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Mensch in der Plakatwelt

Werbung
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Heute beherrscht die Werbung unser Leben wie sonst nur noch Religion, Beruf und Familie. Daß es so ist, steht objektiv fest — subjektiv wissen wir's freilich nicht so genau, oder erst dann, wenn wir uns ins Bewußtsein zu rufen versuchen, wie oft am Tag wir ihr, willentlich oder unwillentlich, bewußt oder unbewußt, interessiert oder (vermeintlich) desinteressiert, begegnen oder ausgeliefert sind: in der Zeitung, auf dem Weg oder während der Fahrt ins Büro, auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Rundfunk und im Fernsehen,, bei der abendlichen Lektüre einer Zeitschrift. Wir entrinnen ihr nicht — und gelegentlich interessiert sie uns unter Umständen, oder wir kommen ihr auf die Sprünge, wenn sie uns zu vertrauensvoll vorkommt und damit unser Mißtrauen weckt. Aber das sind Ausnahmen. Meist werden unsere Instinkte oder vitalsten Triebe angesprochen: Genuß-tiieb, Geltungs- und Erwerbstrdeb, Kulturtrieb, und was von den Werbefachleuten sonst noch alles entdeckt und katalogisiert wurde. Damit ist ein Ziel des um unsere Aufmerksamkeit Werbenden erreicht.

Seit dem letzten Krieg hat die Werbung — vor allem durch amerikanische Methoden und Erkenntnisse beeinflußt — auch bei uns einen ungeheuren Schritt vorwärts getan und sich zu einer eigenen Industrie entwickelt. Die Werbeabteilungen der Betriebe gehören mit zu den wichtigsten, sofern sie nicht schon die wichtigsten überhaupt sind, wenn es darum geht, ein Produkt, ein Konsumgut zu lancieren, für das ein Bedürfnis vorhanden, kaum und auch nicht vorhanden sein kann. Der Einsatz von Mitteln und Findigkeit richtet sich nach dieser Stufe. Mit der zunehmenden Bedeutung und Notwendigkeit der Werbung in Industrie und Handel machte man sich über ihr Wesen mehr und mehr Gedanken, begann sie zu lehren und machte aus ihr eine neue Wissenschaft, die als ein Zweig der angewandten Psychologie angesehen werden kann und als solcher die wesentlichste Grundlage der Wirt-schaftswerbung bildet.

Das Wesen der wissenschaftlich betriebenen Werbung besteht darin, eine Meinung zu schaffen und zu beeinflussen — offen oder versteckt, gut oder schlecht. Denn obwohl Ergebnisse und Fakten der Werbewissenschaft so gut wie unumstritten und allen Werbungtreibenden in vielen Formen zugänglich sind, grundsätzliche Irrtümer also praktisch unmöglich sein sollten, gibt es hunderte verschiedener Formen der Werbung, deren Wirkung und Erfolg sehr verschieden sein können. Das beweist zunächst zweierlei: Daß heute Werbung noch von Menschen betrieben wird, die sich die notwenhaben, noch viel mehr aber, daß das Betreiben von Werbung trotz aller rjffen vorliegenden Ergebnisse und Möglichkeiten keine ,,trottelsichere“ Angelegenheit ist, sondern einer Reihe streng aufeinander abgestimmter Überlegungen bedarf, .die das zu lancierende

Produkt betreffen, und daß vor allem Fachleute am Werk sein müssen, die ihr Gebiet nicht nur handwerklich, sondern auch geistig beherrschen und die beweglich und feinfühlig genug sind, um die jeweils richtige Methode ler Beeinflussung unserer Konsumgesellschaft au treffen.

In Österreich steckt die Werbung loch in den Kinderschuhen (vielleicht sollte man dankbar dafür sein?) — das ist an den Inseraten der Zeitungen, len Verpackungen der verschiedensten Produkte, den Plakaten und Werbefilmen abzulesen. Da der Werbende die Mentalität der von ihm „Bearbeiteten“ sehr genau kennen und bei seinen Planungen mitberücksichtigen muß, ist s-s mit einer bloßen Übernahme aus-ändischer (bei uns vorwiegend amerikanischer und englischer) Methoden licht getan. Auf der anderen Seite ist las Betreiben guter, daß heißt, markt-jerechter Werbung für die Wirtschaft ;ines Landes von größter Bedeutung — selbst dann, wenn man sich über deren :thischen oder gar künstlerischen Wert sder Unwert streiten kann. Gerade in Zeiten der Hochkonjunktur ist es nichtig, daß die Kauflust, das Bedürfiis nach dem Besitz verschiedenster 3üter erhalten und gesteigert wird, voran die Werbung ihren bestimmen-len Anteil hat. Aus diesem Umstand s-geben sich dann freilich auch einige ragwürdige Tendenzen, geschweige ienn Geschmacklosigkeiten und Kitsch. )ie sogenannten „unterschwelligen“ ieeinflussungsmethoden gehen von je-len schwachen Punkten aus, an denen lern Normalverbraucher Bedürfnisse beigebracht werden können, die er von sich aus gar nicht hat. Hier sind die „h i d d e n p e r s u a d e r s“ (P a k-kard) am Werk, die den Bedarf an Produkten normen und steuern, den Konsum schematisieren, mit der Vervollkommnung des Produktionsapparats aber auch den allgemeinen Lebensstandard heben. Der Umstand, daß man Menschen Bedürfnisse auferlegt, die sie nicht haben, darf niemals spürbar werden. Gelingt es der Werbung, die richtigen Beeinflussungsmethoden zu finden und anzuwenden, so können diese nicht vorhandenen Wünsche geweckt und eine Erfüllung geboten werden, die ebenfalls primär nicht verlangt war. Der rasche Wechsel der Moden aller Art und die Neuerungssucht, bringen es schließlich mit sich, daß die Unternehmer gezwungen sind, das Bedürfnis nach neuen, modernisierten Erzeugnissen immer wieder künstlich zu steigern; sie sind gezwungen, das Neuere stets als das Bessere ins Bewußtsein des Verbrauchers eindringen zu lassen, wenn sie von den Errungenschaften der Technik, die ein ständiges Produzieren zur Grundvoraussetzung werden ließ, profitieren wollen.

Es fällt schwer, an diesen Tatbestand keine sarkastischen Bemerkungen zu knüpfen — abgesehen davon, wie sehr solche Erkenntnisse auch den kulturellen und politischen Bereich beeinflussen. All diese Tatbestände rufen nun die moderne Marktforschung auf den Plan. Diese bestätigt die Erkenntnis der modernen Instinktforschung, wenn sie sagt, daß unser ganzes Dasein auf den ersten Blick von Verstandeskräften beherrscht sei, dies aber nur zum Schein. „Wir sind außerdem noch Triebwesen, genau wie die Tiere“ (Erich v. Holst). So werden zunächst eÄninal Wünsche, Meinungen, Erfahrungen, Vorurteile, Gewohnheiten emotionaler oder anerzogener Art erforscht, da den Kauf““' der

Ware verbundene Idee stets mehr interessiert als das Objekt selbst. Ein vVerbewissenschaftler sagt, daß die Werbung Träume vorträumt und zeigt, wie solche Träume verwirklicht werden können. Hier hat die Werbepsychologie entscheidend mitzureden: Sie untersucht die psychische Struktur des Umworbenen und zeigt auf, wie der Wer-sende seinen kommenden Käufer einzuskaten habe.

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