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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DER GRUSS DES NUNTIUS. Der Apostolische

Nuntius Erzbischof Giovanni Del lepia ne begrüßte als Doyen des Diplomatischen Korps den Österreich i sehen Bundespräsidenten anläßlich des Neujahrsempfanges mit einer Rede, die eine bedeutsame Anerkennung jes Weges unserer Regierung und unseres Volkes darstellt. „Oesterreich verfolgt seinen Weg ohne Abweichung und ohne Abenteuer... Oesterreich sieht aber zugleich hinaus über seine Grenzen, bereif, nach allen Richtungen hin Brücken zu schlagen, bereit zur Zusammenarbeit auf den Gebieten des Rechts, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens. Das ist der Weg, den Oesterreich gehtl „Die... glücklichen Eigenschaften des österreichischen Gemüts und des österreichischen Lebens haben ein eigenes Klima geschaffen, ein Klima, das internationalen Zusammenkünften überaus günstig ist... Es war nur völlig gerecht, daß diese Eigenschaften ehrenvolle Anerkennung fanden, wie sie ihnen durch die Zuerkennung des ,Praemium Erasmianum' an Oesterreich zuteil wurde. Dieser Preis erscheint uns als ein Zeichen und eine glückliche Vorbedeutung für die Rolle, die Oesterreich bei der Annäherung und bei der Zusammenarbeit der Völker spielen kann und spielen soll. Die Völker, alle Völker, fühlen immer mehr das Bedürfnis nach Verständigung und Verständnis, nach Eintracht und Einigkeit, nach Gerechtigkeit, Liebe und Frieden." — Diese Worte hoher Anerkennung bedeuten für uns eine Verpflichtung, unbeirrt und unverwirrf den Weg weiterzugehen, der seit dem Abschluß des Staatsvertrages beschritten wurde. Der Staatsbesuch des österreichischen Kanzlers in Japan, der — wie man hört — auch der Erörterung über den künftigen japanischen Friedensvertrag mit Rußland diente, liegt ganz aut dieser Linie.

DIE SCHLINGE. Der Verband der österreichischen Zeitungshörausgeber hat sich einmütig zu einem nicht alltäglichen Schritt entschlossen. In einer längeren Stellungnahme, die in den Tageszeitungen auch zumeist wiedergegeben wurde, drückt er sein Befremden über das mit dem Jahreswechsel in Kraft getretene Umsatzsteuergesetz 1959 aus. Und das mit gutem Recht: Jenes Gesetz befreit nämlich nach Oesterreich importierte ausländische Zeitungen und Zeitschriften von der Umsatzsteuer, die die österreichischen Zeitungen brav zahlen müssen. Ein „Steuerprivitegium" also — aber beileibe nicht für die seriöse österreichische Publizistik, die nach dem Verlust ihres traditionellen Auslandmarktes in den Nachfolgestaaten der Monarchie heute fast ausschließlich auf den verhältnismäßig kleinen Innenmarkt beschränkt ist und aus finanziellen Gründen den notwendigen großzügigen' Ausbau sich bis heute versagen mußte, der sie auf den internationalen Standard hätte wieder hinaufführen können. So wenig guß so wenig schön. Nun soll also endlich „gefördert" werden — aber beileibe nicht das österreichische Pressewesen, sondern seine finanzkräftige Konkurrenz jenseits der Grenzen. Dies muß nachdenklich stimmen. Aus mehr als einem Grunde. Es ist möalich, daß dieser oder iener Referent.

der den Gesetzentwurf behandelt hat, sich der Konsequenzen für das österreichische Zeitungswesen nicht klar war. Das ist schlimm. Noch schlimmer aber ist es, daß so ein Entwurf das Parlament, in dem doch einige Männer und Frauen sitzen, die einmal den Journalistenberuf ausübten, passieren konnte. Am schlimmsten aber wäre es, wenn hinter jener Maßnahme — sicher wird es abgeleugnet! — massive Interessen stehen, die einer eigenständigen österreichischen Journalistik höchstens den Rang von Talschaftboten und Vierfelzeitungen zubilligen. Zu schwarz gesehen? Möglich. Hoffentlich! Nur eine Schleunige Revision der einschlägigen Bestimmungen durch die Abgeordneten der beiden Regierungsparteien ist ein überzeugendes Gegenargument.

DIE ZUKUNFT DER AUA. In diesen Tagen wird um die Zukunft von Oesterreichs junger Luftverkehrsgesellschaft gewürfelt. Das Unternehmen hat in dem kurzen einen Jahr seines Bestehens sich zweifelsohne Sympathien beim in- und ausländischen Publikum erwerben können. Daß es daneben verschiedene Mängel in der Konstruktion gibt: wer möchte sie leugnen? Ganz zu schweigen von melancholischen Ueberlegungen, wo wir mit unserer zivilen Luftfahrt sein könnten, wenn wir uns den jahrelangen innenpolitischen „Luftkampf" zwischen einer der OeVP nahestehenden und einer von der SPOe geförderten Gesellschaft erspart und 1955 die Gelegenheit zum Start der rotweißroten Farben genützt hätten. Nun: Schwamm darüber. Aber wie weiter? Um vom Boden abzukommen, muß man die Motoren auf volle Touren gehen lassen ... In diesem Fall: Neben sehr vorsichtigen Verhandlungen bei der Wahl der ausländischen Partner wird sich ein Engagement des Bundes nicht vermeiden lassen. Es gibt keine europäische Fluggesellschaft, die anders ihre Arbeit begonnen hätte. Man kann eben nicht ernten, wenn einem das Saatgut zu teuer ist. „Einstel- lenl" Dieser Ratschlag kommt von der Salzach. Wenn man diesem volkswirtschaftlichen Konzept bis in die letzte Konsequenz folgt, müßte man mit vielleicht noch größerer Berechtigung! den Betrieb der Bundesbahnen einstellen oder dieselben an den Meistbietenden verkaufen.

EIN SCHUTZBUND FÜR VERBRECHENI In Bonn läuft zur Zeit ein Strafverfahren gegen zwei ehemalige Angehörige der SS, die angeklagt sind, sich an der Folterung und Ermordung von mehreren hundert Gefangenen im KZ Sachsenhausen beteiligt zu haben. Nicht allein innerhalb der bundesdeutschen Grenzen fragt man sich mit sehr verständlicher Sorge, was wohl die Ursache sein mag, daß solche Verbrecher erst jetzt, mehr als dreizehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, vor Gericht gestellt werden und nicht schon längst, zusammen mit allzu eifrigen Schergen des Hitler-Regimes, deren man habhaft werden konnte, der Strafe zugeführt worden sind. Der niedersächsische Justizminisfer hat auf diese Frage eine Antwort gegeben, die allerdings nichts weniger als beruhigend ist. Er erklärte, es ergäben sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Sammlung von Beweismaterial gegen verbrecherische Organe des verflossenen Regimes, wie zum Beispiel gegen die Aerzte, die KZ-lnsassen ais Versuchskaninchen für ihre unmenschlichen Eingriffe benützten, oder die SS- Männer, die Massenmord an den Gefangenen verübten. Die Sicherheifsbehörden hätten wenig unternommen, um die Tätigkeit der Nationalisten zu überprüfen, von denen manche einen verantwortungsvollen Posten in der Verwaltung innehaben; sie bildeten sozusagen einen Staat im Staate und seien in der Lage, durch direkte Sabotage oder durch Erpressung die gerichtliche Verfolgung von während des Dritten Reiches geschehenen Verbrechen zu unterbinden. Damit erklärt sich vieles; so auch der Umstand, daß eine, wie man glaubt, beträchtliche Zahl früherer PGs, die krimineller Delikte verdächtig sind, gehobene Stellen bei der Polizei und in der Justizverwaltung bekleiden.

DE GAULLE UND DEBRĖ AN DER MACHT. Bei der glanzvollen Uebergabe der Staatsmacht an das mit großen Vollmachten ausgesfatfete Amt des Präsidenten der 5. Republik im Elysėe-Palasf in Paris, sagte der scheidende Präsident Cofy zu de Gaulle: „Ich bin überzeugt, daß Frankreich diesmal, unter Ihrer Führung, Herr Präsident, den Sieg über sich selber erringen wird." De Gaulle appellierte darauf an „alle Franzosen, die unfer der Trikolore geboren wurden und für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einstehen", sich im Dienste der Nation zur Arbeit für Frankreich zusammenzufinden. Dann bestellte er (Jen gaullistischen Senator und bisherigen JüstiZrhinisfer Michel Debrė zum Ministerpräsidenten. De Gaulle schwebt offensichtlich eine Staatsführung vor, die, wie einst zu Zeiten Heinrichs IV., des großen Königs, die „beiden Frankreich" zusammenführen möchte. Damals waren es, durch Jahrhunderte hindurch, das Frankreich der „Liga", des militanten militärischen Blocks der Katholiken, und der Hugenotten. Seit der Revolution von 1789 stehen sich diese beiden Frankreich als das „rechte" und „linke" Frankreich gegenüber. De Gaulle ist von seiner Sendung, seiner Berufung überzeugt, die große Brücke über dem Abgrund in Frankreich zu sein. Es wird ebensosehr von seinen Anhängern wie von seinen Gegnern abhängen, ob er diese hohe Funktion wird erfüllen können.

SCHÜSSE IM KONGO. Fünfunddreißig Todesopfer, Eingeborene, wurden bei den Unruhen in der Hauptstadt des Belgischen Kongo, Lėo- poldville, gezählt. Belgien ist alarmiert. Sein Kongo galt bisher als eine riesige Insel des Friedens im afrikanischen Kontinent. Nun hat die Welle des afrikanischen Nationalismus offen auf den Kongo übergegriffen, und die belgische Presse beginnt, selbstkritisch die Ursachen zu untersuchen. Man weiß, daß man auf die Dauer mit Fallschirmjägern und Polizeitruppen, wie dieses erste Mal, die Lage nicht wird meistern können. Auch die belgische Kolonialverwaltung hat die Zeichen der Zeit vielfach nicht gesehen, wobei zu korrigieren ist: in ihr fehlte es nicht an klarblickenden Köpfen. Ihre Arbeit wurde aber durch retardierende Kräfte im Mutterland zunichte gemacht. Leider fällt hier auch auf einen gewissen Kantönligeist ein eigentümliches Licht. Nachdem der erste belgische Fachmann für den Kongo, der ehemalige Generalgouverneur Petition, im vergangenen Herbst als Kolonial- minister ausgebootef worden war, ließ sich sein Nachfolger, der zuvor Vizepräsident der flämischen Landwirtschaftsorganisafion „Boerenbond" gewesen war, unfer anderem dazu bewegen, Millionenbeträge für die Kolonien zum Zwecke der Errichtung von Lehrstühlen in flämischer Sprache an der neuen Staatsuniversitäf in Elisa- befhville auszuwerfen. Die junge afrikanische Intelligenz will aber etwas anderes: eine generelle Höherstellung, wie sie diese in der benachbarten „Republique Congo” am anderen Ufer des Kongostroms, in Brazzaville, sieht. Dazukommt, daß das System des Patronisierens, einst gewiß fortschrittlich, nicht mehr ausreicht, wie auch Spanier und Portugiesen bestätigen können. Belgien steht vor ernsten Entscheidungen. Die vielen Freunde Belqiens in der freien Welt und nicht zuletzt in Oesterreich hoffen, daß sie richtig und rechtzeitig getroffen werden.

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