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Werbung und Bergpredigt

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Der ,Mediensonntag“ setzt sich heuer mit der Werbung auseinander. „Werbung in Massenmedien - Sinn, Gefahren, Verantwortlichkeiten“ lautet das offizielle Thema des „Sonntags der sozialen Kommunikationsmittel“. Kardinal König gab hierzu dem Organ des Katholischen Zentrums für Massenkommunikation die folgende Erklärung.

Werbung ist aus der Marktwirtschaft nicht wegzudenken. Sie macht das Funktionieren einer arbeitsteiligen Wirtschaft erst möglich. Seit es keine persönliche Beziehung mehr zwischen dem Produzenten und seinem Abnehmer gibt, müssen dem möglichen Käufer Waren und Hersteller bekanntgemacht werden, damit er urteilsfähig und kaufwillig wird. Werbung ist von ihrem Wesen her also Information, allerdings in Emotion verpackte Information.

Den Markt transparent zu machen, das stetig wachsende Angebot von Gütern und Diensten den Käufern bekanntzumachen und deren Nachfrage auf das Angebot zu lenken, ist die unumstrittene volkswirtschaftliche Aufgabe der Werbung. Aber es drängen sich auch kritische Fragen auf. Die römische Pastoralinstruktion „Communio et progressio“ formuliert: „Wenn in der breiten Öffentlichkeit für schädliche oder gänzlich unnütze Dinge geworben wird, wenn falsche Vorstellungen über die Ware geweckt werden, wenn lediglich Instinkte angesprochen werden, entsteht der Gesellschaft Schaden, und die Werbewirtschaft verliert Vertrauen und Ansehen. Einzelne und ganze Familien werden geschädigt, wenn die Werbung unsinnige Wünsche weckt oder unablässig zum Kauf überflüssiger und nur dem Genuß dienender Waren anreizt“

Anderseits ist die Wirtschaft heute auf weite Strecken keine bedarfsstreckende, sondern eine bedarfswek- kende. Erzeugt wird, was sich an den Mann oder an die Frau bringen läßt, nicht was gebraucht wird oder was technisch möglich ist. Dieses auf den Markt ausgerichtete Wirtschaftssy stem bewirkt Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle. Es kann aber auch zu Umweltzerstörung und Rohstoffverknappung führen. Gerade auf dem Sektor Werbung wird die Spannung zwischen Wirtschaftserfolg und Wirtschaftsethik handgreiflich spürbar. Auf Dauer können Wirtschaftserfolg und Wirtschaftsethik zwar keine Widersprüche sein, weil langfristig nicht das wirtschaftlich gut sein kann, was ethisch schlecht ist. Aber diese schmerzhafte Einsicht beginnt sich erst langsam durchzusetzen.

Jenseits von Umweltzerstörung und Rohstoffverknappung sind schon neue Fragen aufgetaucht, Fragen nach dem Sinn des menschlichen Daseins, das sich doch nicht im Konsum um des Konsums willen erschöpfen könne. Der Philosoph Erich Fromm, nach seiner persönlichen Überzeugung kein Christ, hat darauf hingewiesen, wie sehr der schrankenlose Egoismus das beherrschende Prinzip in Wirtschaft und Gesellschaft ist: „Er bedeutet, daß ich alles für mich haben möchte; daß nicht Teilen, sondern Besitzen mir Vergnügen bereitet; daß ich immer habgieriger werden muß, denn wenn Haben mein Ziel ist, bin ich um so mehr, je mehr ich habe.“ Erich Fromm hat auch darauf aufmerksam gemacht, wie sehr „Bekehrung“ angesichts dieser Situation nottut- „Zum ersten Male in der Geschichte hängt das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen Veränderung des Herzens ab.“

Uns Christen kommen solche Forderungen bekannt vor. Es sind im wesentlichen die Vorstellungen der Bergpredigt: „Liebe deine Feinde - Wer der erste sein will, sei der Diener aller - Sorgt euch nicht, was ihr essen und trinken werdet, sucht zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch hinzugegeben.“ Es geht also darum, daß ernstzunehmende Wissenschaftler für einen neuen Lebensstil, neue Werte und Verhaltensweisen ein- treten, die dem Evangelium entsprechen, aber diametral jenen Scheinwerten des „Mehr-haben ist gleich Mehr-sein“, der ewigen Jugend und des Genusses entgegengesetzt sind, die von der Werbung angeboten werden.

Noch einmal: Gegen Werbung ist nichts einzuwenden. Wenn sie auf ihre Weise der Wahrheit verpflichtet bleibt

Aber: Die neue Situation, die sich in Wirtschaft und Gesellschaft abzuzeichnen beginnt, stellt auch für die Werbung eine Herausforderung dar. Bisher hat sich die Werbung oft darauf beschränkt, auf der Klaviatur der unbewußten Triebe und Wünsche, die menschlichem Handeln vorangehen oder es begleiten, souverän zu spielen. Die Werbung hat an das Geltungs-, Genuß- und Besitzstreben appelliert und damit Erfolg gehabt, sie hat es auch verstanden, durch den geschickten Einsatz von Bildern und Symbolen auf das Unbewußte des Menschen einzuwirken. In Zukunft wird es darum gehen, den Menschen als Partner der Werbung ernstzunehmen, auf sein Streben nach echter persönlicher Erfüllung einzugehen.

Die Kirche wird alle Bestrebungen der modernen Werbung in dieser Richtung unterstützen, wenn ihr auch selbst bei der Übernahme von Werbemethoden enge Grenzen gesetzt sind. Die „Ware“ der Kirche kann nicht verkauft, der Markt der Kirche nicht aufbereitet und der Bedarf der Gläubigen an Religion nicht durch Ausnützung der psychologischen und soziologischen Techniken gesteigert werden.

Bekanntlich wird ein Produkt oft im Hinblick auf die Motivforschung, auf die Erwartungen des Käufers umgestaltet.

Die Kirche aber kann kein billigeres, stromlinienförmiges Christentum anbieten, um sich besser zu verkaufen. Vor allem hat sie kein Mittel zur Bedarfsbefriedigung anzubieten, wie es die Werbung für Waren und Dienstleistungen, Ideologien und Utopien tun kann: Die Kirche bietet dem Menschen das Heil an, legt ihm Werte zur Verwirklichung vor und ruft ihn zur Umkehr auf. Was die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden tun kann, ist, das Zeugnis der Christen und ihrer Gemeinden zu verstärken und zu verbreiten und ihren Dienst werbend anzubieten.

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