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Digital In Arbeit

Auch die Verpackung ist wichtig

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In einer Zeit, da jede größere Firma einen bedeutenden Teil ihres Budgets für Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit verwendet, wo politische Parteien vor allem vor den Wahlen, aber auch zwischendurch, Millionenbeträge dafür ausgeben, ihre Spitzenkandidaten und die von ihnen vertretenen Nah- und Fernziele dem „Mann auf der Straße“ bekannt zu machen, muß sich die Kirche Gedanken darüber machen, wie es mit ihrer Selbstdarstellung aussieht und wie sie ihre Botschaft angesichts ständig neuer Herausforderungen den Menschen mitteilt. Zum Zeichen, daß diese Auseinandersetzung stattfindet, wurde vor elf Jahren der Mediensonntag geschaffen, der heuer unter dem Motto „Werbung in den Massenmedien - Sinn, Gefahren und Verantwortlichkeit“ stand.

Die Kirche selbst hat eine 2000 Jahre alte Tradition der Werbung und kann auf sie nicht verzichten, ohne ihr Wesen aufzugeben. In Werbekreisen scherzt man ja auch, wie beneidenswert die Kirche doch sei, ein und dasselbe „Produkt“ 2000 Jahre hindurch anzubringen, und wenn man unter Werbung Information - wahrheitsgemäß - über eine Idee oder ein Produkt versteht, dann ist Werbung etwas Positives.

Die Werbung birgt allerdings auch große Gefahren in sich, Gefahren, die wir jeden Tag erleben und die die Werbung auch in Verruf gebracht haben: Wahrheiten werden entstellt, Nebensächlichkeiten zur Hauptsache, der Umworbene wird manipuliert und in Verhaltensmuster gedrängt, die ihm weder entsprechen noch dienen. Eine Fülle von Produkten kann nur verkauft werden, weil es der Werbung gelingt, eine Nachfrage für sie zu kreieren. Nicht das Streben nach Vervollkommnung, nach Nächstenliebe, nach Weisheit wird dadurch gestärkt, sondern unser Streben nach Besitz, nach Statussymbolen, nach Mitteln der Macht. Das Haben erhält den Vorrang gegenüber dem Sein.

Mitten in diese Werbewelt ist nun auch die Kirche gestellt und muß, ohne selbst die abzulehnenden Methoden der Werbung zu benützen, die Möglichkeiten der Werbung neu überdenken und weiter als bisher fassen. Das heißt nicht, daß die Botschaft der Kirche anzupreisen, zu „verkaufen“ ist wie ein Waschmittel, eine neu entwickelte Zahnpasta oder die streichfähige Margarine. Wir laufen aber, fürchte ich, Gefahr, in einer gewissen Überheblichkeit zu meinen, weil der Inhalt der Botschaft so gut ist, brauche er keine Verpackung. Der gläubige Mensch, der der Kirche Wohlwollende, wird manches hinnehmen, eben weil er den Inhalt kennt, weil er vom Sinn weiß, in dem an die Verkündigung herangegangen wird. Der Fernstehende aber, demgegenüber wir auch eine Verpflichtung haben, diejenige, daß wir versuchen müssen, ihn zu erreichen, ihn anzusprechen, ihn wissen zu lassen, daß wir für ihn da sind, wenn er nur will, der Fernstehende also, wird nur zu erreichen sein, wenn die „Produkte“ der Kirche ihm ebenso attraktiv und ins Auge springend angeboten werden wie die Produkte der Konsumgüterindustrie oder die „Produkte“ der politischen Parteien. Es würde niemandem einfallen, eine Kirche ohne einen Architekten zu erbauen, eine ärztliche Beratung ohne einen Arzt anzubieten. Die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche sollte in Zukunft auch verstärkt die Dienste von Experten in Anspruch nehmen.

Gleichrangig damit aber sollten auch auf dem Gebiet der Jugend- und Erwachsenenbildung sehr ernsthafte Bestrebungen in Angriff genommen werden, um die Möglichkeiten der Manipulation durch die Werbung vor Augen zu führen und zu zeigen, wie man diesen Bestrebungen widerstehen kann. Christen sollten hellhörige, unterscheidungsfähige Menschen sein, die bewußt und gewissenhaft wählen. Nicht nur Konsumgüter, sondern auch Parteien.

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