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ÖSTERREICH-FILME FÜR DIE FARBIGEN STUDENTEN

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Mit der Gesundung der europäischen und der sowjetischen IVA Wirtschaft begannen sich auch ändeie Länder an der Entwicklungshilfe zu beteiligen. Allerdings entstanden im letzten Jahrzehnt, und insbesondere in den jüngsten Jahren, viele neue Staaten, deren strategische Lage zu einem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen Ost und West führte, an dem sich selbst das industriell noch unterentwickelte China beteiligt. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es das Problem der Entwicklungsförderung in rund 100 unterentwickelten Ländern mit mehr als 1000 Sprachen.

Es gibt drei Gründe für die Entwicklungshilfe: Der Westen wie der Osten und auch die blockfreien Staaten wollen im kalten Krieg Positionen verteidigen oder erobern. Der zweite Gesichtspunkt ist der Gedanke an den Kunden von morgen, und nicht zuletzt ist auch etwa — durch Kirchen und Gewerkschaften gefördert — das Gefühl der menschlichen Solidarität zumindest in den einzelnen Menschen ein Beweggrund für diese Hilfeleistung.

Mit den Weltmächten oder mit den großen Industriemächten kann Österreich, trotz seiner hohen Industrialisierung, nicht auf wirtschaftlichem Gebiet und nicht auf ganzen Kontinenten konkurrieren. Wir können mit Recht darauf stolz sein, daß die VÖESt. einen wesentlichen Teil des Stahlwerks von Rourkela in Indien gebaut hat — aber wenn man in Betracht zieht, was das Riesenland noch alles benötigt, dann erkennt man, wie wenig wir tun können.

Und dennoch haben wir, hat unser Österreich große Möglichsten. Wir haben einen Schatz, um den uns andere, auch viel größere Länder beneiden, und den sie uns wegzuschnappen versuchen: die ausländischen Studenten. Von den rund 41.000 Studenten an allen österreichischen Hochschulen in diesem Studienjahr stammen 11.137, also mehr als ein Viertel, aus dem Ausland. Unsere Professoren, die es ja wissen müssen, behaupten, daß die meisten von ihnen hier ernst studieren. Erst vor kurzem hat die Hammer-Purgstall-Gesellschaft, die ein Internat in der Vorderbrühl für orientalische Studenten betreibt, bestätigt, daß ihre Schützlinge ungewöhnlich fleißig lernen — vielleicht, weil sie wissen, „daß sonst zu Hause die Studienkaution von etwa 140.000 S, die oft auf den Häusern ihrer Eltern angeschrieben ist, verfällt“.

So oder so: diese 11.137 Studenten verfügen zumindest über je einen Monatswechsel in der Höhe von 100 Dollar, das sind 2600 S. Eine einfache Multiplikation ergibt eine jährliche Gesamtsumme von zumindest 350 Millionen Schilling, die diese ausländischen Studenten in Form von Devisen nach Österreich bringen. 350 Millionen Schilling, das ist ein Sechzehntel unserer Reineinnahmen 1961 aus dem Fremdenverkehr. Und die meisten dieser ausländischen Studenten bleiben nicht nur ein Jahr in Österreich, sondern während ihrer ganzen Studienzeit — obzwar sie hier nicht sehr glücklich sind. Die „Österreichische Hochschulzeitung“ schrieb dazu am 1. November 1961 unter dem ironischen Titel „Die Kamelarioi“ (die klassische Übersetzung des Ausdrucks, mit dem die Bloßfüßigen von Wien die orientalischen Studenten bezeichnen):

„Die Studenten finden kaum Platz in den überfüllten Hörsälen und Instituten, kaum Kontakt mit den überlasteten Professoren und kaum anders als zu Wucherpreisen ein Quartier, Einsichtige ertragen alles; denn sie ertragen es mit ihren österreichischen Kollegen gemeinsam. Aber was den Ausländer wie ein Stich ins Herz schmerzt, ist die geistige Isolierung... Benehmen wir, denen der märchenhafte Goldklumpen in die Hand gedrückt wird, uns nicht wie Hans im Glück? Ziehen wir doch eine illusionslcse Bilanz! Es kommt nicht auf jene Eingeborenen an, die mit einem Riesenaufwand bekehrt — oder nicht bekehrt — wurden, daß man besser Sensen als Sicheln benutzen sollte, sondern auf jene Studenten, die nach der Rückkehr in ihre Heimat führende Stellen einnehmen werden. Je gründlicher ausgebildet, je besser umhegt sie bei uns wurden, desto fester werden sie sich an ihr geistiges Mutterland gebunden fühlen. Schade, daß es sich vorläufig nicht einmal Stiefmutterland nennen darf. . . Man scheut sich nicht, für den ideologischen Kampf zwischen Ost und West Riesenbeträge auszugeben, unternimmt aber kaum etwas, um den Verlockungen der einmaligen Institutionen jenseits des Eisernen Vorhangs nur eine Kleinigkeit entgegenzusetzen.“

A ngeregt durch diese Worte und im Bewußtsein der univer-seilen Wirkung des Films, habe ich in einem sinngemäß gleichlautenden Brief den Herren Bundesministern für Handel und Wiederaufbau, für Unterricht und für Äußeres namens der Aktion „DER GUTEs- FILM“ den folgenden Vorschlag unterbreitet:

..Unter den rund 300 österreichischen Langfilmen seit der Befreiung gibt es etwa zehn Prozent wertvolle und förderns-werte Werke, die im Beschauer einen günstigen Eindruck von der österreichischen Kultur hinterlassen. Diskussionen mit den ausländischen Studenten, zu denen man Regisseure und Schauspieler einladen könnte, würden diesen Eindruck vertiefen und überhaupt das Verständnis für unser Land erleichtern.

Wenn diese etwa 30 Filme mit englischen und französischen Untertiteln versehen werden würden, könnten diese Werke jedes Jahr neu gezeigt und überdies über unsere diplomatischen Vertretungen und Kulturinstitute auch im Ausland vorgeführt werden. Damit könnte sich der österreichische Film auch Märkte erobern, die vielleicht aus anderen Gründen dem deutschen Film verschlossen sind. Hier scheint mir also eine gute Chance zu bestehen, das kulturell und politisch Angenehme mit dem wirtschaftlich Nützlichen zu verbinden.“

Innerhalb weniger Tage wurde ich vom Leiter der zuständigen Abteilung im Handelsministerium, dem der Herr Bundesminister meinen Brief zugeleitet hatte, zu einer informativen Aussprache eingeladen, die am 28. November 1961 freundlich verlief und positiv endete. Daher lud das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau die Bundesministerien für Äußeres und für Unterricht sowie das Bundeskanzleramt — Bundespressedienst — zu einer interministeriellen Besprechung ein, an der auch ich als Referent teilnahm. In der Einladung zu dieser Besprechung, die am 19. Dezember 1961 im Zimmer 70 des zweiten Stocks im Regierungsgebäude stattfand, wurde mein Vorschlag ausführlich zitiert und ergänzend begründet:

„Es gibt eine Reihe von Staaten, in welche wohl vereinzelt deutsche, aber kaum oder überhaupt keine österreichischen Filme in den letzten Jahren verkauft werden, konnten, wie Griechenland, Großbritannien, Irland, Jugoslawien, Portugal, Japan und die Philippinen. Nach einer deutschen Statistik sind nach 20 lateinamerikanischen Ländern, nach asiatischen Staaten und nach den meisten afrikanischen Staaten weder deutsche noch österreichische Filme in den letzten Jahren verkauft worden.“ (Aktzahl: 273.678-IV/38 - 4. Dezember 1961)

An dieser Besprechung nahmen jeweils ein bis zwei Delegierte der vier genannten Ministerien teil. Ich legte in einem Wechselgespräch die vielfältigen Vorteile der vorgeschlagenen Aktion dar — darunter auch die Fremdenverkehrsförderung durch den Film — und nannte eine Reihe von Filmen, die hierfür in Betracht kämen.

Alle Teilnehmer waren von meinem Vorschlag begeistert. Die Delegierten des Bundesministeriums für Äußeres etwa wiesen darauf hin, daß damit ein langjähriger Wunsch unserer diplomatischen Vertretungen erfüllt werden könnte. Diese führten zwar vor der jeweiligen österreichischen Kolonie und vor prominenten Kultur- und Wirtschaftsfunktionären des Gastlandes unsere Kulturfilme vor, aber es sei ihnen bisher nicht möglich gewesen, einen österreichischen Spielfilm in der Originalfassung und gar nit englischen und französischen Untertiteln zu zeigen.

Dasselbe gilt für unsere Kulturinstitute und Handelsvertretungen und für die ausländischen Messen.

Tn einer gewiß nicht häufig vorkommenden Übereinstimmung ■■■ unter den sechs Ministerialfunktionären wurde vereinbart, i m ersten Jahr sechs Filme zu Untertiteln. Die Vertreter des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau wollten für die Bedeckung der Untertitelung im Betrag von etwa 100.000 S sorgen. Die Vertreter des Bundesministeriums für Äußeres erklärten sich bereit, die untertitelten Kopien in den Botschaften, Gesandtschaften und Konsulaten vorzuführen und den Transport durchzuführen. Der Vertreter des Bundesministeriums für Unterricht übernahm die Kosten der Vorführungen in Österreich und in den Kulturinstituten, und der Bundespressedienst wollte durch die Übersetzung der notwendigen Broschüren in alle in Betracht kommenden Sprachen zur Verwirklichung des Projekts beitragen.

Die Aktion“ „DER GUTE FILM“ wurde einstimmig ersucht, die Untertitelungen durchzuführen und die Disposition für diesen weltweiten Einsatz österreichischer Filme zu übernehmen, was ich als Geschäftsführer der Aktion gerne auf mich nahm. Damit war eine klaglose und unbürokratische Durchführung garantiert.

Ein Problem konnte allerdings noch nicht gelöst werden: Die Ministerien erwarten — mit Recht —, daß die österreichische Filmindustrie, die auf diese Weise eine noch nie dagewesene Chance zum Export ihrer Produktionen erhielt, die Kopien für die Untertitelung beistelle und auf die an sich geringfügigen Beträge für die geplanten nichtgewerblichen Vorführungen verzichte. In Anbetracht der bevorstehenden Round-table-Konferenz schien die Zustimmung der Filmproduzenten ziemlich sicher. Eine Schwarzweißkopie kostet bei uns keine 5000 S. Alle sechs Kopien würden, selbst wenn darunter ein Farbfilm wäre, keine 50.000 S kosten — also nur einen Bruchteil dessen, was die vier Ministerien für diesen Zweck vorgesehen hatten.

“C1 he aber noch die Filmproduzenten dazu Stellung nehmen konnten, teilte das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau in seinem Schreiben 275.652-VI/38/62 am 31. Jänner 1962 der Aktion „DER GUTE FILM“ mit,

„daß es die dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau für Förderungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden — im Verhältnis zur Summe der Aufgaben aber sehr bescheidenen — Mittel leider nicht erlauben, Ihre an sich sehr begrüßenswerten Bemühungen durch finanzielle Beihilfen zu unterstützen.“

Der Staatsbürger, der weiß, daß Österreich 1962 über ein Jahresbudget von 54 Milliarden Schilling verfügt, von dem ein entsprechend großer Teil auf die vielfältigen Aufgaben des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau entfällt, kann diesen überraschenden Bescheid nicht ohne weiteres begreifen. Wenn etwa die Abteilung 38 nicht genügend Förderungsmittel besitzt — obwohl man nach den wiederholten positiven Stellungnahmen von deren Leiter das Gegenteil annehmen dürfte —, so hätte das Ministerium den im Verhältnis zum Erfolg geringfügigen Betrag vielleicht dem Budget einer anderen Abteilung anweisen können.

Es geht ja hier nicht allein um Filmförderung — obwohl auch diese nötig wäre —, sondern um die Förderung des Exports und des Fremdenverkehrs, und es geht um eine mit geringsten Mitteln mögliche Entwicklungshille, die mithelfen soll, die wirtschaftliche Blüte unseres Landes — die größte seit dem glücklichen Ende der Türkenkriege — zu sichern.

Wie schrieb doch die „Österreichische Hochschulzeitung“ in dem erwähnten Artikel an eineT anderen Stelle?

„Darüber hinaus aber haben diese Studenten, die morgigen Maßgebenden in ihren Heimatländern, als die besten Propagandisten für alle Zweige des österreichischen Exports und der österreichischen Kultur zu gelten, was man von den übrigen flüchtigen Besuchern nur in bescheidenem Umfang behaupten kann.“

Der Herr Bundesminister für Handel und Wiederaufbau ist als ein Patriot bekannt, dem das Wohl unseres Landes nicht ein Versammlungsschlagwort ist. Ich vertraue daher darauf, daß er meinen auch von den anderen Ministerien gebilligten und hier nun ausführlich dargelegten Vorschlag überdenkt.

Er wird dann — so hoffe nicht nur ich in aller Ergebenheit — die großen Vorteile dieses Plans zugunsten unseres Landes erkennen, der sich um einen geringen Preis verwirklichen läßt.

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