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Werbung um öffentliches Vertrauen

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Neben den traditionellen Aufgaben der Wirtschaftswerbung, den Verkauf von Produkten und Leistungen zu fördern, gibt es im wirtschaftlichen Geschehen eine Fülle von öffentlichen Beziehungen des Unternehmens, die werblich zu pflegen sind. Diese Werbung um das Vertrauen der Oeffentlichkeit stärkt das Goodwill de*5 Unternehmens, sichert seinen Bestand und damit den Arbeitsplatz für die Belegschaft. Sie vereinigt die Funktionen der Absatzwerbung mit der innerbetrieblichen Werbung zut Stärkung des Rufes des Unternehmens in der breiten Oeffentlichkeit seines Standortes, in seinem Land, eventuell im Kontinent, oder in der Weltwirtschaft. Indem die Werbung das innerbetriebliche Geschehen in die Kreise der Interessentengruppen und in die Masse der Bevölkerung injiziert und hochqualifizierte Waren zu gleichbleibenden Preisen anbietet, somit der Unternehmer als „guter Bürger“ dem Allgemeinwohl dient, hat die Werbung hier vielfältig Gelegenheit, erprobte psychologische Methoden anzuwenden.

Je enger die wirtschaftliche, soziale und politische Verflechtung der Industrieunternehmungen wird, je intensiver sich die öffentliche Meinung mit ihnen beschäftigt, um so wichtiger wird es für den Unternehmer, die Beziehungen zur Oeffentlichkeit werblich zu pflegen. Die Verbindung zur Oeffentlichkeit ist keine neue Aufgabe, denn in Oesterreich gab es schon früher in der Industrie und in den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft eigene Presseabteilungen. Aber seit erkannt wurde, daß die Aufgabe eines großen Wirtschaftsunternehmens nicht mit seiner wirtschaftlichen Funktion erschöpft sein kann, sondern daß es im Sinne einer Institution auch in sozialer, kultureller und ethischer Richtung wirken muß, änderte sich die Grundauffassung von Werbung zwangsläufig. Diese hat sich daher als eine der umfassendsten Fragen des Wirtschaftslebens erwiesen. Sich dabei auf die Presse allein zu stützen, wäre der bewußte Verzicht auf andere bewährte Werbemittel. Das träge Festhalten vieler Österreichischer Körperschaften an „Pressestellen“ kennzeichnet nur die Haltung dieser Organisationen. Die Beziehungen einer Firma oder Marke zu den Verbrauchern, des Unternehmens als „guter Bürger“ zum Gemeinwesen sowie zur gesamten Oeffentlichkeit, können jedenfalls nur mit allen Werbemitteln, in denen sich deutlich der Geist der Unternehmerleistung sowie das psychische Klima des ganzen Betriebes spiegelt, hergestellt werden. Die Industrie muß hier neue Wege gehen, denn die Oeffentlichkeit hat unbewußt eine Abneigung gegen gewisse Werbepraktiken. Bei der modernen Werbung soll der Mensch in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht das Objekt, wohl aber der Mensch in Anwendung und Verwendung des Angebotenen.

Die fortschrittliche Industrie akzeptiert diesen Werbestil und nimmt dabei eine verantwortungsbewußte Haltung ein. Der tüchtige Unternehmer von heute ist ehrlich daran interessiert, daß sein Erzeugnis tatsächlich seinen Zweck erfüllt. Er ist entschlossen, ein wertvolles Erzeugnis mit einem kleinen Gewinn pro Einheit abzusetzen. Als man in Oesterreich mit industrieller Werbung begann, verlangte man die Preise, die man erzielen konnte. Heute ist eine klare Tendenz zur nachfrageschaffenden Preisstellung erkennbar. Es ist auch bei uns schon die Idee Fords vorhanden, daß es in einer bestimmten Preislage eine Absatzmöglichkeit für einen Wagen gibt, um dann freiwillig darauf hinzuarbeiten, diesen Preis in einem entsprechenden Modell und durch Massenumsatz zu ermöglichen.

Früher galt es, durch Werbung die Kaufwünsche der Konsumenten zu wecken, Massenproduktion und Massenabsatz zu schaffen. Heute hat die Wirtschaft noch andere Aufgaben zu lösen, die sie mehr bedrücken als der Verkauf. Moderne Werbung muß auf der Ebene der Unternehmungspolitik betrieben werden. Und damit vergrößern sich die Probleme; denn dabei haben wir es nicht nur mit den Verbrauchern zu tun, sondern auch mit den eigenen Mitarbeitern, den Aktionären, den Gemeinden, den Ländern. — Die heutige Welt wird weitgehend vom Mißtrauen und Mißverstehen beherrscht. Das industrielle Zeitalter hat Probleme mit sich gebracht, die geeignet sind, die Beziehungen zwischen den Menschen noch mehr zu belasten. Leider hat die Technik, trotz der Entwicklung des Verkehrsnetzes, der Uebermittlungsdienste und der Verständigungsmittel, das gegenseitige Vertrauen der Menschen untereinander nicht erleichtert, sondern in deren Denken und Gemüt neue Barrikaden errichtet. Die Welt, Staaten und Nationen, selbst einzelne Bevölkerungsschichten, sind bis ins kleinste Dorf in die verschiedensten Interessenten-grftppen aufgespalten. Immer zeigt sich die Tatsache, daß man sich nicht wirklich kennt, versteht, schätzt. Dies ist für die Wirtschaft eine entscheidende Erkenntnis. Für den Produzenten und Kaufmann ist das Vorhandensein positiver gegenseitiger Beziehungen wichtig. Das überall verbreitete Mißverstehen macht deshalb ein korrektes Element nötig, das die inner- und außerbetrieblichen Beziehungen des Unternehmens zum besten gestaltet. Dieses korrektive Element ist die Werbung um öffentliches Vertrauen. Es entstand als natürliche Reaktion auf das Mißverstehen, das die Vermassung und Entpersönlichung der Großbetriebe in den letzten 30 bis 50 Jahren mit sich gebracht hatte. Werbung um öffentliches Vertrauen wurde in der Folge zum Ausdruck einer bestimmten Geisteshaltung. Die Wirtschaft erkannte, daß eine erfolgreiche Geschäftsführung auf dem Prinzip von gestern: „Eine gute Ware braucht keine Werbung“, nicht mehr basieren kann. An dessen Stelle trat der Grundsatz: „Dienst am Kunden.“ Es wurde für jeden Betrieb das Urteil der Kunden wichtig und ob diese mit seinem ganzen Verhalten und Gebaren einverstanden sind.

Die neue'fundamentale Devise der Wirtschaft lautet also: „Dienen!“ Folgt man ihr, so wird es unmöglich, daß man den Weg des geringsten Widerstandes geht und daß man ch auf eine negative oder anfechtbare Einstellung beschränkt. Bei der Werbung um öffentliches Vertrauen geht es schließlich um die klare Erkenntnis der Unternehmer, daß sich das Prinzip der vollständigen Wahrheit, Offenheit und guten Haltung auf lange Sicht „bezahlt macht“. Um diese Haltung muß ein Unternehmen unablässig an sich arbeiten, sowohl hinsichtlich der Leistungen als auch an seinen Mitarbeitern; denn beide Komponenten ergeben in ihrer Gesamtheit die Untcrnehrnungs-persönlichkeit. Zu dieser Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, um das eigene Verhalten gegebenenfalls zu korrigieren, kommt die Bereitschaft, sich der Kritik Dritter auszusetzen. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn sich die Leitung eines Unternehmens gegen korrigierende Einflüsse abschließen wollte. Damit soll aber die willenlose Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung nicht befürwortet werden, bloß die praktische Gültigkeit jenes Ausspruchs Abraham Lincolns bestätigt werden, daß ohne Unterstützung der öffentlichen Meinung nichts zu vollbringen ist. Den wechselnden Forderungen des Tages aber muß sich ein Unternehmen und seine Leitung immer wieder gegenüberstellen, es muß sich mit stets neuen Bedingungen auseinandersetzen. Erst dann erfüllt sich der letzte Sinn des Unternehmens, der in der Gemeinsamkeit seines Interesses mit den Interessen aller liegt und immer wieder darin liegen wird.

Werbung zur Erreichung von B e a c h-t u n g ist der Werbestil von gestern; heute wollen wir die Achtung unserer Mitbürger für unseren Betrieb erwerben. Diesen Werbestil in sein Programm einbauen, bedeutet somit das Eingehen einer Verpflichtung. So gesehen, ist Werbung der Ausdruck einer Lebensauffassung. Sie dient also heute der Schaffung, Erhaltung und Förderung einer freundschaftlichen Atmosphäre zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zweckes. Die Voraussetzung dafür ist aber, daß auf lange Sicht geplant wird, man positiv denkt, sich vom Alltag nicht überwältigen läßt und den Menschen in das Zentrum seiner ganzen Bestrebungen dilti Wenn der. Unternehmer nach' solchen Gesichtspunkten denkt und arbeitet und wenn er dies durch Werbung auch seiner Umwelt bewußt macht, rückt seine Person wieder in den Mittelpunkt der ihn umgebenden Gemeinschaft,; sie wird Ausdruck der Qualitätsgarantie, welche er mit seinem Betrieb bietet. Die Umwelt erhält Vertrauen, das die beste Grundlage für den Erfolg des Unternehmens bildet.

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