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RANDBEMERKUNGEN zup Woche

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„JULIUS-RAAB-FONDS.“ Die weit beachtete Lösung der Form der künftigen Finanzierung der Volkspartei durch die Errichtung eines an den Namen des Kanzlers gebundenen Fonds hat sicher dazu beigetragen, die ressentimentgeladenen Diskussionen um die Aufbringung der Mittel, die nun jode Partei benötigt„ sachlich zu gestalten. Anderseits fragen sich nun die Juristen, welche juristische Konstruktion der „Julius-Raab-Fonds“ annehmen wird. Die Parteien in Oesterreich sind ohne Position in der Verfassung. Sie sind darüber hinaus formell nicht einmal ordnungsgemäß konstituiert wie etwa die Volkspartei selbst, die weder im Vereinsregister steht noch sonst eine formalrechfliche Konstitution hat. Wenn nun die Partei eine juristische „Unperson“ ist, wer ist dann der Träger des Fonds? Ist es ein Verein oder nimmt der Fonds den Charakter einer Art Stiftung an? Diese Dinge spielen sicher bei der Aufbringung der Mittel für den Fonds keine Rolle, anderseits gibt es aber Grenzsituafionen, die man vorwegnehmen mühte, um so mehr, als im Zusammenhang mit der Erzielung von Einkommen durch den Fonds eine Reihe abgabenrechtlicher Fragen entstehen, die man schon jetzt und nicht erst in der Siedehitze des nächsten Wahlkampfes lösen mühte.

DIE VORSCHLÄGE DER OSTERREICHISCHEN HOCHSCHULERSCHAFT zum Studium ausländischer Studenten in Oesterreich verdienen Beachtung. Da wird gefordert: Erweiterungsbauten, Einstellung von mehr Personal, Professoren, Assistenten, Bau von Studentenheimen und strenge Maßstäbe bei der Zulassung ausländischer Studenten (Deutschprüfung). Das ist gut und schön. Wenn aber von der Erfüllung dieser Forderungen die Zustimmung zur Werbung für österreichische Hochschulen im Ausland abhängig gemacht wird, dann erscheint uns das bedenklich. Jedermann weih, daß diese Forderungen nicht über Nacht erfüllt werden können. Wenn. nun auch nur einige Jahre ein Numerus clausus oder, wie verlangt, eine Nicht-

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Zulassung ausländischer Studenten in Oesterreich verfügt würde, müßte Oesterreich dadurch schweren politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, geistigen Schaden erleiden. Ohne Frage würden sich sofort die benachbarten Volksdemokratien bereit erklären, die nahöstlichen, persischen, griechischen, norwegischen und so weiter Studenten aufzunehmen, die bei uns in Graz, Wien, Innsbruck abgewiesen würden. Wenn also die Forderungen der österreichischen Hochschülerschaft richtig verstanden werden sollen, dann nur in eben diesem Sinne: Oesterreich muß trachten, durch zweiseitige Kulturabkommen von den Gastländern einen Beitrag für ihre Studenten in Oesterreich zu erlangen. Darüber hinaus liegt es in unserem Interesse, hier selbst tatkräftig mitzuhelfen. Vielleicht ist an eine Anleihe auf dem inneren Markt zu denken, zum Bau einer Hochschulstadt, die an sich ebenso wichtig ist wie der Ausbau unserer Straßen und unserer Kraffwirt-schaft.

DIE ZWEITE WELLE redlicher Bemühungen um das Zustandekommen einer freiwilligen Selbstkontrolle der österreichischen Filmwirtschaft ist nun abermals am Widerstand der amerikanischen Verleiher vorläufig gescheitert. Der Fachverband der Lichtspieltheater, der bekanntlich schon vor einigen Jahren den Plan einer Selbstkontrolle in allen Einzelheiten ausgearbeitet hat, aber schon damals damit nicht durchdringen konnte, hat nun im Fachverbandsausschuß eine Resolution beschlossen. Darin werden die beiden Argumente widerlegt, mit denen der wortführende amerikanische Verleih die österreichische Regierungsinitiative „entschärft“ hat. Es sei unrichtig, heißt es in der Erklärung der Kinobesitzer, daß die Selbstkontrolle durch Behördenvertreter überfremdet worden wäre, da eine solche Einflußnahme statutenmäßig gar nicht möglich gewesen wäre. Auch das Junktim der Selbstkontrolle mit der Frage der Jugendzulassung sei unhalfbar. Die Resolution schließt mit der Feststellung, daß die österreichischen Lichfspieltheaterbesitzer nach wie vor den Plan einer Selbstkontrolle begrüßen und durch den Vorstand ihres Fachverbandes den zuständigen Bundesbehörden neue Vorschläge erstatten werden. — Der Mut und die Nackensfeife der Kinobesifzer sind erfreulich. Wir wünschen ihnen weitere Ausdauer bis zum Enderfolg — gegen die höhere Diplomatie!

UM BERLIN. Man hat viel herumgerätselt, wie die sowjetischen Noten, welche Berlin betreffen, mit den eben erst gegebenen Erklärungen Chruschtschows über einen neuen sowjetischen Siebenjahresplan und eine 15jährige wirtschaftliche Rekonstruktion des Sowjetreiches zusammenhängen. In einigen Sätzen des Memorandums, das bekanntlich, ähnlich wie Danzig seinerzeit, Berlin zur Freien Stadt erhoben wissen will, sind Ansätze einer Erklärung. Es geht Rußland heute um ganz Deutschland. Sowjetrußland möchte das bedeutende wirtschaftliche Potential Westdeutschlands zur Erschließung seiner eigenen Domänen nützen, deshalb seine Parole: Erzeugt Maschinen für uns, nicht Kanonen für die Amerikaneri Und Rußland möchte als militärisches und politisches Vorfeld die DDR erhalten wissen und trifft sich hier — es ist ein Verdienst mutiger westdeutscher Politiker, dies ihrem Volke nunmehr offen zu sagen — mit den Wünschen, vielleicht auch Forderungen jener Staaten, die einst in der „Kleinen Entente“ vereinigt, zu schwach waren, der deutschen Expansion Widerstand zu leisten. Wobei das nicht dieser Entente angehörende Polen eine Sonderstellung einnimmt. Eben deshalb möchte die Sowjetunion, über und um Berlin, die „beiden deutschen Staaten“, da sie von beiden profitieren möchte, miteinander in Kontakt bringen. Was ihr auf die Dauer wahrscheinlich gelingen wird, vielleicht gerade über die USA, wo John Foster Dulles, sehr zum Erstaunen Bonns, bereits Erklärungen in diesem Sinne abgegeben hat. Wenn man dann einige Zeit mit Pankow als „Befehlsempfänger“ Moskaus verhandelt hat, wird man, so ist es Moskaus Meinung, eines Tages auch mif Pankow als Sitz der DDR ver-. handeln. Hier ist es nun für die Zukunft wichtig, daß die Westmächte endlich eine Politik der Fiktionen und Illusionen aufgeben und eine konkrete Ostraum-Konzeption präsentieren. Es wäre erfreulich, wenn der Westen den guten Rat eines altösterreichischen Konservativen, des Grafen Coudenhove-Calergie zur Kenntnis nähmen: Man kann heute nur dann der Sowjetunion entgegentreten, wenn man sie gleichzeitig als gleichberechtigte Partner anerkennt.

DIE PROPAGANDAKANONEN des Ostens wie des Westens entwickelten in der letzten Zeit einen so großen Schlachtenplan um die Causa Berlin, daß einige wesentliche Erklärungen über die wirtschaftliche Einigung Europas fast verlorengingen. Die Besprechungen in Bad Kreuznach zeigten, daß Frankreich innerhalb der Sechs auf allen Linien gesiegt hat. Deutschland steht nun bedingungslos neben seinem westlichen Nachbarn. Wurde da nicht ein kleiner Kuhhandel durchgeführt? Frankreich unterstützt den deutschen Standpunkt über Berlin, Deutschland den Frankreichs über die europäische Integration ... Geflissentlich wurde von Adenauer und de Gaulle das Wort Freihandelszone vermieden, Man sprach nur von einer „Assoziation“ der übrigen elf OEEC-Staaten an die EWG. Das heißt, daß der englische Plan einer Freihandelszone to? ist. So wird es auch kaum zu einer Grundsatzerklärung im Sinne einer Freihandelszone kommen. Derzeit reist Prof. Hallstein, Präsident der EWG-Kommission, in der Sache europäische Integration im Sinne der EWG (lies Frankreichs) von einer Hauptstadt der Sechs zur anderen, um die Zustimmung aller zu dem Ergebnis der Besprechungen von Bad Kreuznach zu erlangen. Ist dann das Uebereinkommen Adenauer - de Gaulle mit dem Segen der übrigen EWG-Partner versehen, und sind die ersten Diskriminierungsfolgen verhindert, wird man die übrigen OEEC-Staaten zu einem bilateralen Beitritt oder einer bilateralen Assoziierung zum EVG überreden. Vorerst dürfte also eine Spaltung Europas verhindert worden sein. Kein Grund zum Jubel I Denn ein größeres Europa kann nicht durch Uebergangslösungen geschaffen werden.

MOSKAUS NEUER WIRTSCHAFTSKURS, Das

Zentralkomitee der KPdSU hat Chruschtschows Direktiven für einen neuen, wirtschaftlichen Siebenjahresplan und seine Pläne für die Wirfschaft der nächsten 15 Jahre gebilligt. In den nächsten Monaten soll das umfangreiche Programmwerk von der Oeffentlicbkeit diskutiert und im Jänner 1959 vom XXI. Sonderkongreß der KPdSU gebilligt werden. Der neue Plan bedeutet nach Chruschtschow „ein konkretes Angebot an die kapitalistische Welt, auf friedlichem Wirtschaftsgebiet miteinander zu wetteifern“. Die Sowjetunion soll an die erste Stelle in der Gesamtproduktion der Welt und in der Produktion pro Kopf der Bevölkerung aufrücken. Moskau will den Kampf um den höheren Lebensstandard aufnehmen und gewinnen. Der riesige Raum zwischen Amur und Bug soll für die „erwachenden Völker“ ein Schau-Raum werden, ein irdisches Paradies in der Aufbereitung aller Schätze dieser Erde. Innenpolitisch soll die immer noch mächtige Gruppe der Stalinisten, der „Konservativen“ endgültig an die Wand gespielt werden. Beachtung hat in diesem Sinne die Nennung Bulganins als Mitglied der staatsfeindlichen Gruppe um Molotow und das Schweigen über die Aktivität Molotows im Fernen Osten durch Moskau gefunden. Peking stellt immer offener Molotows Verdienste heraus, hat seine Rede zum Jahrestag der Oktoberrevolution in der äußeren Mongolei verbreitet, während Moskau sie verschwieg. Da zeigen sich die drei Stoßrichtungen des neuen Planes Chruschtschows deutlich: sie sind gegen Pekings „Kriegskommunismus“, gegen die innenpolitischen Feind und zuletzt gegen die USA, als Wink mit dem Zaunpfahl, gerichtet.

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