6603216-1953_52_24.jpg
Digital In Arbeit

Werbung und Produktivität

19451960198020002020

Von Dr. Emil Weinberger, Präsident des Oesterreichischen Produktivitätszentrums

19451960198020002020

Von Dr. Emil Weinberger, Präsident des Oesterreichischen Produktivitätszentrums

Werbung
Werbung
Werbung

Unter den Faktoren, die das heutige Wirtschaftsleben 1 bestimmen, sind Werbung und Produktivität besonders eng verbunden. In der Kriegswirtschaft und beim Vorherrschen eines Verkäufermarktes mag ein Unternehmen auf Werbung weitgehend verzichten können, der ungesättigte Markt wird die Produktion, vor allem Verbrauchs- und Bedarfsgüter, rasch aufsaugen, ob nun Namen und Vorzüge des einzelnen Produktes allgemein geläufig sind oder nicht. Ein weitblickendes Unternehmen allerdings wird selbst in solchen Zeiten aus einem gesunden Repräsentationsbedürfnis nicht versäumen, sich seinem alten Kundenstock wie auch dem eventuell neu zu gewinnenden Abnehmerkreis in geeigneter Form in Erinnerung zu bringen.

Anders ist die Funktion der Werbung in der freien Kortkurrenzwirtschaft, die unter dem ständigen Zwang steht, mehr, besser und billiger zu produzieren. Die gerade in den letzten Jahren so oft zitierte Formel „Höhere Produktivität — niedrigere Kosten — niedrigere Preise — größerer Absatz“ kann ohne entsprechende Einschaltung der Werbung wohl nirgends verwirklicht werden. Die Werbung ist es, die vorerst im Konsumenten einen Wunsch, ein Bedürfnis wecken und clamit, den Markt schaffen.muß, der bereit ist, die durch Produktivitätssteigerung vermehrt und verbilligt anfallenden Güter auch aufzunehmen. Der Werbung fäHt' soriKt die Aufgabe zu, beizutragen, daß eine Produktivitätssteigerung sinnvoll werde.

Man hört ..zuweilen die Meinung, daß die Werbung bloß ,ein Instrument des Konkurrenzkampfes und volkswirtschaftlich unproduktiv sei, weil. sie . lediglich“ die Ümsatzgrößen innerhalb., der konkurrierenden Betriebe verschiebe. Diese. Behauptung mag in Einzelfällen zutreffen;, im allgemeinen aber wird die Werbung eine Vergrößerung der gesamten Nachfrage . hervorrufen und volkswirtschaftlichen Nutzen .bringen, indem sie den. Konsumenten veranlaßt,. mehr zu kaufen' und den Produzenten in die Lage. versetzt,' mehr und billiger zu erzeugen.

Vor wenigen Monaten erst konnten •' österreichische Wirtschaftier in einem vom Produk-■ tivitätszentrum gemeinsam mit der Industriellen-Vereinigung veranstalteten Seminar aus dem Munde amerikanischer Fachleute erfahren, mit welcher Gründlichkeit in den Vereinigten Staaten die Zusammenhänge von Produktivität und Werbung analysiert werden und mit welcher Selbstverständlichkeit diesen Erkenntnissen in der Wirtschaftspraxis Amerikas Rechnung getragen wird. So hat — den Angaben der Experten zufolge — die amerikanische Wirtschaft im vergangenen Jahre für Werbung sechs Milliarden Dollar ausgegeben, das sind etwa 40 Dollar pro Kopf der Bevölkerung! Wenn man hiemit die mit etwa vier Dollar angegebene Kopfquote in Oesterreich vergleicht, so erkennt man — auch unter Berücksichtigung aller Unterschiede in den wirtschaftlichen Gelegenheiten —, welch ungleich größere Bedeutung der Werbung drüben beigemessen wird. Es wird noch eingehender Aufklärungsarbeit bedürfen, bis man auch in allen Sparten unserer Marktwirtschaft erkennt, daß Werbung, wenn sie im Rahmen einer zielbewußten Produktivitätsförderung wirksam ist, einen beachtlichen Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaft und damit zur Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung leisten kann.

Freilich, das Wissen um die Bedeutung der Werbung zu verbreiten, also für die Werbung zu werben, stellt nur den einen Teil der Aufgabe dar; der zweite ist jedoch nicht minder wichtig: nämlich, die Methoden der Werbung weiterzuentwickeln und sie in Gehalt und Form der Mentalität und dem Geschmack der anzusprechenden Kreise anzupassen. In dieser Hinsicht geschehen zuweilen arge Fehler. Man sollte doch stets bedenken, daß unsere Generation — mehr als jede andere zuvor — das Dröhnen von Werbetrommeln vernommen und sich daran gewöhnt hat. Eine Werbung, die nun die allgemeine Immunität dadurch zu überwinden hofft, daß sie noch lauter trommelt oder in anderer aufdringlicher Weise in Erscheinung tritt, muß zwangsläufig die dem Werbeziel zuwiderlaufende Reaktion hervorrufen.

Weiter müßte die Werbung auch auf einen sachlich besser fundierten Boden gestellt werden. Es sollte doch auch bei uns möglich sein, vor und ' bei der Durchführung von Werbeaktionen wirtschaftsstatistische Unterlagen stärker heranzuziehen, um Leerläufe zu vermeiden, und weiter auch durch Entwicklung der bei uns noch in den Kinderschuhen steckenden Marktforschung die Voraussetzungen für rationellere Werbemöglichkeiten zu schaffen. Der Erfolg käme einerseits den werbenden Firmen zugute, und aus dem allseits gehobenen Vertrauen würde auch die Idee der Werbung selbst Nutzen ziehen.

War in den bisherigen Ausführungen von der Absatzwerbung die Rede, soll nun auf ein zweites Hauptgebiet der Werbung hingewiesen werden, dem in den Bestrebungen um Produktivitätssteigerung ganz besondere Bedeutung zukommt: der innerbetrieblichen Werbung. Unter diesem Begriff sollen nicht allein spezielle Aktionen verstanden werden, wie etwa die Werbung für das betriebliche Vorschlagswesen, für Ordnung und Sauberkeit, für Unfallverhütung u. a. m. Diese an sich gewiß beachtenswerten Sonderfragen können nur dann richtig und wirksam behandelt werden, wenn sie Teil einer Gesamtwerbung für das Erreichen des Betriebszieles sind.

Worum geht es bei diesen betriebspsychologischen Maßnahmen? Die Amerikaner haben ihnen unter dem Sammelbegriff „Human Relations“ einen wissenschaftlichen Rahmen gegeben und verstehen darunter die Pflege der menschlichen Beziehungen im Betrieb, vor allem eines Vertrauensverhältnisses zwischen Unternehmer und Belegschaft, und die Schaffung und Förderung einer dem gemeinsamen Ziele dienenden Betriebsatmosphäre.

Dieses Gedankengut der „Human Relations“ kam nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in allen Formen der modernen Verbreitungstechnik zu uns herüber. Praktisch wie die Amerikaner sind, gaben sie eine Fülle von Anregungen für das „Know How“ mit, wissenschaftlich erprobte Rezepte, nach denen innerbetriebliche Werbung betrieben werden soll.

Sind jedoch die in den „Human Relations“ liegenden Ideen wirklich so neu wie sie uns scheinen? Mit dieser Frage soll keineswegs der Wert der theoretischen und praktischen Arbeiten der Amerikaner in Zweifel gezogen werden; sie soll uns nur ein wenig zur Selbstbesinnung führen und uns erkennen lassen, daß der echte und dauernde Wert des „Human Relations“-Gedankens in der bestimmenden geistigen Kraft des Abendlandes wurzelt, der christlichen Ethik.

Es mag dem Geist unserer Zeit entsprechen, die Notwendigkeit, „Human Relations“ zu betreiben, durch Nützlichkeitsmotive zu unterstreichen; nichtsdestoweniger sollten wir bedenken, daß wir mit jeder Handlung, die darauf abzielt, einem Menschen den Arbeitsplatz angenehmer und sicherer zu gestalten, einer christlichen Pflicht genügen. Hier sei vor allem auf jenen Geist gegenseitigen Verstehens verwiesen, der viele patriarchisch geführte Unternehmen seit Generationen zum Wohle aller Betriebsangehörigen beherrscht.

So gesehen hat die innerbetriebliche Werbung eine Aufgabe, die weit über materielle Nahziele hinausgeht. Sie soll den Menschen wieder zu einer Verbundenheit mit seiner Arbeit fühlen, ihm das Leben im Beruf freudiger gestalten und damit auch eine staatserhaltende Funktion erfüllen. Wenn wir uns einen Augenblick unserer wirtschaftspolitischen Situation und der uns umgebenden Tendenzen besinnen, müssen wir erkennen, welch große Verantwortung uns auch in diesem Zusammenhang aufgebürdet ist.

Die Frage der jeweils zweckentsprechenden Methoden der innerbetrieblichen Werbung kann im Rahmen dieser Ausführungen nicht behandelt werden. Das soll nicht heißen, daß dem formalen Rahmen nicht große Bedeutung zukäme; im Gegenteil! Das „Wie“ ist für den Erfolg der innerbetrieblichen Werbung vielleicht in noch höherem Maße entscheidend als bei der Absatzwetbung, nur ist es hier noch mehr von den spezifischen Gegebenheiten abhängig. Jeder Betrieb, der in'sauberer Gesinnung an die Aufgabe schreitet, kann aus der Fülle der allseits gebotenen Anregungen die für ihn geeigneten Mittel und Wege der innerbetrieblichen Werbung wählen und anwenden.

Die österreichische Wirtschaft kann an den durch Verzicht auf die innerbetriebliche Werbung brachliegenden Kräften ebensowenig vorübergehen wie die organisierte Produktivitätsförderung. Denn Produktivitätssteigerung, wie wir sie verstehen wollen, heißt nicht allein, die Produktion vermehren und verbilligen und den Arbeitsertrag für alle Betriebsangehörigen erhöhen, sie soll vielmehr auch den Arbeitsplatz selbst, an dem wir Menschen etwa die Hälfte unseres wachen Lebens verbringen, freudvoller gestalten und auch auf diese Weise beitragen, daß unser Leben reicher und schöner werde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung