6769798-1968_49_15.jpg
Digital In Arbeit

„Kulturelle Außenpolitik“?

Werbung
Werbung
Werbung

Man sollte daher Begriffe wie kulturelle Außenpolitik möglichst vermeiden, wiewohl es eine solche durchaus geben kann. Man kann sich begnügen, von der „Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland“ zu sprechen und damit anerkennen, daß das Substrat dieser sogenannten „kulturellen Außenpolitik“: die Erziehung, die Wissenschaft, die Kunst, der Sport, die Bildung, die Zivilisation von dem Mutterboden nicht losgelöst gedacht werden kann, in dem sie verwurzelt ist und in dem sie sich entfaltet, nicht losgelöst gedacht werden kann von ihren Trägern, den kulturschöpferischen Menschen.

Danach gefragt, worum es dem Staat bei dieser Pflege kultureller Beziehungen mit dem Ausland geht, würde man, wenn man wertfreie Feststellungen treffen will, am besten sagen: zunächst und zuvörderst um seine Selbstdarstellung.

Kultureller Austausch freilich, setzt voraus, daß wir den Wert, der anderen fremden Kulturen innewohnt, anerkennen. Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn nationale Selbstgefälligkeit und Überzeugung, daß daheim alles am besten sei, charakterisiert die Grundhaltung fast aller europäischen Völker.

österreichische Selbstdarstellung... ... liegt nun vor, wenn Wiener Philharmoniker und das Burgtheater eine Welttournee unternehmen, die Symphoniker und Sängerknaben ins Ausland reisen, um die österreichischen Spitzenleistungen auf diesem Gebiet namentlich zu nennen, österreichische Selbstdarstellung im Ausland Hegt freilich auch vor, wenn Ensembles mit weniger klingenden Namen das gleiche tun, obschon nicht wenige dafür eintreten, daß wir nur mit „elitären“ Programmen ins Ausland reisen dürften.

österreichische Selbstdarstellung wird nun auch in den neun österreichischen Kulturinstituten geboten. In New York, London, Paris, Rom, Warschau, Kairo, Teheran, Istanbul und in der Lesehalle Agram. Man Wirft uns freilich vielfach vor, daß wir an diesen Instituten zwar nicht ein falsches, aber überlebtes Imago Auistriae entwerfen, eines, das sich der Toten bediene und die Lebenden vernachlässige. Pauschalurteile sind so schwer zu widerlegen wie Vorurteile. Gleichwohl glaube ich, daß Kritik dieser Art an unserer Tätigkeit nicht nutzlos ist. Wir alle haben das Gefühl, daß das Österreichbild in der Welt gegenwartsbewußter und zukunftsorientierter in Hinkunft gestaltet werden soll. Nach meinem Besuch in den Vereinigten Staaten im Frühjahr dieses Jahres kam mir der Gedanke, daß wir uns vornehmen sollten, eine große Ausstellung zusammenzustellen, die sich mit dem Beitrag Österreichs zum Fortschritt der Menschheit beschäftigt, und die die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen Österreichs, die im Ausland vielfach unbekannt sind, darstellt. Dies könnte sicher dazu beitragen, das Zerrbild Österreichs vom Himmel voller Geigen und von der Walzerseligkeit zu zerstören. Wir werden bei der Gestaltung dieser Ausstellung die Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Industrie und der vielen privaten kulturellen Institutionen um ihre Hilfe bitten. Selbstverständlich hat sich die Tätigkeit unserer Kulturinstitute dem Wandel der Anforderungen anzupassen. Für sie gibt es kein statisches Rezept in einer dynamischen Welt.

Neue Wege für die Institute

In jenen Ländern, wo die Kulturinstitute die Aufgabe haben, die kulturelle Präsenz Österreichs zu gewährleisten, werden wir in Hinkunft manchen neuen Weg zu beschreiten haben. Eine neue Dienstinstruktion wird unseren Institutsleitern jene sachlichen Schwerpunkte bezeichnen, die wir glauben, für die unmittelbare Zukunft setzen zu sollen. Daneben bewegt mich der Gedanke, die Leiter unserer Institute dafür zu gewinnen, mehr als bisher ihre Aufmerksamkeit von den kulturell bereits vielfach übersättigten Hauptstädten, in denen sie wirken, weg in die kulturell viel aufnahmefähigeren Provinzen zu lenken. Statt New York sollte es vielleicht San Franzisko, Los Angeles, Detroit, Denver und New Orleans sein; statt Raris... Nancy, Lyon, Bordeaux; statt London Edinburgh und Liverpool, Städte also, in denen sich ein dem kulturellen zugängliches und dankbares Publikum findet; Universitäten auch, die den wissenschaftlichen Kontakt mit dem Ausland mehr suchen als jene in den Metropolen. Wir werden das Jahr 1971 zu einem Schwerpunktjahr in dieser Richtung proklamieren und unsere Kulturinstitutsleiter einladen, ihre Programme in diesem Jahr nahezu ausschließlich in den Provinzen durchzuführen. Der zweite Aspekt der Pflege der kulturellen Auslandsbeziehungen ist der Austausch.

Dem Austausch gelten insbesondere der Abschluß von Kulturabkommen und von kulturellen Vereinbarungen. Wir haben aus der ersten Dekade der Zweiten Republik Kulturabkommen mit Frankreich, Großbritannien, Italien und Belgien. Wir haben im Vorjahr ein Abkommen dieser Art mit der Sowjetunion verhandelt, das derzeit dem Parlament zur Genehmigung vorliegt.

Daneben laufen jeweils auf zwei Jahre abgeschlossene Vereinbarungen über technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Polen, Rumänien, Bulgarien und der Vereinigten Arabischen Republik. Der Abschluß einer kulturellen Vereinbarung mit Norwegen steht unmittelbar bevor. Im Stadium der Vorarbeiten sind Abkommensangebote von Spanien und Luxemburg.

Und die anderen Staaten?

Wenn Selbstdarstellung und kultureller Austausch die in erster Linie zu nennenden Ziele der Auslandskulturpolitik sind, so möchte ich, ehe ich zu einem dritten zukunftsweisenden Aspekt, dem der kulturellen Kooperation übergehe, eine rechnerische Zwischenbilanz einfügen, die vergleicht, was sich die einzelnen Staaten die Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland kosten lassen.

Frankreich pflegt wohl am intensivsten seine kulturellen Beziehungen mit dem Ausland. Mehr als 50 Prozent des Budgets des französischen Außenministeriums sind für die Pflege der kulturellen Beziehungen bestimmt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat im Bundeshaushaltsplan

151.105.000 D-Mark für die Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland ausgeworfen. Das sind in Schilling umgerechnet 980,670.000.

Das US State Department hat für kulturelle Beziehungen eine globale Summe von etwa 45 Millionen Dollar zur Verfügung auf ein Globalbudget von 439 Millionen Dollar, das Sind mehr als 10 Prozent des Budgets des amerikanischen Außenministeriums oder 1.160,000.000 Schilling.

Im Jahre 1966/67 stand dem British Council ein Gesamtbudget von 11,710.000 Pfund für die Tätigkeit in 58 Ländern zur Verfügung, das zwar im laufenden Fiskaljahr um 500.000 Pfund gekürzt wurde, immerhin aber an die 700,000.000 Schilling beträgt.

So aber ist In diesem Betrag auch der Anteil an Personal- und Sachaufwand enthalten, wie dies zwar sicherlich auch bei den Vergleichsziffern des Auslandes der Fall ist. Mein Wunsch für die Zukunft zielt unter anderem daher weniger auf die Schaffung neuer Institute als auf die Bereitstellung größerer Mittel zur Finanzierung neuer Tätigkeiten. Die große und für uns sehr entscheidende Frage ist, ob unser heutiges Konzept für die Pflege der kulturellen Auslandsbeziehungen auch noch auf das Jahr 1980, oder auf das Jahr 2000 hinbezogen, als gültig betrachtet werden kann. Es kann uns heute nicht gleichgültig lassen, ob wir uns dafür entscheiden sollen, für die nächsten zehn Jahre die Errichtung von zwei bis drei neuen Kulturinsti- tuten vorzusehen oder die Schaffung eines halben Dutzends neuer Kultur- attačhéposten, nur um dann im Jahre 1980 vielleicht feststellen zu müssen, daß wir im Jahre 1969 Fehlentscheidungen getroffen haben. Es gibt nun einige Hinweise, welchen Problemen wir 1980 gegenüberstehen werden.

Die Welt wird in 20 Jahren von ihren Spannungen und Krisen weniger beherrscht sein vom Gegensatz zwischen Ost und West, mehr aber vom Gegensatz zwischen armen und reichen Nationen. In diesem Sinn ist jeder österreichische Steuerschilling der in die Bildungshilfe geht, die Abzahlung der Risikoprämie, die dafür entrichtet wird, daß die Gefahren kriegerischer Auseinandersetzungen, die aus diesem Gegensatz sich entwickeln könnte, herabgemindert wird.

Das Problem der

Bildungshilfe für die Entwicklungsländer ist keineswegs ein karitatives Problem, sondern ein zivilisatorisches. Ein Land wie Österreich, das auf seine kulturelle Tradition mit Recht stolz ist, muß von dem Reichtum seines Wissens und Könnens gerne abgeben und darin eine zivilisatorische Verpflichtung sehen. Das ist die der heutigen Zeit angemessene kulturelle Auslandsaufgabe Österreichs schlechthin. Es wäre eine echte Investition auf die Zukunft, wenn sich Österreich entschließen könnte, innerhalb der nächsten zehn Jahre fünf Schulprojekte gemeinsam mit Regierungen unterentwickelter Staaten zu verwirklichen. Die Schulen müßten keineswegs dem österreichischen Steuerzahler auf die Dauer zur Last fallen, im Gegenteil. Österreichs Hauptverpflichtung läge in der Bereitstellung der Lehrkräfte. Gewiß gibt es in Österreich einen Lehrermangel. Aber es ist keineswegs utopisch, vorauszusetzen, daß es in einem Zeitraum von zehn Jahren möglich sein müßte, etwa 50 Lehrkräfte freizustellen, die sich dieser großen zivilisatorischen Aufgabe und Verpflichtung, die uns obliegt, widmen könnten.

Aber es gibt auch

Aspekte kultureller -v Zusammenarbeit,

die uns zeigen, wie wir selbst, „Hilfsbedürftige“ geworden sind. Hilfsbedürftige freilich zunächst und zuvörderst in dem Sinne, daß wir diese Selbsthilfe organisieren müssen. Es handelt sich hier um eine neue Dimension Internationaler Kooperation, nämlich um die sogenannte teschnisch-wi'ssenschaft- liche Zusammenarbeit. Österreich hat sein Kulturabkommen mit Frankreich nach dem Besuch des französischen Premierministers Pompidou im Vorjahr um ein solches Abkommen besonderer Art ergänzt Wenn wir hilfsbedürftig Sind, so liegt in dieser Feststellung keineswegs etwas Deklassierendes für unser Land. Angesichts der ungeheuren technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, die in den USA und in der Sowjetunion liegen, laufen nicht nur Staaten wie Österreich, sondern alle europäischen Staaten, ja Europa, als Ganzes Gefahr, zu einem wissenschaftlichen Niemandsland zwischen den Giganten zu werden. Kein Land Europas ist mehr groß genug, um in allen Zweigen der Wissenschaften Forschungsvorhaben allein durchzuführen.

Auf gewissen Gebieten haben sich die Europäer geholfen und gemeinsame intereuropäische Forschungseinrichtungen geschaffen Wie etwa den CERN in Genf (Europäische Organisation für Kernforschung). Österreich ist Mitglied, zugegebenermaßen unter beträchtlichen finanziellen Opfern, zieht jedoch für seine Wissenschaft und für seine Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet manchen bedeutenden Vorteil aus dieser Mitgliedschaft. Österreich wird sich ferner auch an einer in Gründung befindlichen europäischen Molekular-biologischen Vereinigung beteiligen.

Es erscheint sinnvoll, daß Österreich auf den Gebieten der. wissen- schaftlichen Zu®amfhėri rt įflit: r teęu übergeht, bilaterale Vereinbarungen mit anderen europäischen Ländern abzuschließen, etwa nach dem Typ des erwähnten Abkommens mit Frankreich.

Und nun ein letzter Punkt:

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung