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Kulturpropasanda

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Wenn von Kulturpropaganda die Rede ist, so ist es in erster Linie eine Sache des Geistes, über die gesprochen wird. Es wird also auch richtig sein, Art und Form der Kulturpropaganda den Wesenszügen des Geistes gemäß zu gestalten. Welches sind nun diese Wesenszüge? Es sind zwei sehr entgegengesetzte und sich doch in höherer Einheit vereinende: Abgrenzung und Aufnahmebereitschaft. Man darf dabei vielleicht auch noch dies sagen: Abgrenzung ist eine Sache der Vernunft, die nach Form und Haltung verlangt, Aufnahmebereitschaft, Sache des aus dem Herzen kommenden Willens, der immer mehr erfassen will. Abgrenzung in jeder Art ist notwendig; es gibt zum Beispiel keine Allerweltskultur. Starre Abgrenzung aber ist Mangel an Ethos, bedeutet Hochmut und Versteinerung. Politisch gesagt, bedeutet starre Abgrenzung überheblichen, aber sterilen Nationalismus, schrankenlose Aufnahmebereitschaft — unter Außerachtlassung des „was dir die Seele stört, darfst du nicht leiden“ —, flachen Internationalismus. Immerhin aber muß gesagt werden, daß die Gefahr unserer Zeit eher die erstgenannte, eben die des Absperrungswahns ist: wir haben verlernt, Lernende zu sein. Wir wollen Fremdes nicht mehr erkennen und damit a n erkennen, wir wollen es unterjochen und „angleichen". Und wenn Goethe einmal gesagt hat: „Eine jede Literatur ennuyiert sich zuletzt in sich selbst, wenn sie nicht durch fremde Teilnahme wieder aufgefrischt wird“, so können wir diesen Spruch Goethes ins Allgemeine erweitern, daß jeder Mensch, ja jedes Volk sich in sich selbst ennuyiert, wenn nicht...

Wenn nach dem eben Gesagten nun wieder von Kulturpropaganda die Rede ist, so ergibt sich klar, daß sie diesen beiden Forderungen Rechnung tragen muß: sie muß von einem begrenzten Fundament ausgehen und muß in aufnahmebereitem Sinn vorgetragen werden. In seinem berühmten Traktat über „die Würde des Menschen“ läßt Pico della Mirandola (1463 bis 1494) Gott zu den Menschen sagen: „Ich habe dich in die Mitte der Welt gesetzt, damit du um dich schauest, was es alles in dieser Welt gibt." Hier ist in den Worten dieses Renaissancephilosophen alles gesagt, was zu sagen ist gegen Einengung und für Aufnahmebereitschaft.

Was ist nun Kulturpropaganda? Sie ist die vor allem nach außen gerichtete Werbung eines Volkes um Verständnis für seine Kultur. Sie dient dem Ziel der Völkerverständigung, denn verstehen ist wichtiger und fruchtbarer als verurteilen. Gewiß wird die Kulturpropaganda manchmal auch als Vorspann für machtpolitische Ziele der Völker gebraucht. Indessen bedarf es wohl keines Hinweises, daß diese Gefahr bei der von Oesterreich betriebenen und geplanten Propaganda wegfällt. Wohl haftet dem Begriff Propaganda immer der Geruch des offensiven Vorgehens an, aber bei aller Bescheidenheit dürfen wir gerade in unserem, dem österreichischen Fall sagen, daß unsere Offensive wirklich nur eine des Geistes ist, also jene, die allein des Menschen würdig ist.

Nun ist einmal eine andere recht kluge Definition des Begriffes Kulturpropaganda gegeben worden, als „die Sichtbarmachung einer existenten Realsituation“. Wir Oesterreicher akzeptieren diese Definition. Was sind denn wir Oesterreicher? Wir antworten mit einem 1907 von Werner Sombart, also keinem Oesterreicher, geschriebenen Satz: „Der Wiener ist ein Mensch. Nicht das Teilstück eines Menschen, das wir in Norddeutschland so häufig finden." Wenn wir Wien als Teil für das Ganze, für Oesterreich, sehen, haben wir schon den Wesenszug unserer Kulturpropaganda klar herausgestellt: Wir wollen das Menschliche dem Menschen sichtbar machen in seiner österreichischen Prägung. Und wenn — nach einem Goethe-Wort — dem Deutschen alles schwer und er schwer über allem wird, so gilt dies sicher nicht für den durch vielerlei Kultur- und Blutzuflüsse und durch jahrhundertelanges Zusammenleben mit vielen Völkern geprägten Oestiyreicher. Wir dürfen daher auch erwarten, daß dieses Menschliche österreichischer Prägung nicht allzu schwer und nicht unbewillkommt seinen Weg machen wird.

Wie nun kann eine solche Kulturpropaganda durchgeführt werden? Vor allem muß der Austausch der wissenschaftlichen Beziehungen intensiviert werden. Mehr denn je müssen österreichische Wissenschaftler als Gastvortragende auf Lehrstühlen des Auslandes zu Wort kommen. Wir müssen das österreichische wissenschaftliche und belletristische Buch durch Ausstellungen und Werbungen bekannt machen. Unsere Theater müssen im Ausland auftreten. Unsere Fachverbände aller Art müssen mit den gleichartigen in den verschiedensten Ländern in Verbindung treten. Von besonderer Bedeutung wäre es ‘auch, da und dort österreichische Schulen in ausländischen Staaten zu errichten. In der ausländischen Presse müßten regelmäßig Berichte über kulturelle Ereignisse Oesterreichs zu finden sein. Natürlich muß all dies auf Gegenseitigkeit beruhen. Auch wir wollen wissen, was Wissenschaft und Dichtung anderer Völker hervorbringt. Auch wir wollen in unseren Zeitungen nicht bloß rein politische oder sensationelle Ereignisse aus anderen Ländern sehen, sondern auch Berichte über deren Kulturleben. Auch wir freuen uns, wenn andere Völker die besten ihrer Schultypen bei uns zeigen.

Eine sehr beachtliche Möglichkeit wäre es natürlich auch, so wie Frankreich, diese uns so verwandte Nation, es oft getan hat, den oder jenen ihrer großen Dichter oder Wissenschaftler als Diplomaten zu verwenden. Es gibt also, wie man sieht, unendlich viele Möglichkeiten, Kulturpropaganda zu treiben. Nicht vergessen sollen dabei die werden, die durch Oesterreicher im Ausland einfach durch ihr taktvolles Auftreten geleistet werden könnte. Viele von diesen Möglichkeiten sind noch nicht ausgenützt. Viele müssen vielleicht auch bei unseren noch immer kargen Mitteln Zukunftsmusik bleiben. Aber niemals darf aus den Augen gelassen werden, wie wichtig es ist, sich immer und überall der propagandistischen Bedeutung bewußt zu bleiben.

Eines unserer wichtigsten Kulturinstitute, das in diesem Sinn arbeitet, ist das Oesterreichische Historische Institut in Rom, das seit 18 81 besteht. Es wurde auf Grund des Kulturabkommens von 1935 zu einem Oesterreichischen Kulturinstitut erweitert. Bis zum Ausbruch des Krieges ist es durch die bekannten geschichtlichen Ereignisse zu einer vollen Aktivierung des Instituts nicht mehr gekommen. 1949 wurde das Institut wiedereröffnet. Es Trat heute gleichermaßen die Aufgaben eines allgemeinen Kulturinstituts wie auch die eines wissenschaftlichen Forschungsinstituts.

In Paris konnte erst vor kurzem auf Grund des französisch-österreichischen Kulturübereinkommens ein Kulturinstitut (Centre Culturel Autrichien) eröffnet werden. Es ist beabsichtigt, 1955 auf der Grundlage des britisch-österreichischen Kulturübereinkommens in London ein Kulturinstitut zu eröffnen. Der in New York bestehende Informationsdienst soll durch Beistellung eines Kulturreferenten erweitert werden.

All diesen und künftigen Kulturinstituten ist die Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Oesterreich und dem Staat, in dem das Kulturinstitut errichtet ist, zur Aufgabe gestellt. Das Kulturinstitut soll aber keinesfalls der Exponent einer staatlich gelenkten Kultur sein, „ sondern vielmehr kulturelle Bestrebungen an- regen, erleichtern und bekanntmachen. Dem werden regelmäßige Veranstaltungen künstlerischer und wissenschaftlicher Art, die Mitwirkung bei Lehrer- und Stipendienaustausch, Studien- und Forschungsbetreuung österreichischer Studenten und Forscher dienen. Eine gute, stets auf dem laufenden geführte Bibliothek mit den entsprechenden österreichischen oder von Oesterreich handelnden Büchern soll diese vielfache Aufgabe ergänzen und erleichtern. Das Kulturinstitut Rom hat darüber hinaus noch die besondere Aufgabe, die wissenschaftliche Arbeit des Oesterreichischen Historischen Instituts fortzusetzen.

Im einzelnen wird sich für das eine oder andere Institut eine besondere Aufgabenstellung nach und nach herausbilden, die mit den staatlichen und zeitlichen Verhältnissen und Ereignissen Zusammenhängen wird. So zeigt sich jetzt schon zum Beispiel, daß der Informationsdienst New York, der zugleich mit publizistischen und propagandistischen Aufgaben auch kulturelle Fragen bearbeitet, besonders eine Intensivierung der Musikerziehung anstrebt.

Im jetzigen Stadium wird die Pflege und Verbreitung österreichischer Kultur im Ausland von einer Anzahl verschiedenartiger Institutionen durchgeführt bzw. mitbetreut. Vom Informationsdienst in New York war bereits die Rede. Kulturattaches sind der österreichischen Gesandtschaft in Bern und der österreichischen Botschaft in Paris zugeteilt, letztere insbesondere auch mit den Aufgaben der Verbindung zu internationalen Organisationen, wie zum Beispiel der UNESCO. Wie weit bei anderen diplomatischen Vertretungen die Kulturbelange aktiv betreut werden, hängt weitgehend von der Aktivität des damit befaßten Beamten ab. Lobend darf hier Brüssel erwähnt werden. Auch Kulturvereinigungen oder sonstige Auslandsvereinigungen interessieren sich oft für kulturelle Fragen.

Die Frage neuer Kulturinstitute ist bisher konkret nicht behandelt worden. In einer Reihe von Fällen wurden von privater Seite Anregungen gegeben, die jedoch vielfach nicht aus einem kulturpolitischen Konzept heraus, sondern aus konkreten Wünschen erwuchsen. Es wird noch zu prüfen sein, ob das Bundesministerium für Unterricht die Uebernahme der kulturellen Einrichtungen des Bundeskanzleramtes, Auswärtige Angelegenheiten, die über den Wirkungskreis der Kulturattaches hinausgehen, nämlich des New-Yorker Informationsdienstes und der Lesehalle Agram, anstreben sollt

Bei allen Ueberlegungen ist zu beachten, daß der finanzielle Bedarf eines Kulturinstitutes nicht unerheblich ist; es kann auch noch nicht überblickt werden, inwieweit für 1956 und die folgenden Jahre eine Erweiterung der ständigen Einrichtungen im Aflsland finanziell gesichert werden kann.

Jedenfalls sollen durch solche ständige Einrichtungen Oesterreichs Leistungen in Wissenschaft und Kunst der Welt bekanntgemacht werden und damit das Bild unserer Heimat als Fremdenverkehrs- und Unterhaltungsland jene Ergänzung erhalten, die notwendig ist, um Oesterreich in seiner Gesamtbedeutung richtig einzuschätzen. In diesem Bild darf neben den traditionellen Zügen einer großen Vergangenheit jedenfalls eines nicht fehlen: das kämpfende Oesterreich der Gegenwart, das, umwittert von tausend Nöten und Gefahren, der Herausforderung der Zeit, von seinem heutigen geistigen und materiellen Standpunkt aus eine mutige Antwort gibt.

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