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Individuelle oder kollektive Medizin?

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Ueber Aufforderung der Redaktion nimmt der Verfasser Stellung zu einem Konflikt, der die Oeffentlichkeit stark beunruhigt hat. Er bemüht sich, die tieferen Wurzeln des Konfliktes und eine Möglichkeit zu seiner endgültigen Befriedung aufzuzeigen.

Unter den leitenden Gesichtspunkten der Sozialhygiene und der ärztlichen Ber-ufsethik soll im folgenden versucht. , werden, , den Gegensatz zwischen Krankenkassen und Aerzten auf seine tieferen Wurzeln zurückzuführen. Es hieße sehr wenig Verständnis für diese aufbringen, wollte man den unbestreitbaren, meist latenten, oft aber aktuell aufbrechenden Gegensatz nur auf die einfache Formel eines materiellen' Interessengegensatzes, wie etwa zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zurückführen oder auf eine allzu einfach gesehene Lo.hnfrage. Der Gegensatz, der hinter diesen sicher auch vorhandenen Fragestellungen steht, ist ein viel größerer. Er betrifft die Fragestellung: Individuelle oder kollektive Medizin; ärztliche Berufsfreiheit oder Sozialisierung derMedizin?

Für beide Standpunkte lassen sich bedeutsame und beachtenswerte Argumente anführen; den Ausschlag geben können bei der endgültigen Abwägung aber nur jene Gesichtspunkte, die aus dem Wesen des ärztlichen Berufes selbst hervorgehen.

Das ursprüngliche, wesentliche und unabänderliche Verhältnis zwischen dem Kranken und dem Arzt ist das eines hilfsbedürftigen, hilfesuchenden Menschen zu einem hilfsbereiten und zum Helfen befähigten, kundigen anderen Menschen. Also ein persönliches Verhältnis von Mensch zu Mensch auf der Grundlage einer höchstpersönlichen Vertraueosbeziehung. Dieser Sachverhalt ist die von der Natur gegebene, unwandelbare Grundlage aller ärztlichen Ethik, die die tiefe Verantwortlichkeit des Arztes begründet. Sie kann durch kein positives Gesetz aus der Welt geschafft werden, denn sie beruht auf dem Natur recht, das sich aus der Natur der Sache selbst und der menschlichen Beziehungen ergibt.

Der Gedanke der Sozialversicherung ist aber gleichfalls in seinen tiefsten Wurzeln ein durchaus ethischer. Er beruht darauf, daß in den Wechselfällen des Lebens, besonders bei Gefährdung und Verlust der Arbeitskraft durch Krankheit, Unfall, Alter und Invalidität, die Gemeinschaft eintreten muß, um die für den einzelnen zu schwere Last tragen zu helfen. Wir können die Sozialversicherung aus dem modernen Leben mit seinen vielfachen Zivilisationsschäden, mit den enormen sozialen Ansprüchen, die an den einzelnen gestellt werden, nicht mehr hinwegdenken. Wo eine Sozialversicherung noch nicht besteht, muß sie geschaffen werden. Galt sie ursprünglich nur dem Schutze der Armen, der sozial Schwachen, die aus eigener Kraft den Belastungen des Lebens nicht gewachsen sind, so geht die Tendenz der Zeitentwicklung zweifellos dahin, durch die Sozialversicherung das gesamte Volk zu erfassen. Diese Tendenz entspricht zweifellos dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit.

Damit diese Entwicklung sich nun ohne Verletzung der Gerechtigkeit selbst vollziehen könne, damit nicht summa iusticia zur summa iniuria werde, darf man sich der Einsicht nicht verschließen, daß

die bisherige Entwicklung der Sozialversicherung in einigen grundlegenden Punkten eine Fehlentwicklung war.

Ursprünglich war die Sozialversicherung, vor allem ihr wichtigster Zweig, die K r a n-ken Versicherung, nur für die A r-men gedacht. Da es für den Arzt von jeher ein nobile officium seiner Berufsethik war, den Armen unentgeltlich zu dienen, war es auch selbstverständlich, daß die Tätigkeit für die Krankenkassen von Anfang an nach den Grundsätzen der Armenpraxis ausgeführt wurde: Es war unvermeidlich, die Verordnungen und Behandlungskosten auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. Das Honorar des Arztes wurde nach den Sätzen der Armentaxe bemessen; er bekam dabei nicht viel für seine Mühe, aber immerhin noch mehr als vordem, da er unentgeltlich behandelte. Der Arzt war damit freilich des Nimbus des Wohltäters entkleidet, konnte sich aber der Einsicht nicht verschließen, daß der arbeitende Mensch, der durch seine Beiträge die Institutionen der Sozialversicherung erhielt, damit auch einen Rechtsanspruch auf Erhaltung von Gesundheit und Arbeitskraft erwarb und nicht mehr auf Wohltätigkeit angewiesen war.

Es gibt keinen sozial denkenden Arzt, der diese Entwicklung von der Wohltätigkeit zum sozialen Rechtsanspruch nicht als wirklichen Fortschritt begrüßen würde.

Da die Zahl der von der Sozialversicherung Erfaßten anfänglich gering war, spielte die Kassenpraxis neben der bisherigen Privatpraxis keine wesentliche Rolle. Aber schon von 1900 bis 1914 setzte eine stürmische Entwicklung ein, durch die der Kreis der Versicherten immer mehr vergrößert, der der Privatpraxis immer mehr eingeengt wurde. Der Arzt konnte von der Privatpraxis allein nicht mehr leben; um aber von der .Kassenpraxis leben zu können, war er auf Massenpraxis, auf Massenbetrieb angewiesen.

Noch stürmischer äußerten sich diese scheinbar unvermeidlichen Entwicklungstendenzen in der ersten Nachkriegszeit, etwa von 1918 bis etwa 1930 und neuerdings in der zweiten Nachkriegszeit von 1945 an. Sie verbanden sich mit gewissen politischen Tendenzen, die die Sozialisierung des Heil- und Gesundheitswesens zum Ziel hatten. Die Sozialversicherung wurde zum Politikum und sollte als Werkzeug dazu dienen, diesen Tendenzen zum Durchbruch zu verhelfen. Das ging natürlich nicht ab ohne schwere Kämpfe zwischen der Aerzte-schaft und den Krankenkassen, die in den Augen breiter Volksmassen die Aerzte in den Verdacht brachten, aus unsozialer Gesinnung und aus rein materiellen Interessen durch übermäßige egoistische Lohnforderungen die Existenz der Krankenkassen zu gefährden.

Die schwersten Kämpfe zwischen den Aerzten und den Krankenkassen entstanden aber — abgesehen von den Inflationsjahren, in denen die Lohnfrage als -Existenzfrage wirklich im Vordergrund stand —

aus dem Bestreben der Kassen, durch Begründung von Ambulatorien die Berufsfreiheit, vor allem der Fachärzte, weitgehend einzuengen.

Um diese Tendenz zu verstehen, muß man allerdings berücksichtigen, daß seit dem ersten Weltkriege die technische Entwicklung der Medizin eine derart gewaltige ist, daß es dem Durchschnittsarzt mit seinem „Kleinbetrieb“ einer normalen Ordination schlechthin unmöglich geworden ist, mit dieser Technisierung Schritt zu halten. Schon die enorme Kostspieligkeit der Apparate, der Laboratoriumseinrichrungen usw. verbot dem Einzelarzt meist die Aufrechterhaltung seines gewohnten individualistischen Betriebes, wenn er sich dabei die technischen Errungenschaften aneignen wollte. So mußten sich notgedrungen mehrere Aerzte verschiedener Spezialfächer in „Aerztehäusern“ zusammentun, in denen sich die Arbeit und die Lasten auf die Schulter mehrerer ver Referat hielt. Oesterreich war bei den Eröffnungsfeierlichkeiten durch Botscliafter Dr. Schwarzenberg vertreten. Wäre es nicht möglich, daß bei dem kommenden Kongreß Oesterreich auch durch eine Persönlichkeit aus dem kulturellen Leben vertreten ist?

Nach einem Bericht von „The People“, der aus Stockholm datiert ist, steht der von der Sowjetunion vor Jahren in Angriff genommene „O s t-s e e w a 11“ dicht vor der Vollendung. Es handelt sich um eine befestigte Linie längs der ganzen Südküste der Ostsee von Stettin bis nach Leningrad, die nach den modernsten militärtechnischen Gesichtspunkten gebaut ist und unter anderem zahlreiche Abschußrampen für ferngelenkte V-Geschosse aufweist. In der Zone der Linie, die stellenweise eine Tiefe von 50 Kilometer hat, befindet sich kein einziger Zivilist mehr. Die gesamte Bevölkerung wurde evakuiert.

„Lidova Democracie“ (Prag) schreibt: „Auf Anregung der Besucher unserer Restaurants und

Hotels hat das Innenhandelsministerium, Hauptverwaltung der Hotels und Restaurationen, und die terminologische Abteilung des Instituts für tschechische Sprache der tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften neue Speisennamen ausgearbeitet, durch die die unverständlichen Fremdwörter auf den Speisekarten ersetzt werden. Die Speisennamen sind noch immer in großem Maße mit Namen aus den Feudalzeiten belastet, wo die Speisen verschiedene Modenamen, besonders nach damaligen Staatsmännern, Künstlern und allerdings auch nach ihren Maitressen, hatten. Diese Benennungen klingen den heutigen Werktätigen bereits leer und inhaltslos. Soweit sie sich aus Beharrungstrieb noch auf unseren Speisekarten erhalten haben, wirken sie unverständlich und deshalb werden sie jetzt aufgegeben und durch andere, tschechische Namen ersetzt. Die Besucher der Restaurants, Hotels und Speisestuben werden sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, was Tournedos a la Jardiniire, 'Rumsteak Jackson, Chateaubriand, Mixed Grill, Harn and Eggs ist, sondern werden ohne Gefahr eines Mißverständnisses mit Appetit Lungenbratenschnitten mit Friih-jahrsgemüse, Rostbraten mit Schinken und Ei, ein großes Beefsteak, Fleischmischung am Rost, ge-backenen Schinken mit Ei usw. bestellen. Einige eingebürgerte fremde Speisennamen wurden mit vollem Rechte beibehalten, werden jedoch auf unseren Speisekarten mit vertschechischter Rechtschreibung geschrieben werden, damit sie unserem Verständnis noch mehr angenähert wetden. Durch die tschechisierte Speisekarte verbessern unsere Restaurants und Hotels den Dienst an den Werktätigen.“

Das UNUM, ein neuer internationaler Kupon, der als eine Art zwischenstaatlicher Währung für den Kauf von wissenschaftlichen Büchern und Lehrmaterial dient, wurde von der UNESCO in Umlauf gesetzt. Ein UNUM, lateinisch „eins“ und außerdem die Abkürzung von „UNESCO Unit of Money“, hat den Wert von fünf Dollar. Das UNUM, das genau so frei konvertierbar ist wie der Dollar, wird die schon bestehenden Kupons ersetzen, die in den einzelnen Landeswährungen ausgegeben wurden. UNESCO-Buch- und Geschenk-Kupons zum Ankauf von wissenschaftlicher Ausrüstung wurden bisher in 30 Ländern ausgegeben.

Auf der englischen Best-Seller-Liste nimmt Premierminister Winston Churchill in diesem Jahr mit dem 5. Band seiner Erinnerungen den ersten Platz ein. Von dem Werk sind bisher 250.000 Exemplare abgesetzt worden. Ueber den zweiten . Platz wird erst entschieden. Das Buch „Struggle for Europe“, (.„Kampf am. Europa“) des Australiers Chester Wilmot liegt mit 130.000 verkauften Exemplaren nur knapp vor dem „Steam-boat Gothic“ der amerikanischen Autorin Frances Parkinson Keyes und dem Buch „The Far Country“ („In einem fernen Laod“) des Engländers Nevil Shute. Beide Werke sind bisher in 125.000 Exemplaren verkauft worden.

Der politische Einfluß der Presse ist, wie das Bulletin der „Union Internationale de la Presse Catholique“ meldet, bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA besonders stark in Erscheinung getreten: Eisenhower wurde von 75 Prozent der Zeitungen, die 81 Prozent der Gesamtauflage repräsentieren, Stevenson von 15 Prozent der Tageszeitungen, die 10 Prozent der Gesamtauflage besaßen, unterstützt. Dem ist entgegenzuhalten, daß Roosevelt 1932 von 40 Prozent, 1936 von 36 Prozent, 1940 von 20 Prozent und 1944 nur von 17 Prozent der Blätter unterstützt wurde. Für Truman traten 1948 nur Blätter ein, die 10 Prozent der Zeitungsgesamtauflage besaßen.

Das Kindermuseum ist heute einer det populärsteh Museumstypen Amerikas. Städte, die noch keines haben, bereiten eines vor, und wo schon eines besteht, muß es vergrößert werden. Das Brooklyn-Kindermuseum zum Beispie! wird im Jahr von 240.000 Kindern besucht, und ander Städte berichten vom gleichen Ansturm. Nicht alle Kindermuseen verfügen über eigene Gebäude. Viele sind in Lehranstalten oder Bibliotheken untergebracht oder sind Teile eines Museums für Erwachsene. Das amerikanische Kindermuseum ist ein Bindeglied zwischen Erziehung und Unterhaltung des Kindes. Meistens ist es beides. Da zeigen eine Reihe von Dioramen die Höhepunkte det amerikanischen Geschichte. Auch Geographie wird im Rahmen dieser visuellen Erziehung durch plastische Dioramen veranschaulicht, außerdem gibt es Schaukasten mit Haushaltsgeräten der betreffen den Länder, Kunstgegenständen, Musikinstrumenten und Kostümen. Wie kleiden sich die Kinder anderer Länder? Das ist eine Frage, die fast Voni jedem Kindermuseum in einer farbenprächtigem Trachtenschau beantwortet wird. Ein besonderes Charakteristikum der Kindermuseen sind ihre Werkstätten und Laboratorien. Hier befassen sich die Schüler unter der Leitung geschulter Lehrkräfte mit den Geheimnissen der Wissenschaft. Hat die Schule keine Zeit, ins Museum zu kommen, kommt das Museum in die Schule — ein tele-, phonischer Anruf des Lehrers genügt. Die „Filialen des Kindermuseums auf Rädern“ sind den ganzen! Vormittag unterwegs, um den Schulen Ausstellungsobjekte leihweise zur Verfügung zu stellen,, die zur Ergänzung und Belebung des Unterrichtest gerade gebraucht werden. Die fahrbaren Kindermuseen haben übrigens noch eine andere Mission: sie besuchen auch regelmäßig Kinderspitäler.

Die jüdische Gemeinde B'Nai Israel hat den Nonnen des Ursulinerinnenordens in Toledo ein wertvolles Stück Land geschenkt, um dessen Ankauf sich beide Gruppen seinerzeit beworben: hatten. B'Nai Israel kaufte ein Grundstück vonj 7.6 Hektar und schenkte hievon 4,68 Hektar der» Ursulinerinnen und 0,4 Hektar der Stadt Toledo. Die Nonnen werden auf ihrem Grundstück eine Schule bauen, die Stadt beabsichtigt, einen Spielplatz anzulegen, während B'Nai Israel auf dem verbleibenden Teil eine Synagoge, Schule und Bibliothek errichten will. Auf gemeinsamen Beschluß werden keine Zäune zur Abtrennung der einzelnen Grundstücke errichtet werden. Die Gartenanlagen werden nach einem gemeinsamen Plan gestaltet und die Gebäude im Stil aufeinander abgestimmt werden. Der Bürgermeister von Toledo gab seiner Anerkennung für das Vorgehen B'Nai Israels und für die Uebereinkommen zum Ausdruck und bezeichnete sie als einen Markstein auf dem Wege religiöser und rassischer Toleranz und Verständigung. Der katholische Bischof von Toledo erklärte, diese Zusammenarbeit sei ei« leuchtenden Beispiel dafür, wie Gruppen mit verschiedenen Zielen mit Bedacht und gutem Wiüen zum Wohl der ganzen Gemeinschaft beitragen können.

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