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Kulturgesandter in London

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Unter den Kulturinstituten vieler Staaten, die in der britischen Hauptstadt um Gehör werben, hat sich das österreichische in den fünf Jahren seines Bestehens eine bemerkenswerte eigene Position zu schaffen vermocht. Für diese Aufbautätigkeit in erster Linie verantwortlich war der bisherige, jetzt ins Unterrichtsministerium zurückgekehrte Leiter, Doktor Heinrich Ritschl. Als sein Nachfolger ist der Wiener Musikologe Dr. Hans Zelzer nach London gekommen.

So selbstverständlich an sich auch die Unterordnung der Tätigkeit eines leitenden Beamten unter die Aufgabe sein mag, die er in staatlichem Auftrag besorgt, so darf die persönliche Rolle dabei nicht unterschätzt werden. Gerade im empirischen England ist durch solches persönliches Wirken und die eigene Stil- und Rahmensetzung häufig mehr zu erreichen als anderswo. Von fast sekundärer Bedeutung ist das kulturelle Gut, das der Institutsleiter zu verwalten .hat. Aus den Worten der Anerkennung , die von englischer Seite. -Dr. Ritschl uni seiner Gattin gezollt worden sind, sprach der Eindruck gerade dieser persönlichen Leistung. Der „Daily Telegraph“ hat das österreichische Institut am Rutland Gate in Kensington als eines der angesehensten Kulturzentren Londons bezeichnet. Und der österreichische Botschafter, Dr. Schwarzenberg, konnte bei einem Abschiedsempfang das Werden der ersten österreichischen Kulturvertretung in England ohne Übertreibung mit dem Aufbauwerk vergleichen, mit dem sich das österreichische Volk in der Nachkriegszeit behauptet hat. Mit recht bescheidenen Mitteln, mit Mut zur Gegenwart und Vertrauen in das Vermächtnis der Vergangenheit ist hier die kulturelle Identität des neuen Österreichs mitgeformt worden. Tiefenwirkung

Nun sind die Grundlagen des guten Willens gelegt, und zwar nicht nur bei dem eingeladenen englischen Publikum, das zu den musikalischen Veranstaltungen und Vorträgen am Rutland Gate kommt oder die Ausstellungen besucht (zuletzt eine Hofmannsthal-Ausstellung), die aus räumlichen Gründen andernorts gezeigt werden müssen, sondern auch und gerade bei den britischen Universitäten und Fachinstituten. In ähnlicher Weise, wie der „British Council“ im Ausland arbeitet, sucht das österreichische Institut in Großbritannien bei der Herstellung direkter Beziehungen zwischen verwandten Institutionen in beiden Ländern behilflich zu sein, die wissenschaftlichen Stipendienaktionen für britische Staatsbürger, die in Österreich studieren wollen, zu fördern und die österreichischen Stipendiaten während ihres Studienaufenthaltes in Großbritannien zu betreuen.

Den Deutschunterricht in britischen Mittelschulen kann das Institut durch den Verleih von Filmen, Schallplatten und Diapositiven unterstützen. Verfilmungen von Burgtheateraufführuri-

gen sind bei Mittelschülern und Germanisten beliebt. Der rege Bedarf nach allgemeinen, informierenden Filmen über Österreich, besonders nach Kulturfarbfilmen, vermag aus Wien bisher leider nur ungenügend gedeckt zu werden.

Während das vor drei Jahren gegründete deutsche Kulturinstitut in London, wie auch das französische und italienische, eine bewußte Politik der Breitenwirkung betreiben und in Sprachunterricht und Leihbibliothek die Hauptpfeiler ihrer Tätigkeit sehen, kann das österreichische Institut, teils aus räumlichen Gründen, teils weil im Etat für die etwa 6000 Bände umfassende Bibliothek keine eigene geschulte Kraft vorgesehen ist, auf diesen beiden Gebieten nicht konkurrieren. Wenn auch für den Deutschunterricht in vielen anderen Londoner Schulen und Abendinstituten gesorgt wird und die Zusammenstellung einer wirklich nützlichen österreichischen Bibliothek angesichts der hervorragenden Bibliotheken der britischen Hauptstadt keine leichte Aufgabe sein dürfte, hat man sich damit zweier wichtiger Mittel der Kulturpropaganda entäußert.

Die Beschränkung auf „Tiefenwirkung“ war dem österreichischen Institut daher von Anfang an eine notwendige Tugend. Bei den gemütlichen Abendempfängen, die den Institutsveranstaltungen zu folgen pflegen, ist unter etwa hundert Gästen stets eine Reihe bekannter englischer Persönlichkeiten zu sehen. Es spielt dabei mit, daß sich der Name Österreichs in Großbritannien einer gewissen, von Snobismus nicht ganz freien Popularität erfreut, die den Appell des Instituts erheblich erleichtert, während die Kulturarbeit der Deutschen Bundesrepublik in Großbritannien noch gegen eine Mauer von Vorurteilen an zukämpfen hat. Heute, da das österreichische Institut Wurzeln geschlagen hat, ist die Frage berechtigt, ob der Appell an die Prominenz wirklich lohnend ist, zumal man sich damit zumeist an bereits bekehrte Freunde Österreichs wendet.

Der große und nicht ganz erwartete Erfolg einiger Konzerte zeitgenössischer Musik mag dazu beitragen, neue Wege der Kulturwerbung aufzuzeigen. Bei diesen Konzerten sah man ein in der Mehrheit jugendliches Publikum, dessen Rollpullover und Bärte scharfe Kontraste bildeten zu den Smokings der Gäste bei gelegentlichen Mozart- und Schubert-Konzerten. Aber das ist gut so, denn die Kontakte, die dabei zwischen den unmittelbar interessierten Schichten geschaffen werden, sind eine Hauptaufgabe des Instituts. Auf diesen Grundlagen weiterzubauen, ist der neue Leiter besonders befähigt. Sein wissenschaftliches Werk ist im 17. Jahrhundert der österreichischen Barockmusik beheimatet, doch ist er der neuen Musik nicht verschlossen. R9 ra SDP uifmia isb.

Frei von Bürokratie

Wer die Tätigkeit der Kulturinstitute in einer Weltstadt wie London verfolgt, wo sie mit einer Vielfalt von erstklassigen Veranstaltungen auf musikalischem und wissenschaftlichem Gebiet zu konkurrenzieren haben, mag gelegentliche Zweifel hegen, ob die Opfer des Steuerzahlers daheim auch wirklich lohnend sind. Dazu ist zu sagen, daß sich heute wohl kein Land mehr der allgemeinen Entwicklung verschließen kann, die die einst wichtige berichterstattende Funktion des Botschafters zu der eines besseren Briefträgers herabgewürdigt hat und die diplomatischen Fachleute des Militärs, der Wirtschaft und der Kultur, ja sogar der Naturwissenschaften, in wachsendem Maße das Feld beherrschen läßt, ln den Staatskanzleien mag man sich die Köpfe zerbrechen, ob Kulturbeamte den Kulturexperten vorzuziehen seien, oder umgekehrt, ob eine halbstaatliche Körperschaft oder das Außenministerium oder, wie im österreichischen Fall, das Unterrichtsministerium die Kulturarbeit im Ausland kontrollieren soll. Die eigentliche Existenzberechtigung von Kulturinstituten aber wird heute nicht mehr bestritten. Man mag es bedauern, daß der Typ des hochkultivierten Botschafters immer mehr der Vergangenheit angehört, daß er zu einem gehetzten Administrator und Opfer seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen geworden ist, der sich selten Zeit nehmen kann, ein Buch zu lesen oder gar eines selbst zu schreiben. Mit vielseitigen archäologischen und künstlerischen Interessen bietet der gegenwärtige österreichische Botschafter am Hof von St. James eine rühmliche Ausnahme. Das von dem Engländer Parkinson als gescheiter Witz erfundene Gesetz vom unaufhaltsamen Wachstum der bürokratischen Apparatur ist auf der diplomatischen Ebene genau so gültig wie im ganzen internationalisierten Bereich der Kulturbestrebungen.

Um so wünschenswerter wäre es, das Kulturinstitut ganz prinzipiell vor der drohenden allgemeinen Tendenz der bürokratischen Erstickung zu bewahren und seinen Repräsentanten die Möglichkeit zu geben, je nach ihren akademischen Fähigkeiten sich im kulturellen Wirkungskreis zu betätigen.

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