem, sondern als Teil des Ganzen „mittendrin". Er dient eher dem Unternehmen mit seinem Beitrag und zieht daraus Befriedigung und nicht aus verliehenen Herrschaftsinsignien. Das kann er deswegen tun, weil er weiß, daß ihm sein Beitrag zur Lösung von Problemen und zum Überleben des Unternehmens Respekt und Anerkennung verschafft.

Man hört heute häufig von der Notwendigkeit der „Selbstsicherheit" für Manager. Das stimmt in dem Sinn, als es tatsächlich einiges an Selbstsicherheit und Selbstbewußtsein bedarf, sich als Teil eines größeren Ganzen zu fühlen. Ebenso brauchen wir sie, wenn wir uns erst dann als wirklich autonom handelnde Führungskräfte fühlen, wenn wir auch andere zu Selbstsicherheit und Autonomie entwickeln. Diese Fähigkeit sollte gut unterschieden werden von der anderen Art der Selbstsicherheit, die man eher ehrlicherweise als „Selbstüberschätzung" bezeichnen sollte. Die Elefantenhaut der Selbstüberschätzung wird heute häufig angezogen, wenn man Erfolg haben will. Unternehmen, die in ihrer Kultur durch Vorleben diese Art des Managers „heranzüchten", werden auch im Jahr 2000 eben diesen Managertyp haben.

Managertyp und Untemehmenskul-tur sind kaum zu trennen. Es gibt wenige Menschen mit soviel Charisma, die durch ihre Persönlichkeit ganze Unternehmen prägen. Es wird sie noch seltener in der Zukunft geben, denn die Zeiten seit den „großen ahen Pionieren" sind schwieriger geworden und Erfolg ist nicht leicht zu erreichen und noch weniger beständig. Das bedeutet, daß der zukünftige Manager ein Typ sein wird, der mit Überzeugung versucht, gemeinsam mit anderen „sein" Unternehmen zu entwickeln und als autonom handelnder Teil seinen Beitrag zu leisten. Ein Über- oder einfach „ein anderer" Mensch?

Der Autor ist Geschäftsführer des Managementinstitutes der Industrie (MDI).

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