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Wirtschaftlicher Patriotismus?

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Ganz bewußt stellt die heimische Wirtschaft die Österreichwoche, die heuer in der Zeit vom 21. bis 28. Oktober stattfinden wird, in direkte zeitliche Nachbarschaft zum Tag der Fahne. Dies ist keineswegs ein Versuch, patriotische Gefühle für wirtschaftliche Vorteile unterschwellig nutzbar zu machen, sondern es soll nur mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß politisches und wirtschaftliches Selbstbewußtsein unlösbar miteinander verbunden sind.

Daß die Grundhaltung der Österreichwoche durch und durch sachlich ist, kommt auch in der Art und Weise zum Ausdruck, wie die österreichische Leistung der Bevölkerung vor Augen geführt wird. Es wird nicht versucht, den Patriotismus in den Dienst der Wirtschaft zu stellen, indem man etwa den Kauf heimischer Waren gewissermaßen als nationale Pflicht hinstellt, sondern die Wirtschaft stellt sich ihrerseits in den Dienst des Patriotismus. Es wird nachgewiesen, daß die Österreicher nicht bloß ein Volk der Tänzer und Geiger, sondern auch der Techniker und Wissenschaftler, der Unternehmer und Arbeiter sind, deren industrielle und gewerbliche Leistungen sich mit denen des Auslandes messen können.

An Hand zahlreicher Beispiele wird Jahr für Jahr dargelegt, daß sich die österreichischen Produzenten trotz denkbar ungünstigen Startbedingungen im harten internationalen Konkurrenzkampf durchzusetzen verstanden haben

— und zwar einzig und allein dank ihrer Leistung und keineswegs dank irgendwelchen internationalen Förde-rungsmaßnahmen, die es, wenn überhaupt, bestimmt nicht für uns Österreicher gibt. Die österreichischen Erfolge beschränken sich dabei nicht nur auf Geschmackswaren; sie sind vielmehr in noch weitaus stärkerem Maß bei Präzisions- und Hochleistungsmaschinen und bei technischen Neuerungen aller Art zu finden.

Oft wird von der Vernachlässigung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich gesprochen. Das stimmt, soweit es die staatliche Forschungsförderung betrifft, die in großen und kleinen Staaten des Westens und des Ostens heute schon Dimensionen angenommen hat, von denen sich der gelernte Österreicher nichts träumen läßt. Dabei werden oft sehr interessante und nachahmenswerte Wege zur Finanzierung beschritten. In Norwegen etwa werden der Wissenschaft

— neben normalen Budgetmitteln — auch bedeutende Summen aus den Erträgnissen des Fußballtotos zur Verfügung gestellt.

In Österreich fehlt es nicht am guten Willen der zuständigen Ministerien

— also des Unterrichts-, des Handelsund des Finanzressorts. Die staatliche Forschungsförderung im angemessen hohen Umfang scheitert vielmehr ständig an der Überforderung des Budgets durch die Befriedigung publikumswirksamer Gruppenwünsche, wodurch für die wirklichen Aufgaben des Staates meist keine Mittel mehr übrig bleiben.

Angesichts der minimalen staatlichen Förderung in unserem Land ist es um so erstaunlicher und bewundernswerter, wenn trotz allem die österreichische Wirtschaft in der Forschung Großes leistet — in den meisten Fällen ausschließlich mit Eigenmitteln der einzelnen Unternehmen, darunter vielen verhältnismäßig kapitalschwachen Mittelbetrieben. Hier ist die schöpferische Leistung der Wissenschaft mit unternehmerischem Wagemut eine glückliche Synthese eingegangen, durch die der österreichischen Volkswirtschaft gewaltige Werte zufließen.

Von all dem wissen die Österreicher kaum etwas. Siejiaben bestenfalls gehört, daß in Österreich das LD-Blas-stahlverfahren erfunden wurde und dafür Lizenzen in alle Welt vergeben werden. Von den zahlreichen kleineren und mittleren Betrieben, die erstaunlicherweise gleichfalls technisch bedeutsame Forschungsergebnisse aufzuweisen haben und Lizenzen in die ganze Welt vergeben oder deren Produkte international gefragte Spitzenleistungen darstellen, ferner von den verschiedenen österreichischen Kon-struktions- und Planungsbüros, deren Auftraggeber die internationalen Weltkonzerne sind, wissen nur wenige Menschen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, die die Österreichwochen natürlich nicht zur Gänze bewältigen können, für die sie aber ständig neue Impulse geben wollen.

Dennoch werden immer wieder gegen die Abhaltung der Österreichwochen Einwände erhoben. Einer der häufigsten ist die Behauptung, daß Leistung für sich selber spreche und nicht der Propagajidatrommel bedürfe. Diese Ansicht ist längst überholt. Wir leben heute im Zeitalter der Massenkommunikationsmittel. Unsere Gemeinwesen haben — durch Ausdehnung und Bevölkerungsdichte — ein überschaubares Ausmaß längst überschritten, und unter der Fülle des Warenangebots hat zwangsläufig die Markttransparenz gelitten. Auch für die Leistung muß daher heute geworben werden.

Der andere Einwand läuft darauf hinaus, daß im Zeitalter der fortschreitenden Integration — nicht nur der europäischen, sondern auch der internationalen Märkte — der „Wirtschaftsnationalismus“, der gewissermaßen eine Monroe-Doktrin für die Warenmärkte darstelle, ein Anachronismus sei. Er komme sogar einem Versuch gleich, die freie Konkurrenz zu verfälschen, wo nicht zu unterbinden.

Dies mag auf den ersten Blick einleuchten. Genaueres Hinsehen zeigt aber, daß es sich hier um eine Begriffsverwirrung handelt, bei der das Wirtschaft.? politische Instrumentarium mit der wirtschaftlichen Leistung und ihrer Publizität verwechselt wird.

Gerade in Zeiten, in denen der staatliche Schutz für - die inländische Produktion ständig geringer wird und in denen der Warenstrom über die Grenzen hinweg immer ungehinderter fließen kann, ist die Information des Konsumenten besonders wichtig. Der Kaufentscheid wird immer weniger durch staatliche Maßnahmen eingeengt, sondern liegt in steigendem Maß allein beim Konsumenten, der in voller Freiheit entscheiden kann.

Es ist aber eine bekannte Tatsache, daß in Österreich die eigene wirtschaftliche Leistung ständig unterschätzt wird und zu Vorurteilen gegen die heimischen Waren geführt hat. Mag sein, daß an solchen Vorurteilen zum Teil längst überwundene Nachkriegsimprovisationen in der österreichischen Produktion schuld sind. Hauptsächlich aber gehen sie auf Kosten der systematischen Herabsefzung alles Österreichischen in der Zwischenkriegszeit.

So leicht aber Vorurteile geschaffen werden, so schwierig sind sie abzubauen. Die Rehabilitierung unserer Wirtschaft im Bewußtsein der österreichischen Bevölkerung ist daher eine wichtige Voraussetzung, um faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber ausländischen Waren herzustellen- Nicht irrationale Begünstigung heimischer Erzeugnisse soll also die Österreichwoche bewirken, sondern nur die kritiklose Bevorzugung ausländischer Waren möchte sie vermeiden helfen.

Deshalb steht die Werbung für österreichische Qualität mit einem weiträumigen Wirtschaftsdenken nicht in Widerspruch. Im Gegenteil, gerade die wirtschaftliche Selbstbesinnung und das wirtschaftliche Selbstbewußtsein sind die unabdingbaren Voraussetzun-een für eine erfolgreiche Eingliederung Österreichs in einen größeren Wirtschaftsraum.

Der Abbau des österreichischen Minderwertigkeitskomplexes in bezug auf die eigene wirtschaftliche Leistung ist auch eine eminent staatspolitische Aufgabe. Er kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten daß auch in einem integrierten Europa unser Land noch jene Eigenständigkeit bewahrt, die seinem neutralen Charakter zukommt.

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