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Offensive der Partnerschaft

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Die Betriebswelt rückt zusehends in den Mittelpunkt des gesellschaftspolitischen Interesses. Es geht nicht nur quantitativ um die Arbeitsplätze, sondern vor allem um die Qualität des innerbetrieblichen „Zusammenlebens“. Ergonomie, Bildschirmarbeitsplatz, Führungsstil, Organisationsentwicklung, innerbetriebliche Sozialpartnerschaft und ähnliche Begriffe beginnen die Diskussion zu bestimmen. Der Unternehmensalltag wird von den Mitarbeitern nicht nur unmittelbar kritisch erlebt, er prägt auch weitgehend das Urteil über Ge- sellschafts- und Wirtschaftsordnung. Deshalb ist dem Klima in den Unternehmungen - und zwar im weitesten Sinne dieses Begriffs - größtes Augenmerk zuzuwenden. Die österreichische Industrie ist offensiv geworden: unter dem Titel „Unternehmensleitbild und Führungsgrundsätze" wurde erst jüngst eine Publikation der Öffentlichkeit vorgestellt.

Partnerschaft kein Tabu

Das Modell der sozialpartner- schaftlichen Zusammenarbeit in Österreich erregt verständlicherweise insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten jenseits der Grenzen große Aufmerksamkeit Dementsprechend stark ist das Interesse am Aufbau und an der Funktionsweise dieser spezifisch österreichischen Institution. Aber gerade auf diesem „spezifisch österreichisch" liegt der Akzent, ist doch die Sozialpartnerschaft nur aus der Geschichte und der Mentalität unseres Volkes zu erklären. Sie eignet sich kaum zur Nachahmung, weil eben anderswo die „österreichischen" Voraussetzungen fehlen.

Unabhängig davon muß uns in der Industrie klar sein, daß auch die Sozialpartnerschaft nicht auf ewige Zeiten in der Form, wie sie jetzt praktiziert wird, ein Tabu bleiben darf. Auch an ihr gehen die Veränderungen der Zeit, der Gesellschaft, der wirtschaftlichen Gegebenheiten und vor allem der Zukunftsperspektiven nicht spurlos vorbei. Man sollte sich daher ohne innere Reserve damit auseinandersetzen, in welcher Weise sie die achtziger Jahre überstehen wird, vor allem dann, wenn man bedenkt, daß sie in wenigen Jahren von einer neuen Generation von Repräsentanten auf beiden Seiten getragen werden wird. Bekanntlich ist nichts schlimmer als ein Konservativismus, der am Ende nur noch sich selbst bewahrt..

Aber unabhängig von diesen sehr notwendigen Überlegungen über die Adaptierung einer höchst bewährten österreichischen Institution - dies in des Wortes besonderer Bedeutung - sollte man sich immer auch vor Augen halten, daß es neben dieser überbetrieblichen Zusammenarbeit noch eine zweite Kooperationsebene gibt, die nicht minder wichtig ist als die erste, nämlich die betriebliche. Auch im Unternehmen kann, ja muß Sozialpartnerschaft geübt werden. Sie wird ja auch schon, manchmal vielleicht unbewußt, gelebt. Aber angesichts der vielen Herausforderungen, die auf die Industrie, insbesondere auf die industriellen Unternehmen im weitesten Sinne des Wortes, also natürlich auch auf die Führungskräfte mit unternehmerischer Verantwortung, zukommen, wird es notwendig sein, die innerbetriebliche Zusammenarbeit nicht mehr ausschließlich der Tradition, dem guten Willen und im Ablauf der Improvisation zu überlassen. Auch wenn man mit gutem Grunde skeptisch gegenüber jeder zu weitgehenden Technisierung von Prozessen des menschlichen Zusammenlebens ist, muß doch gesagt wer-

Sle Ist bei der Vereinigung österreichischer Industrieller unter der Tel.-Nr. 72 56 51 / 255 OW jederzeit kostenlos zu bestellen.

den, daß bei Beachtung einiger geradezu primitiv-einleuchtender Gedanken manches leicht und ohne Friktionen zum Besseren zu wenden ist.

Für die Intensivierung der innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft, der wir aus innerer Überzeugung größte Aktualität beimessen, sind die Voraussetzungen in unserem Lande, nicht anders als für die überbetriebliche Kooperation, denkbar günstig: ein gutes Sozialklima (Ausfluß auch der Sozialpartnerschaft im weiteren verstanden), Überschaubarkeit der Unternehmen, der österreichische Sinn für das Maß, mit Abneigung gegen alle extremen Ausschläge, zusammen mit einem gesunden Widerwillen gegen große Worte und hohles Pathos. Man kann bei uns eben noch

„menschlich" sein (manchmal allerdings gibt es auch dabei schon ungute Übertreibungen…).

Immer wieder erleben wir gerade in dieser Zeit, daß die Mitarbeiter „ihrem" Unternehmen gegenüber eine besondere Treue und Anhänglichkeit beweisen. Ja, es gibt einen weitverbreiteten Stolz auf das gemeinsam Erreichte und Erarbeitete, auch viel Verständnis, wenn die rechte Ansprache und Information erfolgt, auch keine a priori zu registrierende Ablehnung „des Unternehmers", wenn es sich um den „eigenen" handelt. Dem oft in dieser Hinsicht im Unternehmerlager anzutreffenden Defaitismus Ist die eindeutige Wahrnehmung entgegenzuhalten, daß zwischen dem Nah- und Fernbild des Unternehmers ein deutlicher Unterschied besteht.

Dieses Nahbild wird natürlich von den Erfahrungen des einzelnen Mitarbeiters an seinem Arbeitsplatz geprägt. Bei der jüngsten Österreich- Tagung des Wirtschaftsforums der Führungskräfte wurde von erfolgreichen Spitzenmanagern zu Recht darauf hingewiesen, wie sehr sich gerade in Krisenzeiten das offene Gespräch

und die rückhaltlose Information bewährten. Die Betriebsräte spielen dabei eine besonders bedeutsame Rolle, weil die Aversion gegen den betriebsfremden Nur-Funktionär auch in der Mitarbeiterschaft wächst. Die innere Entfernung von der „Basis" erweist sich auch hier als sehr eklatant.

Gerade in wirtschaftlich kritischen Zeiten erweist sich, daß die Mitarbeiter sich „ihrem“ Unternehmen verbunden fühlen. Meinungsumfragen aus jüngster Zeit haben überdies bestätigt, daß die Mitarbeiterschaft der österreichischen Industrie im großen und ganzen von einer Fremdbestimmung ihres persönlichen Schicksals durch betriebsferne Funktionäre oder Apparate nichts hält. Sie ist durchaus auch zu einer innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft bereit, die die notwendige Ergänzung und Abrundung der bewährten überbetrieblichen Sozialpartnerschaft in Österreich sein muß.

Allerdings wollen die Mitarbeiter eines Unternehmens auch wissen, warum sie sich mit diesem identifizieren können und sollen. Ausformulierte Unternehmensziele und Führungsgrundsätze sind darum keine Spielerei, sie helfen vielmehr mit, die betriebliche Sozialpartnerschaft zu fundieren und zu festigen. Das Thema „Unternehmensziele und Führungs

grundsätze“ wird, wie die Vereinigung Österreichischer Industrieller aus Mitgliederumfragen weiß, in seiner Bedeutung erkannt.

Grundsätzlich gilt: Die Entscheidung über die Wirtschafts- und damit die Gesellschaftsordnung, in der wir alle zu leben wünschen, fällt auch an der Front des betrieblichen Alltags, insbesondere im Denken und Fühlen der Mitarbeiter. Daß die marktwirtschaftliche Ordnung besser, effizienter und vor allem auch menschlicher ist als andere Ordnungen, ist bekannt. Vielen Menschen muß jedoch nachgewiesen werden, warum sie besser ist. Unternehmensziele und Führungsgrundsätze sind ein Beitrag zur Lösung dieser gesellschafspoll- tisch äußerst wichtigen und sehr aktuellen Aufgabe.

Warum identifizieren?

Neben dem Anwachsen der Umweltdynamik ist eine zunehmende Komplexität der Entscheidungen Im Unternehmen festzustellen. Dies ist

auf die Vielfalt der bei Entscheidungen zu berücksichtigenden Einflußfaktoren, die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung und die wechselseitigen Abhängigkeiten zurückzuführen, die zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Technik bestehen:

• Die Einstellung und die Motiva

tion der im Unternehmen tätigen Mitarbeiter haben ebenso wie die Meinungen, die durch die Medien vermittelt werden, zwangsläufig Folgen für die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Unternehmen.

• Der zunehmende staatliche Einfluß auf die Unternehmenstätigkeit erfordert die Einbeziehung bisher oft wenig beachteter Komponenten in die strategische Willensbildung.

• Die Notwendigkeit, die Existenz einer unabhängigen Unternehmerschaft zu beweisen, muß vermehrt von und in den Unternehmungen selbst wahrgenommen werden.

• Die in Österreich verstärkt virulent werdenden Wirtschafts-, technik- und fortschrittsfeindlichen Motivationen müssen mehr als bisher berücksichtigt werden:

• Produktion und Konsum von Produkten und Dienstleistungen müssen im Gesamtkreislauf der Rohstoffgewinnung, der umweltfreundlichen Verarbeitung und Verwertung sowie des Recycling gesehen werden.

• Der Umfang der Information, der für die Entscheidungsfindung benötigt wird, nimmt ständig zu. Gleich

zeitig veraltet das Wissen in vielen Bereichen in immer kürzeren Fristen. Die Fülle der Informationen kann von Einzelpersonen auch unter Einsatz moderner Hilfsmittel der Informationstechnologie nicht mehr in vollem Umfang verarbeitet werden (dadurch sind mehr Zusammenarbeit und Koordination notwendig).

Die Unternehmensleitung kann mehr oder weniger nur über ständige Anpassungsmaßnahmen ( = Flexibilität) den skizzierten Umweltveränderungen entsprechen und auf diese Weise gewährleisten, daß das Unternehmen in seinem langfristigen Bestehen nicht gefährdet wird. Die Unternehmensfunktionen bzw. der Unternehmenszweck, nämlich bestimmte Marktbedürfnisse zu befriedigen, kann nur dann gewahrt werden, wenn es der Unternehmensleitung gelingt, durch innovative Entscheidungen, Veränderungen der Umwelt rechtzeitig und richtig zu erkennen.

Kein Status quo

Von größter Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, daß die Umweltveränderungen z. B. von einem Unternehmen allein nicht gestoppt werden können. Schon ein Verharren am Status quo kann Rückschritt bedeuten. Die Neuerungsorientierung, d. h. die fortgesetzte Innovation, muß als ständige Aufgabe der Führungsspitze verstanden werden. Dabei geht es nicht nur um neue Produkte, Dienstleistungen und/oder Verfahren, über die versucht wird, Änderungen des Marktverhaltens aufzufangen. Ebenso muß veränderten Erwartungen der Mitarbeiter (z. B.: mehr Information, Schulung, Mitwirken) oder deren Bedürfnisse nach Anerkennung, Selbstverwirklichung usw. durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Rechnung getragen werden.

Die Analyse erfolgreicher Unternehmen zeigt, daß die Überlegenheit immer auch auf einer umfassenden Unternehmenskonzeption beruht; das heißt, diese Unternehmen weisen eine bessere Produkt-/Markt-Kon- zeption auf, verfügen über eine schlagkräftige Organisations- und Führungsstruktur, das Planungs- und Informationssystem ist aktuell, zukunftsorientiert und aussagekräftig und die Befähigung sowie die Motivation der Mitarbeiter sind größer als in weniger gut geführten Unternehmen. Erfolgreiche Unternehmen sind somit in der Regel in der Lage, im Führungsbereich ihre Entscheidungen von einer Unternehmensstrategie bzw. von einem Unternehmensleitbild abzuleiten und die für eine hohe Entscheidungsqualität notwendige Zusammenarbeit der Unternehmensmitglieder auf allen Führungsebenen durch den Einsatz von Führungs- qrundsätzen zu optimieren.

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