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Unternehmer- Arbeiter

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Von katholischen Unternehmern Amerikas wurde soeben ein Handbuch unter dem Titel „Menschliche Beziehungen im modernen Geschäftsleben“ herausgegeben. Es ist interessant, feststellen zu können, wie weit einige katholische Unternehmer Amerikas in ihrer Einstellung zu sozialen Problemen fortgeschritten sind; sie erkennen, daß Verstimmung und offene Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darauf hinweisen, daß die Arbeits- und Lebensbedingungen zwischen den Lohnempfängern, der Führung und den Eigentümern geändert und verbessert werden müssen. Sie erkennen weiter mit Recht, daß jedes Wirtschaftssystem solange von einer Krise in die andere taumeln wird, solange es nicht gelingt, das Verhältnis zwischen beiden Teilen zu bessern. Diese Schrift ist der Auszug aus Beiträgen, die von einzelnen Wissenschaftern und Praktikern geliefert wurden. In der Einleitung scheint eine große Zahl von Persönlichkeiten auf, die an dieser Broschüre mitgearbeitet haben. Hier ist vor allem P. Leo I. Brown S. J. von der Katholischen Universität St. Louis, der bekannte Schlichter der Bundesregierung, zu nennen.

Die Verfasser gehen davon aus, daß die Beziehungen zwischen den Menschen eines Unternehmens dann gut zu nennen sind, wenn gegenseitige Achtung, Vertrauen und vor allem Verstehen zwischen jenen, die arbeiten, und jenen, die führen, herrscht. Die beiden Partner müssen nicht in jedem Detail übereinstimmen, aber jede Gruppe muß von der Aufrichtigkeit der anderen überzeugt sein, so daß sich beide Teile dazu bewogen fühlen, für das Wohl aller zu arbeiten. Dieser natürliche und vernünftige Gedanke ist die Voraussetzung für ihre Zusammenarbeit. Sie verwerfen daher die Annahme, daß Führung und Arbeiter sich unversöhnlich gegenüberstehen und daher ewige Feinde sein müssen. Diese Unternehmer sehen nüchtern die Tatsachen und versprechen sich von einem solchen Weg einen allgemeinen Geschäftserfolg. In der Grundidee gehen sie davon aus, daß die Menschen von Natur aus soziale Wesen sind. Sie1 gehen weiter von der Tatsache aus, daß der Mensch von Natur aus feststehende Rechte besitzt. Alle Menschen wünschen, daß ihre menschliche Würde respektiert wird, und wollen die Gewißheit haben, daß sie in jeder Beziehung menschlich behandelt werden. Die erfordert, daß der Mensch und seine Familie Nahrung, Kleidung, Wohnung und andere wichtige Lebensbedürfnisse erhält. Schließlich wünschen die Menschen Sicherheit. Sicherheit, auch für die Zukunft. Aus dem sozialen Wesen der Menschen leiten sie die Forderung ab, daß sie sich mit jenen vereinigen wollen, Welche ihre Interessen teilen und in gemeinschaftlichen Unternehmungen Gruppenarbeit entfalten.

Diese Unternehmer bekennensich zur Betriebsdemokratie, die geeignet erscheint, die unveräußerlichen Rechte des Mensch en zu sichern. Sie weisen darauf hin, daß die Ablehnung des Kapitalismus in vielen Teilen der Welt eine Warnung bedeutet, daß frühere Methoden, wie immer auch ihre vorübergehende Wirksamkeit gewesen sein mag, nicht immer den bestehenden Forderungen und Wünschen der Menschen Rechnung getragen haben. Diese katholischen Unternehmer sehen für Amerika eine neue Entwicklung heraufkommen, die sich vom Kapitalismus immer mehr distanziert und neue Methoden im Geschäfts-und Wirtschaftsleben einführt. Eine vordringliche Aufgabe sehen sie darin, die menschliche Sehnsucht nach Achtung und Anerkennung zu befriedigen, denn es genügt nicht, daß die Menschen sich kleiden können und eine Wohnung haben. Sie wenden sich dagegen, daß die Arbeit als Ware betrachtet wird, die man verwendet und weglegt, wie eine Maschine oder ein Werkzeug in der Fabrik. Die sogenannte Unvermeidlichkeit der Wirtschaftsgesetze genügt nicht, um eine schwere Mißachtung der Menschenwürde zu rechtfertigen. Sie prägen den bedeutenden Satz: Es gibt kein Wirtschaftsgesetz, das abseits liegt von menschlichen Beziehungen..

Die grundlegenden Erfordernisse sind daher im Geschäftsleben Selbstachtung, die Achtung des anderen, eine Garantie für Sicherheit und soziale Gestaltung des Lebens. Diese Unternehmer sehen die Notwendigkeit, daß alle diese Erfordernisse erfüllt werden, und erklären, daß, wenn auch nur eine vernachlässigt wird, der Mensch unglücklich und enttäuscht wird. Sie sehen daher die Lösung der Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter nicht allein in der Lohnfrage, sondern vor allem auch als psychologisches Problem und als Erziehungsproblem. Eines der wichtigsten Ziele ist, daß die Monotonie und anscheinende Zwecklosigkeit des einzelnen Arbeitsvorgangs in ihrem Zusammenhang mit der Gesamtleistung des Unternehmens verständlich gemacht wird. Das ist das psychologische Problem der industriellen Arbeit: auch in der Eintönigkeit und nervenzermürbenden Industriearbeit wieder Sinn und Zweck zu sehen und aus dieser Erkenntnis ein neues Arbeitsethos zu gestalten. Eine weitere Änderung in der bisherigen Methode wird darin gesehen, daß die Menschen über Arbeiten, die sie ausführen müssen, befragt werden und weiter, daß sie über die betrieblichen Probleme laufend unterrichtet werden. Sie wissen dann, warum dieses oder jenes gemacht wird und warum Änderungen notwendig sind.

Einige Betriebe bemühen sich, die Zusammenarbeit durch Gewinnanteil zu fördern. Eine Voraussetzung für eine wirkungsvolle und erfolgreiche Durchführung dieser Gewinnbeteiligung sehen sie auch hier in der Vertrauensatmosphäre zwischen den Arbeitern und der Leitung. Gewinnanteil hat den Vorteil, daß die Arbeiter an der steigenden Produktivität innerlich Anteil nehmen. In Anbetracht der wachsenden Kompliziert--heit und der gegenseitigen inneren Abhängigkeit schlagen diese Unternehmer ein Gespräch zwischen Arbeiter und Leitung vor, in dem alle Angelegenheiten, die den Betrieb, die Arbeit und die Produktion betreffen, besprochen werden, Um auf diese Weise Differenzen zu beseitigen. Der Lohn soll das Leben lebenswert machen; das bedeutet mehr als Unterhalt. Es ist unanständig, von Kindern oder deren Müttern zu verlangen, daß sie arbeiten, um den totalen Familienlohn zu vermehren, damit das Leben erträglicher werde. Der normale Standard sollte der Fa-m i 1 i e n 1 o h n sein.

Bezüglich des Verlangens nach Sicherheit treten diese Unternehmer dafür ein. daß Vorsorge für die Sicherheit der Beschäftigung und für ein staatliches Wirtschaftssystem getroffen werde. Hier, sei es notwendig, ein harmonisches Zusammenarbeiten der Industrie, der Arbeitnehmer und der Regierung zu gewährleisten. Sie fordern aber darüber hinaus Schutz vor willkürlicher Entlassung, Altersvorsorge und Förderung von Wohlfahrtseinrichtungen in Betrieben. Für erstrebenswert halten sie die Einführung von Prämien und von garantierten Jahreslöhnen.

„Es bleibt uns nur die realistische Wahl, den Arbe i t-nehmern zu zeigen, daß ihre berechtigten Forderungen in langer Reihe auch die unseren sind.“ Als wirtschaftliche Auswirkung sehen sie eine steigende Produktion, die die Basis zu einem höheren Lebensstandard bildet, und eine stabile Produktion, das heißt die Entfernung jener Schwankungen, die. Wirtechaftskrisen hervorrufen. Sie wollen aber nicht nur theoretisieren, sondern verlangen sofortige Umsetzung der erzielten Erkenntnisse in die Praxis, i m eigenen Betrieb.

Dieses sehr begrüßenswerte und interessante Werk zeigt uns deutlich die Einstellung katholischer Unternehmer in Amerika. Diese Bestrebungen sind ähnlich jenen, die sich als „Junge Unternehmer Frankreichs“ ansprechen, eine Bewegung, die auf die Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Arbeiter gerichtet ist und das Sozialproblem hauptsächlich von der psychologischen

Seite her angeht. Die Gesellschaft der „Jungen Unternehmer“ geht noch weiter als die in Amerika. Es handelt sich hier vor allem um einen Versuch, betrieblich Kapitals- und Arbeitsdividende gerecht zu verteilen. Die „Jungen Unternehmer“ Frankreichs bauen also ebenso wie die amerikanischen Unternehmer auf das persönliche Moment auf, versuchen demnach, vor allem die Ver-persönljchung der sozialen Arbeit. Es ist zu wünschen, daß diese Beispiele, die uns das Ausland bereits in so reicher Zahl liefert, auch bald in Österreich auf breitester Basis Widerhall fänden.

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