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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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Die Zustände in der Austria Tabak- werke A. G., der Nachfolgerin der alten staatlichen Tabakregie, die durch den Bericht des Rechnungshofes der Öffentlichkeit nahegebracht wurden, konnten in der Interpellationsbeantwortung des Finanzministers Doktor Zimmermann in bezug auf die Führung der Münchener „Austria44 eine befriedigende Aufklärung erhalten; das unerfreuliche Register von Mißständen, die aber bei der heimischen Führung dieses gemischtwirtschaf fliehen Betriebes auf gedeckt wurden, hat keine Verminderung erfahren. Es handelt sich hier um zu wichtige staatswirtschaftliche Interessen, als daß man über die Sündenliste der Seiten 41 bis 43 des Rechnungshofberichtes leicht hinweggehen könnte. Die Einschau des Rechnungshofes hat unter anderem folgende schwere Mißstände ergeben: Errichtung neuer Abteilungen, darunter eines Pressereferats, dessen Aufgaben in einer anderen Art mit bedeutend geringerem Aufwand besorgt werden könnten, zahlreiche und übermäßig hohe Remunerationen, Aushilfen und Zulagen, nicht gerechtfertigte Auszahlung von Trennnungsgeldern, die Leute bezogen, die gar keine „getrennte44 Wirtschaft führten, weil de unverheiratet waren, hohe Auslagen für eine Weihnachtsfeier, im Vergleich zu den Sätzen der Bundesangestellten bedeutend überhöhte Reisegebühren, Verwendung bewirtschafteter, für den Wiederaufbau von Betriebsanlagen freigegebener Baumaterialien und Arbeitskräfte für den Um- und Ausbau von Privatwohnungen, ungerechtfertigte Ausnützung der Vorzugsstellung als öffentliche Kasse bei der Währungsreform zugunsten einzelner ingestellter und die übermäßige Verwendung von Kraftwagen. Kaum erfreulicher ist das Bild, das die als Tochtergesellschaft der Tabakwerke konstituierte Einkaufsorganisation der österreichischen Tabakregie im Orient (EO) bietet. Die Überprüfung ergab, daß diese Einkauf sorganisation, „deren Aufaben organisatorisch auch von einer entsprechend ausgestatteten Abteilung der Tabakregie besorgt werden könnten, sich in einer nicht gerechtfertigten Weise als eigene Gesellschaft übermäßig ausgestaltete, obwohl sie durch einen Organschaf tvertrag mit der Austria Tabakwerke A.G. verbunden ist und lediglich als deren Beauftragte fungiert. Vier Direktoren und eine Reihe von Beamten mit höheren Bezügen stehen derzeit an der Spitze der Gesellschaft, an deren Stelle ein qualifizierter Abteilungsleiter mit entsprechendem Hilfspersonal genügen würde.14 Auch hier hat sich eine Reihe von Mißständen ergeben, Doppelzahlungen, Verstöße gegen das Währungsschutzgesetz, ungerechtfertigte, als Dienstreisen getarnte Privatreisen, Einkäufe von Privatautos, ja o- gar eine Reihe von Tatbeständen, die den Verdacht eines Derisenvergehens vermuten ließen. Der Rand würde uns überlaufen, wollten wir alle Beanstandungen auch nur in Stichworten vermerken. Das Entscheidende liegt aber nicht in diesen einzelnen Mißständen als vielmehr in der abschließenden Feststellung des Rechnungshofes, daß die Tabakwerke sich durch die Überführung in eine A. G. in einer ähnlichen Lage befinden wie die vom Staate übernommenen sonstigen Aktiengesellschaften. Die Verbindung von privatwirtschaftlichem Profitsystem und staatlich-bürokratischer Vorzugsstellung hat kier eine bastardige Form gezeitigt, welche es zustande bringt, die Nachteile beider Systeme zu vereinigen und durch die Verwischung der Grenzen zwischen beiden Welten ein Brutnest von Unzukömmlichkeiten und Mißständen zu bilden. Das Mindeste, das hier am Platze ist, enthält die Forderung des Rechnungshofes nach einer „Überwachung der Geschäftsgebarung in weit stärkerem Maße4.

Auf dem Gebiet des parteipolitischen Spieles haben die Amerikaner eine Reihe netter, farbiger Ausdrücke, vor allem auch für die Unarten dieses Spieles. Der Seeräuber aus druck „Filibuster44 für unsere eher trocken-bürokratische Bezeichnung der parlamentarischen Obstruktion und des Obstruktionsredners ist durch den eben siegreich beendeten Südstaaten- Filibuster im amerikanischen Senat auch dem europäischen Zeitungsleser bekanntgeworden. Ein anderer derartiger Ausdruck ist „Gerrymander44 für Wahlkreiskünsteleien, eine hybride Kreuzung aus dem Namen des längst vergessenen Eibridge Gerry, der 1813/14 Vizepräsident der USA war, und einem Salamander — weil ein von Gerry willkürlich abgegrenzter Wahlbezirk eine eigenartige reptilähnliche Gestalt auf wies. Die Tendenz, durch allerlei Kniffe in der Mandatsverteilung und Wahl- bezirksabgrenzung parteipolitische Vorteile zu erringen, ist auch hierzulande nicht unbekannt. So zum Beispiel, wenn eine zuvor von dem eigenen sozialistischen Innenminster vorgesehene Bevölkerungszählung zur Feststellung einer gerechten Mandatsverteilung unterbleiben soll, weil infolge der Bevölkerungsverschiebung bei der Feststellung der Ziffern einige Mandate einer Partei in Wien in der Luft hängen würden. Dabei schlängelt sich die juridische Beweisführung zur Begründung, warum angeblich die Zählung nicht stattfinden kann, um die Grundgesetze der Logik herum, gerade wie ein schwerfälliger Salamander sich mühsam zwischen Steinen seinen Weg sucht. Die deutsche Sprache hat keinen so schönen bildhaften Ausdruck wie die Amerikaner mit ihrem „Gerrymander44, Wir sagen einfach „Wahlgeometrie44.

Die tschechoslowakische Regierung hat in diplomatisch etwas ungwöhnlicher Form bei der österreichischen Regierung gegen eine Äußerung eines Ministers protestiert und auch über die „feindselige Haltung44 einzelner in Österreich erscheinender, von sudetendeutschen Heimatvertriebenen herausgegebenen Blätter Klage geführt. Jener Äußerung des Ministers lag namentlich die allgemein bekannte Tatsache zugrunde, daß die Tschechoslowakei in den Kriegsjahren die Waffenschmiede des Dritten Reiches war. Will man diese Kollaboration eines früheren Systems, die man nicht leugnen kann, heute in Prag entschuldigen oder mitverantworten? Daß die Sudetendeutschen auf diejenigen nicht gerade gut zu sprechen sind, die sie über Nacht vom Haus und Hof vertrieben und ihnen wahrlich viel Übles angetan haben, sollte die derzeitigen Machthaber in Prag kaum wundern. Diese Mißhandelten sind eben nicht gerade die geeignetsten Propagandisten für einen Staat. Soll ihnen in Österreich der Mund verbunden werden? Dafür besteht nicht einmal eine rechtliche Handhabe. Denn bei uns herrscht jene weitgehende Pressefreiheit, welche auch die Gesinnungsgenosssen der derzeitigen Prager Machthaber, die kommunistischen Blätter in Österreich, sogar gegen das eigene Land ausnützen dürfen, ohne Schicksale befürchten su müssen, die ihnen bei solchem Verhalten gegen den eigenen Staat in der tschechoslowakischen Volksdemokratie todsicher wären.

Matthias Rakosi, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Ungarns, hat nun endlich vor der Zentralleitung seiner Partei die „Hintergründe44 der „m anarchistischen Verschwörung44 durchleuchtet, derentwegen Kardinal Mindszenty ein Hochverräter war. Es ist eine lange Geschichte, die mit Otto von Habsburg im Jahre 1942 in den Vereinigten Staaten beginnt und bei dem berühmten, ganz Mitteleuropa samt Bayern umfasssenden „Katholischen Staatenbund44 unter Habsburg endet. Einen besseren als diesen politisch dilettantistischen Einfall hat die Phantasie der kommunistischen Ankläger bisher nicht hervor gebracht und so geistert dieser Unsinn auch in der Rede des Herrn Rakosi. Nur fand er diesmal einen besonderen Eideshelfer, den gewesenen ungarischen Generaloberst Ujszaszy, der 1942 als Mitglied einer militärischen Delegation unter Führung des damaligen, seither Hingerichteten Generalstabschefs Szombathelyi in Rom iveilte und jetzt Gefangener der Sowjets ist und Beweise liefert: Bei jenem Aufenthalt in Rom sei die Delegation auch vom Papst in Audienz empfangen worden, der ihr sein Bestreben ge- offenbart hatte, „eine geeinte katholische Monarchie im Donauraum zu errichten, die sich gegen die Sowjetunion wendet44. — Man muß sich die Situation vorstellen, wie der Papst, n seiner Vergangenheit ein Diplomat vornehmsten Schnittes, gleich vor einer ganzen Deputation seine Geheimnisse ausplaudert, um diesen heiterkeitserregenden Unsinn ganz vu genießen. Und an diesem nichtexistierenden Plan waren schließlich — billiger gibt es Herr Rakosi nicht — im weiteren Verlaufe der großen Verschwörung außer Kardinal Mindszenty noch drei Kardinale. Spellman, Faulhaber, Innitzer, und Erzbischof Rohracher von Salzburg beteiligt. — Es ist kein Wunder, daß in Ungarn Propagandaredner, die nach dem Mindszenty-Prozeß auf dem Lande erschienen und solche Sprüchlein gegen den Primas aufsagten, von der erbosten Menge mit Prügeln verjagt wurden.

Während die demokratischen Machte in Mitteleuropa sich mit Besatzungstruppen, Luftbrücken, Blockaden, Gegenblockaden, Demontagen und anderen eindrucksvollen Mitteln um die demokratische Erziehung der Eingeborenen bemühen, sind die Verhältnisse in Afrika viel weiter zur politischen Reife gediehen. Die Zeit der Besatzungsdemokratie ist dort bis auf einige kleinere Gebiete beendet. An der Spitze halten zur Zeit die Franzosen, seitdem sie 1946 den Einheimischen das volle französische Bürgerrecht verliehen ohne Rücksicht, ob die bisherigen Untertanen in das französische bürgerliche Recht auf genommen worden waren oder nicht. Man ist damit über das bis dahin wichtigste Hindernis zur Erlangung des französichen Bürgerstandes — die Vielweiberei — zur Tagesordnung übergegangen, und heute kann jeder vielbeweihte Neger seine gewichtige Stimme bei Wahlen zum Pariser Parlament abgeben. Augenblicklich sind über zwanzig schwarze Abgeordnete mit dem Wirken um das Wohl der französichen Union befaßt, aber man schätzt, daß alsbald die Zahl der schwarzen französischen Parlamentarier sich aus dem dunklen Erdteil erheblich vermehren dürfte. Ansonsten hat die restlose Demokratisierung der französischen Union nur gute Erfolge ergeben. Man verweist in Paris darauf, daß sich die Berber, Rifkabylen, Senegalesen usw. mit der Erringung der französischen Freiheit das Streben nach jeder anderen Freiheit ersparen, was die Sache der Freiheitsbewegungen wesentlich rationalisiert.

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