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Die skeptischen Optimisten...

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Alle zeigen sich relativ optimistisch, sobald die Sprache auf die französisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen kommt. Handelsminister Staribacher beweist seine Zuversicht, der österreichische, in Paris etablierte Wirtschaftsberater Dr. Hans Kur-zel-Runtscheiner eröffnet positive Perspektiven. Nur der österreichische Handelsdelegierte, Dr. Kourimsky, vermischt seine Hoffnungen mit einem gesunden Schuß von Skepsis. Er ist stolz, den Ausdruck „skeptischer Optimist“ gefunden zu haben.

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Alle zeigen sich relativ optimistisch, sobald die Sprache auf die französisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen kommt. Handelsminister Staribacher beweist seine Zuversicht, der österreichische, in Paris etablierte Wirtschaftsberater Dr. Hans Kur-zel-Runtscheiner eröffnet positive Perspektiven. Nur der österreichische Handelsdelegierte, Dr. Kourimsky, vermischt seine Hoffnungen mit einem gesunden Schuß von Skepsis. Er ist stolz, den Ausdruck „skeptischer Optimist“ gefunden zu haben.

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Der Staatsbesuch des Bundespräsidenten Jonas stand vor allem unter dem Zeichen einer ökonomischen Zusammenarbeit zwischen Österreich und der V. Republik. Bei allem guten Willen, den wir beiden Partnern nicht absprechen wollen, hat der Handel zwischen Paris und Wien allerdings jene Stufe nicht erreicht, die man im Austausch hochindustrialisierter Länder Westeuropas erwarten dürfte. Mit Befriedigung besuchte der Bundespräsident das in der Bretagne von der VÖeSt. errichtete Stickstoffdüngerwerk, das schlüsselfertig dem Bauherrn übergeben wurde. Gelegentlich werden Pläne ventiliert, eine engere Kooperation zwischen Frankreich und Österreich auf Drittländer — insbesondere im französisch sprechenden Afrika — zu erzielen. In der Tat werden in bestimmten Ländern des Schwarzen Erdtedls Märkte erschlossen, die für die Alpenrepublik in Zukunft wichtig sein könnten. Die Bundesrepublik hat die Bedeutung dieser jungen Staaten seit langem richtig erkannt. Dank einer vorsichtigen Politik versuchen die Deutschen selten, mit den Franzosen zu konkurrieren. Häufig lassen sie sich von Pariser Firmen vertreten. Der französische Staatssekretär im Außenministerium, Yvon Bourges, hatte kürzlich in Wien während eines Vortrages ähnliche Formen einer französisch-österreichischen Zusammenarbeit im Hinblick auf Afrika in Aussicht gestellt. Solche Visionen gehören einer nahen Zukunft an. Mögen die Begleitumstände des Jonas-Besuches unterkühlt gewesen sein, beschäftigt sich doch die nationale Presse erstmalig mit politischen und wirtschaftlichen Problemen Österreichs. Die würdige Haltung des Bundespräsidenten hat sicherlich dazu beigetragen, das bisher frostige Klima zwischen den ehemaligen Erbfeinden aufzutauen. Werden im politischen Sektor erste Resultate zu erwarten sein, kann die Wirtschaft beider Länder von dieser Annäherung profitieren.

Als kleines Symbol mag die Einweihung eines Terminals in der Pariser österreichischen Handelsdelegation angesehen werden, die Handelsminister Staribacher in Anwesenheit namhafter Vertreter der französischen Exportindustrie und der Presse vorgenommen hat. Diese Einrichtung wurde von der Bundeshandelskammer in Wien installiert, um sofort und direkt den verschiedenen österreichischen Handelsdelegierten Auskunft über 20.000 Produkte von 5000 Firmen zu bieten. Jede Anfrage eines Importeurs, Vertreters oder französischen Industriellen nach einer österreichischen Exportfirma oder einem Produkt kann künftighin in wenigen Minuten beantwortet werden. Wie die österreichische Handelsdelegation in Frankreich — 1946 gegründet — die erste war, so ist wieder dieser Apparat der erste in Paris, der den direkten Draht zwischen der Donau-und der Seine-Metropole herstellt.

Französische und österreichische Experten studierten anläßlich des Staatsbesuchs die Export- und Im-portziffeirn.

Österreich sendete 1971 für 1,8 Milliarden Schilling Waren nach Frankreich und empfing Waren im Wert von 3,8 Milliarden. Die Prozentsätze im Gesamtaußenhandelsvolumen beider Länder sind, gemessen an anderen Austauschen, zu bescheiden.

Die österreichische Handelsdelegation — seit sieben Jahren von Doktor Kourimsky geleitet — hat manches unternommen, durch wirksame Putolic-Relation-Aktionen das kulturelle und touristische Image Österreichs durch ein industrielles zu komplettieren. Alle zwei Monate erscheint ein redaktionell und graphisch gut gestaltetes „Bulletin-1 (Auflage 6000), das gratis an Importeure, Industrielle, Banken, Handelskammern und Journalisten verteilt wird. Das Echo auf diese Publikation ist positiv. Außerdem kauft die Handelsdelegation Werberaum in französischen Zeitungen — „Figaro“, „Le Monde“, „Les Echos“, „Entreprise“ —, um in einem „Telex-Autriche“' die wirtschaftlichen Realitäten der Öffentlichkeit vorzustellen. Als Basis dienen Ergebnisse von Meinungsforschungen. Die Artikel werden in Zusammenarbeit mit französischen Journalisten verfaßt. Im wesentlichen geht es um eine Image-Werbung, das heißt, im Bewußtsein und Unterbewußtsein Frankreichs den Begriff „Österreich“ mit jenem eines Industrielandes zu assoziieren. Herr Kourimsky umschreibt den Sinn dieses Feldzuges: „Wir wollen ein Bild schaffen, das zur Beschäftigung mit Österreich und zu Investitionen in unserem Land führt. Ein Exporteur kann auch Importeur sein. Er muß Maschinen kaufen, die zu seiner Produktion notwendig sind. So besteht unsere Aufgabe darin, den Austausch nach beiden Seiten anzukurbeln.“ „Telex-Autriche“ wurde ein feststehender Begriff im französischen wirtschaftlichen Leben. Zahlreiche Anfragen aus Afrika, Griechenland und dem Nahen Osten bezeugen die Streuungsmöglichkeit dieser in französischer Sprache geschickt aufgebauten Werbung. e

Die österreichische Handelsdelegation hat eine moderne Messepolitik entwickelt. Die allgemeinen Messen verlieren, wie überall in Europa, ihre Bedeutung und werden durch Spezialausstellungen ersetzt, in denen sich unmittelbar Käufer und Verkäufer treffen. Die Palette der Aufgaben für die Delegierten der Handelskammer sind beachtlich. Sie setzen sich ebenso für Kataloge, Zollfragen, Hotelreservierungen und juridische Beratungen ein. Im Zusammenhang mit den Spezialmessen werden Warentests durchgeführt, Geschmacksrichtungen analysiert und Preisvergleiche angestellt. Als wirksam erwiesen sich die Interessenten-Meetings. Zu ihnen werden österreichische Firmen einer bestimmten Branche mit Dolmetschern französischen Industriellen gegenübergesetzt und bilaterale Gespräche inspiriert. Im Oktober 1971 wurden während zweier Tage in Paris und Straßburg für 25 österreichische Firmen 150 Kontakte organisiert. Im Herbst 1972 solj ein Interessenten-Meeting in Lyon programmiert werden, wo ein weiterer Sitz einer österreichischen Handelsdelegation ist.

Anläßlich des Besuches Pompidous in Wien 1967 wurde eine gemischte große französisch-österreichische Kommission gebildet, der hohe Beamte und Wirtschaftstreibende beider Nationen angehören. Da sich

TVanlrrpinh nn*i rtstprrpirh 711 Einern liberalen System bekennen, kann diese Institution nur vermittelnd, ausgleichend und anregend wirken. Vertreten einzelne Beobachter die Meinung, die gemischte Kommission habe mit wenig Konkretem aufzuwarten, so beurteilen eingehende Betrachtungen ihre Arbeiten günstig. Bei der einmal im Jahr stattfindenden Sitzung, an der 30 bis 50 Teilnehmer ihre jeweiligen Standpunkte darlegen, wurden manche Hindernisse beseitigt, besonders im Sektor des Zolls und der Messekontingente.

Sprachschwierigkeiten

Die Unterentwicklung der französisch-österreichischen Handelsbeziehungen beruht — sämtliche Experten stimmen das gleiche Lied an — auf der Urkenntnis des jeweiligen Marktes und der Sprachenbarriere. Frankreich richtete seit Jahren Anstrengungen auf die Eroberung der EWG-Märkte, sicherte sich die traditionellen Positionen in Afrika und versuchte gelegentlich mit wechselndem Erfolg, in das Ostgeschäft einzusteigen. Die Funktion Wipnq als Drehscheibe zwischen

Paris und den sozialistischen Staate: wurde kaum entdeckt, wogegen di Bundesdeutschen und Amerikane die geographische Situation an Rande zweier Welten schnell er kannten. Diese Lücke soll in dei kommenden Monaten durch die In stallierung einer französischen Bah in Wien ausgefüllt werden. Di Societe Generale Alsacienne be arbeitet als Tochter im Auftrag de verstaatlichten Großbank Societ

Generale den deutschen Sprach räum. In Köln, Frankfurt, Karls ruhe, Offenburg und Saarbrücke hat sie Niederlassungen und eröffni am Schwarzenbergplatz ein Institu

„Es ist wie ein Roulettespiel: D österreichischen Exporteure wähle eine französische Firma, von der s durch Zufall erfahren haben, daß s eine Vertretung übernimmt. Sp zielle Suchen und Analysen, ui Schwerpunkte zu erfassen, werde unterlassen. Man müßte branchei weise Marktforschung in Frankreil betreiben, wobei sich mittlere ur kleinere österreichische Betriebe zi sammenschließen sollten, um eine Kooperationsverband für den frai zösischen Markt zu bilden.“

Da Frankreich seine Wirtscha durch zahlreiche Verordnunge Klauseln und Zollschranken schüt; ist es für die Österreicher vielleid bequemer, nach Mailand, Zürich ur München zu blicken. Aber in Franl reich existiert ein kaufstarkes Pub! kum. Das Ziel Pompidous geht d; hin, bis 1980 aus seinem Land eil der wichtigsten Industriemächte d Kontinentes zu schaffen. Die indi strielle Grundlagenforschung wii in Frankreich fast intensiver gefö dert als in der Bundesrepubli Amerikanische Beobachter vertretf die Meinung, die Aspirationen d Staatspräsidenten beruhen a realer Basis. Von diesem internati nal zu verteilenden Kuchen könn sich Österreich eine wenn auch b scheidene, aber nahrhafte Schell abschneiden. Dazu bedarf es jensei der Routine einer dynamischen G staltung des Außenhandels ui besonders der Verpflichtung, d Sprache des Importlandes besser : beiherrschen, als dies Ms jetzt der Fe ist. Die skeptischen Optimisten Paris und Wien werden vielleic dann ihre Reserve aufgeben ui mit Zuversicht den französisch-öste reichischen Wirtschaftsbeziehung ieünstieere Prognosen stellen.

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