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Wunderwaffe Planifikation?

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Wenn wir weniger auf die Paukenschläge — wie etwa die Streikdrohung der Metallarbeiter —, sondern auf die Grundmelodie achten, so fallen beim Rückblick auf den jüngsten Bundeskongreß des Österreichischen Gewerkschaftsbundes viele positive Ideen und Reflexionen auf; so etwa die ernste Sorge um die Arbeitsplätze, die Sorge um die Stabilität des Schillings und das Bekenntnis zur Zusammenarbeit der beiden großen politischen Parteien.

Allerdings standen solche Überlegungen diskret im Hintergrund. Die vordergründige Argumentation wies auf die möglichen Gefahren für die Vollbeschäftigung, auf die Teuerung und die Notwendigkeit ihrer Eindämmung hin, ohne daß die Zusammenhänge mit der Kosten- und somit der Lohnentwicklung aufgedeckt wurden. Daß die Lohn- und Sozialpolitik — wenn sie nicht auf die realen Möglichkeiten Rücksicht nehmen — selbst Ursachen wirtschaftlicher Schwierigkeiten werden könnten, wurde entschieden abgelehnt. Als Wunderwaffe gegen alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde vielmehr die Planwirtschaft angeboten — oder die „Planifikation“, wie sie nunmehr mit einem aus Frankreich importierten Modewort heißt, da der frühere Name an Klang verloren hat.

Klärung der Begriffe

Auf den ersten Blick scheint zwar der Gewerkschaftsbund offene Türen einzurennen. Seit Jahr und Tag for dert die österreichische Industrie gleichfalls mehr Planmäßigkeit in der Wirtschaft, und auch die Bundeswirtschaftskammer hat erst dieser Tage dem Ausbau der Paritätischen Kommission zum Zweck einer strafferen Wirtschaftspolitik zugestimmt.

Die gewerkschaftliche Vorstellung von Planifikation sieht vor allem eine Lenkung der Investitionen vor, die in weiterer Folge zweifellos auch eine Lenkung der Produktion nach sich ziehen würde. Die Investitionslenkung soll freilich nicht durch direkten staatlichen Zwang erfolgen, sondern dadurch, daß nur die von einer Kommission als notwendig und richtig anerkannten Investitionen steuerlich ab- schreibbär sein sollen.

Unternehmer, deren Investitionen nicht bewilligt wurden, können aber dennoch in Besitz der Steuervorteile gelangen, wenn sie die für Investitionen bereitgestellten Mittel einem allgemeinen Fonds zur Verfügung stellen, der diese Mittel — wieder nach Gutdünken von Kommissionen — bestimmten Betrieben oder Branchen, die aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen förderungswürdig erscheinen, als Darlehen überläßt.

Was sagt die christliche Soziallehre?

So harmlos die Forderung nach Investitionslenkung auch klingen mag, Sie läuft doch auf eine kalte Enteignung hinaus und hätte zwangsläufig weitgehende Folgen für die gesellschaftliche und politische Struktur eines Landes, wobei letzten Endes das Privateigentum — zuerst de facto, später auch de iure — beseitigt würde.

Es fragt sich daher, ob mit solchen „Plänen“ nicht schon eindeutig jene Grenze überschritten wurde, welche die christliche Soziallehre den Eingriffen von Staat und Gesellschaft in die wirtschaftliche und persönliche Freiheit des einzelnen setzt. In der Sozialenzyklika Papst Johannes’ XXIII. heißt es ausdrücklich:

„Es ist wahr, die Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis und Produktionstechnik geben augenscheinlich der staatlichen Führung heute in umfassenderem Maß als früher Möglichkeiten in die Hand, Spannungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen, zwischen den verschiedenen Gebieten ein und derselben Nation, wie zwischen den verschiedenen Nationen auf Weltebene zu mildern, die aus den Konjunkturschwankungen der Wirtschaft sich ergebenden Störungen zu begrenzen und durch vorbeugende Maßnahmen den Eintritt von Massenarbeitslosigkeit wirksam zu verhindern. Darum ist von der staatlichen Führung, die für das Gemeinwohl verantwortlich ist, immer wieder zu fordern, daß sie sich in vielfältiger Weise umfassender und planmäßiger als früher wirtschaftspolitisch betätigt und dafür ange- paßte Einrichtungen, Zuständigkeiten, Mittel und Verfahrensweisen aüsbildet.

Immer aber muß dabei festgehal- ten werden: Die Sorge des Staates für die Wirtschaft, so weit und so tief sie auch in das Gemeinschaftsleben eingreift, muß dergestalt sein, daß sie den Raum der Privatinitiative der einzelnen Bürger nicht nur nicht einschränkt, sondern vielmehr aüsweitet, allerdings so, daß die wesentlichen Rechte jeder menschlichen Person gewahrt bleiben.

In der Tat belehrt uns die ständige Erfahrung: Wo die Privatinitiative der einzelnen fehlt, herrscht politisch die Tyrannei; da geraten aber auch manche Wirt- sqhaftsbereiche ins Stocken; da fehlt es an tausenderlei Verbrauchsgütern und Diensten, auf die Leib und Seele angewiesen sind; Güter und Dienste, die zu erlangen in besonderer Weise die Schaffensfreude und den Fleiß der einzelnen auslöst und anstachelt."

Kommissionen — unfehlbar?

In diesen Worten des verstorbenen Heiligen Vaters werden nüchtern und klar die Gründe angeführt, die gegen eine Vernichtung der Initiative des Unternehmers und eine Übertragung der Entscheidungen an anonyme Kommissionen spricht, die zwar selber keine Verantwortung tragen, dennoch aber souverän über die Schicksale der Unternehmer und Arbeitnehmer entscheiden.

Eine solche Kommission würde — wie der gelernte Österreicher auf Grund langjähriger Erfahrung nicht anders erwartet — bestimmt zum geringsten Teil aus echten Fachmännern, zum Großteil aber aus Politikern bestehen, deren Ziele nicht wirtschaftlicher Natur, sondern partei- und gesellschaftspolitisch sind.

Eine Kreditlenkung besteht übrigens in Österreich schon seit langem, nur wird sie nicht von Kommissionen ohne Verantwortung, sondern von Banken durchgeführt, die das volle Risiko für ihre Entscheidungen tragen, die Situation jedes einzelnen Kreditwerbers untersuchen und zu diesem Zweck über ausgezeichnete und erfahrene Fachleute verfügen.

Die Kommission, so wird uns geantwortet, würde aber die Kredite nach „höheren" Gesichtspunkten als der der Sicherheit der Anlage und der Bonität des Schuldners vergeben.

Worin bestünden die „höheren“ Gesichtspunkte der Kommissionen? Würden vielleicht die Kredite und steuerlichen Investitionsbegünstigungen nach einem starren Branchenschema ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Einzelbetriebes gewährt, als ob es nicht auch in Wachstumsbranchen lebensunfähige Betriebe gäbe und anderseits in Sparten mit allgemein schlechten Zukunftschancen Spezialunternehmen mit großen Entfaltungsmöglichkeiten? Sollen diese abgewürgt und jene künstlich am Leben erhalten werden?

Oder sollen politische Gesichtspunkte entscheiden? Oder soziale?

Sind Planungskommissionen wirk lich unfehlbar? Haben sich die Wirtschaftsprognosen nicht immer wieder als falsch erwiesen? Haben staatliche und sonstige öffentliche Zentralstellen in West und Ost trotz hochentwickelter wissenschaftlicher Methoden nicht immer wieder fehlgeplant? Nichts gegen Prognosen und eine wirtschaftliche Rahmenplanung, aber alles dagegen, darauf einen zwar allmächtigen, aber keineswegs unfehlbaren Lenkungsapparat aufzubauen.

Was nottut

Damit soll keineswegs jede Art von Planung verworfen werden. Ebenso falsch wie der Dirigismus sind ein schrankenloser Liberalismus und ein planloses Improvisieren in der Wirtschaftspolitik.

Was freilich nottut, ist keine In- vestitions- und Produktionsplanung bis in den einzelnen Betrieb, sondern eine weitschauende Wirtschafts- und Budgetpol i- t i k, die auch dem Einzelunternehmen eine Planung auf lange Sicht gestattet und es nicht der Roßkur ständiger wirtschaftspolitischer Wechselbäder aussetzt. Nottut ferner eine Koordination zwischen Wirtschaftswachstum einerseits und Lohn- und Sozialpolitik anderseits, eine wirksame Investitionsförderung ohne politische Scheuklappen, ebenso das Gleichgewicht zwischen Ein- und Ausgaben im Staatshaushalt und eine Reihung der an den Staat herangetragenen Wünsche nach Dringlichkeit und Wichtigkeit. Solange in diesen Bereichen nicht Ordnung gemacht wurde, wäre selbst eine ideale Wirtschaftsplanung — sofern es diese gäbe — zum Scheitern verurteilt, denn jede unvorhergesehene Lohnwelle und jede Überforderung des Budgets müßte das sorgfältig Geplante über den Haufen werfen.

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