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Wie wird der Markt gesichert?

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Die Konzentration ist in erster Linie nicht das Resultat spontaner unternehmerischer Entscheidungen, sondern entstammt — wie angedeutet — vor allem der Natur der technischen Herstellungsverfahren, die das große Anlagevermögen (etwa bei Automatisierung) verlangen. Die Folgen sind immobile Ausstoßgrößen, eine Art Anbotsnot der Erzeuger, die ihre Produktionsmengen nicht unmittelbar an die Nachfrage anpassen, also marktkonform imanipulieren können. Dieser Umstand bewegt die Produzenten, sich den Markt nicht nur durch Kostenminimierung, sondern auch durch entsprechende großbetriebliche Ab- satzorganisation und durch Beschränkung der Konkurrenz zu sichern. Wer die freie Wirtschaft will, kann unter Freiheit auch die gesicherte Chance verstehen, sich aller vom Gesetzgeber gestatteten Instrumente zu bedienen, um seinen Periodengewinn zu maximieren. Ein wesentliches Instrument ist die Disziplinierung eines den Gewinn an sich oder in seiner Höhe bedrohenden Wettbewerbes. Wer die Wirtschaftsfreiheit verlangt, schließt daher in seine Forderung auch die Sicherung des Rechts ein, Gegenfreiheiten der anderen Marktteilnehmer zu begrenzen oder gänzlich (unter Einhaltung der vorgegebenen Gesetze) zu beseitigen.

Vor- und Nachteile

Die Folgen der wachsenden Konzentration in der sogenannten westlichen Wirtschaft sind sowohl negativ wie positiv zu beurteilen. Ein Gesamturteil muß jeweils, also in einer gegebenen Situation und unter Bedachtnahme auf den Saldo, von positiven und negativen Effekten gefällt werden. Verurteilungen oder Zustimmungen, die nicht empirisch begründet sind, stellen keine brauchbaren Aussagen dar.

Negativ: Die Konzentration führt zur Liquidation eines großen Teiles der mittelständischen Unternehmungen, also des mittelgroßen Betriebseigentums. Nicht jedes Unternehmen kann angesichts totaler Bedrohung seiner Existenz in die Reparatur oder in das Service ausweichen; bestenfalls bietet sich noch, wie in China oder in der DDR, im Übergang eine Beteiligung am eigenen, nunmehr größer gewordenen Unternehmen an.

Die Figur des wagenden Unternehmers, des „königlichen Kaufmanns“, wird durch den oft besser vorgebildeten Technokraten, den Administrator, ersetzt. Das ist im Osten (wo der Politiker ersetzt wird) ebenso wie im Westen. Zuweilen wird der noch weitgehend über sein Eigentum verfügende Kaufmann im Sinne einer Risikoabwälzung durch die Großen als Zulieferer angenommen oder auf den kleinen lokalen Markt verwiesen. Daher steht die aus politischen oder aus wahlstrategischen Gründen zementierte Vorstellung des Kaufmanns (= physische Person), der die Wirtschaft repräsentiert und in dessen Namen dies und jenes verlangt wird, gegen die Wirklichkeit. Der als Kaufmann schlechthin vorgestellte kleine Kaufmann hat meist kaum die Möglichkeit, der mittels Verwendung seines Namens etwa errungenen Vorteile teilhaftig zu werden. Anders die Großbetriebe, die sich jedoch aus taktischen Gründen bei Forderungen, zum Beispiel an den Finanzminister, meist klug im Hintergrund halten.

• Die Auswahl an Produkten wird geringer, was vielfach positiv ist. aber oft zu einer bedauerlichen Verringerung der Variationsbreite der offerierten Konsumgüter führen kann. Der Käufermarkt wird, trotz Anbotsüberhang, durch die wenigen, wenn nicht durch den einen Verkäufer, praktisch verwaltet.

• Die Verringerung des Konkurrenzkampfes kann in vielen Fällen zur Kostensenkung und zur Preis - reduktion führen, wobei es gleichgültig ist, ob diese über eine Absatzsteigerung zur Vergrößerung der Periodengewtane führt oder nicht. Anderseits haben wir aber sehr viel Grund zur Vermutung, daß ein Preis, der sich als Folge eines Konkurrenzkampfes bildet (Preiskonkurrenz), erheblich unter einen: Monopolpreis liegt, obwohl die Kosten, welche diesem zugrundeliegen, niedriger sind.

Positiv:

• Die Kostenverringerung durch Beseitigung eines Teiles der Werbekonkurrenz und die bessere Ausnützung der insgesamt nach Konzentration meist kleiner gewordenen Kapazitäten ist ein eminenter Vorteil der großbetrieblichen Massenfertigung; freilich unter der Voraussetzung, daß die Reduktion der Kosten weitgehend ’auf Preise und Löhne weitergegeben wird.

• Ebenso kann eine Konzentration als Folge der größer gewordenen Übersichtlichkeit des Marktes zur Vermeidung von Fehlnationalisierungen führen.

Falsche Alternative

Nun wäre es absurd, angesichts der nun einmal sachlich begründeten Konzentration, die auf die Herausbildung wachsender Betriebsgrößen gerichtet ist, die Konzentration an sich oder die Anonymisierung im Eigentumsbereich unter allen Umständen zu beklagen und die Wiederkehr einer personalen Eigentumsordnung (die es ohnedies nie gegeben hat) herbeizuwünschen.

Dagegen sollte es unsere Aufgabe sein, im Rahmen einer Versachlichung der wirtschaftspolitischen Diskussion die Dinge so darzustellen, wie sie sind, und die Begriffsverwirrung, die mit dem Katalog der Begriffe um die Privatwirtschaft verbunden ist, auf die Wirklichkeit zurückzuführen. Wenn schon die Entmythologisierung in vielen Bereichen der Wirklichkeit gefordert wird, sollte dies auch im Distrikt der. Wirtschaftsdiskussion geschehen und erkannt werden, daß etwa die Alternative von Privat- und Kollektivwirtschaft doch eine zu einfache, wenn nicht völlig falsche ist:

• Man kann nicht Wirtschaftsfreiheit sagen, jedoch nur höchstpersönliche Freiheit vom Staat und nicht allgemeine Freiheit meinen.

• Wir sollten auch nicht, weil es eben Konvention ist, ungeprüft die Annahme akzeptieren, daß der Staat als Eigentümer von Produktionsmitteln stets weniger auf die Interessen der einzelnen Staatsbürger Bedacht nimmt als ein „Privater" und daher die als „privat" deklarierte Konzentration allein aus dieser falschen Vermutung heraus ungebührlich fördern.

„Schöpferische Leistung"?

Der große österreichische Natio- nalökonom Josef Schumpeter hat in seinen Untersuchungen zur Erklärung des Unternehmer- (Eigentümer-) Gewinnes die Ansicht vertreten, daß der klassische Unternehmergewinn im Wesen der schöpferischen Leistung des Unternehmers entstamme. Nun ist eine Konzentration nur bedingt und die Verminderung der Chancen eines freien Wettbewerbes noch weniger als „schöpferisch" zu bezeichnen, es sei denn, man sieht In der Gestaltung neuer Kombinationen, zu denen auch die Liquidation der Konkurrenz gehört, eine „schöpferische Leistung“.

Der Finanzdirektor der Hartford Empire Corp. (Glasbehälter) hat vor Gericht unter Eid angegeben, daß sich sein Unternehmen der Patente unter anderem deswegen versichere, um auf eine Weise die Konkurrenz an der Verbesserung ihrer Maschinen zu hindern. Angesichts von Vorgängen der eben dargestellten Art erklärt Röpke, der posthum auch von solchen gefeiert wurde, deren Ansichten er bekämpft hatte, daß die Konzentration die „eigentliche soziale Krankheit unserer Zeit“ sei. Ob diese Formulierung angesichts einer nicht umkehrbaren Entwicklung zutrifft oder nicht, steht auf einem anderen Blatt: Keineswegs läßt sich jedoch die Konzentration mit den Ideen der Wirtschaftsfreiheit so leicht abstimmen, als dies manche Interessenten, honorierte Autoren und einzelne, auf Formeln eingeschworene Wirtschaftsführer tun. Die Frage der gesamtwirtschaftlichen Nützlichkeit einer Konzentration (die im Osten und Westen ungefähr aus gleichen Gründen gestellt werden kann) steht dabei nicht zur Debatte.

Jedenfalls muß man Prof. Gerhard Kade zustimmen (siehe „Der Deutsche Volkswirt“ vom 29. Juli 1966), wen er darauf hinweist, daß Wirtschaftskonzepte dann Leerformeln gleichzusetzen sind, wenn sie von der Optimalität eines interventionslosen Zustandes ausgehen.

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