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Wenn man das Mißtrauen berücksichtigt, das den Engländer mit gewisser Berechtigung bei Begriffen wie „Kulturpropaganda“ und „Kulturpolitik“, ja selbst bei dem mit Vorsicht gebrauchten Wort „culture" bewegt, dürfen die bisherigen Leistungen des österreichischen Kulturinstituts in London als erfolgreich bezeichnet werden. Es fehlt dem Inselvolk jeglicher Respekt für staatlich geförderte Kulturarbeit, aber die Bereitschaft, zu sehen und zu hören, was das Ausland zu bieten hat, ist da. Es gilt, diese Bereitschaft zu nützen, bestehende Interessen zu befriedigen und neue zu erwecken, soweit dies im Bereich der eigenen Möglichkeiten liegt.

Die Erkenntnis der begrenzten Möglichkeiten ist der Anfang aller Weisheit. Da ist einmal die Sprachschwierigkeit, die von vornherein vieles ausschließt, was das österreichische Kulturgut bieten könnte (umgekehrt ist der Britische Council in Wien in der glücklichen Lage, bei seinem sprachkundigeren Publikum keine derartige Rücksicht üben zu müssen). An in London Vortragende Gäste aus Oesterreich werden daher besondere sprachliche Anforderungen gestellt, denen diese bisher gut nachgekommen sind. Trotz der günstigen Lage des Kulturinstituts im westlichen Zentrum Londons ergibt sich zum Zeitpunkt der Veranstaltungen ein weiteres Problem. Vorträge in Akademikerkreisen finden hier gewöhnlich in den frühen Abendstunden statt, weil die großen Entfernungen zwischen Arbeits- und Wohnplatz es einem häufig verbieten, spät am Abend noch einmal in die Stadt zu fahren. Da ist es dann besonders willkommen, zu wissen, daß eine Einladung zu einem österreichischen Abend ein gastfreundlich gereichtes Glas heimischen Weines und andere Leckerbissen mit einschließt, und Gelegenheit bietet, mit den Vortragenden oder Künstlern in näheren Kontakt zu kommen.

Das Publikum des Kulturinstituts wechselt verständlicherweise mit den verschiedenen kulturellen Gebieten, die dort geboten werden. Es ist einer der Verdienste des Direktors Doktor Heinz R i t s c h 1, prominente Vertreter des englischen Geisteslebens zu ständigen Freunden und Besuchern gewonnen zu haben. Auch die österreichische Kolonie in London und einige der hier seßhaft gewordenen, aber mit ihrem Geburtsland weiter innerlich verbuhdenen ehemaligen Emigranten finden in den schönen Räumlichkeiten am Rutland Gate willkommene Verbindung mit der Heimat. Einer Breitenwirkung in die englische Oeffentlichkeit steht leider die Zahl der verfügbaren Sitzplätze — etwa hundert im Vortragsraum, mit der Möglichkeit einer Lautsprecherübertragung in die Bibliothek — im Wege. Es sollte jedoch möglich sein, die Existenz des Instituts und seine Vermittlungsdienste in weiteren Kreisen, zum Beispiel bei Deutschlehrern hiesiger Schulen und Lehrstätten, bekannt zu machen. Wenn daher die Beschränkung auf die Prominenz, sowohl bei den österreichischen Vortragenden als auch bei den eingeladenen Gästen, in gewisser Weise begründet ist, sollte anderseits nicht vergessen werden, daß man in England in allen Lebensgebieten mehr von unten nach oben als umgekehrt von der Autorität her nach unten zu arbeiten gewohnt ist. Ueberdies wird in der Psychologie dieses Landes dem immer strebend sich Bemühenden keineswegs die Wertschätzung zuteil, die er in Landen deutscher Zunge genießt. Letzten Endes können dem österreichischen Kulturinstitut in London erst die lanjährige Ansässigkeit, das hartnäckige Ausharren, die ständige Wiederholung dessen, was es zu sagen hat, und die Meisterung des umständlichen, hiesigen Vorgangs des gegenseitigen Kennenlernens (der dann allerdings mit um so dauernderer Freundschaft belohnt wird) jenen Platz im kulturellen

Leben i-ichern, den das französische und das italienische Kulturinstitut bereits einnehmen.

Der Schwierigkeit, an die Engländer heranzukommen, steht die Frage nach dem Was und Wie der eigenen Veranstaltungen keineswegs nach. Nur der österreichischen Musik sind keine Beschränkungen auferlegt. So fanden Anfang dieses Jahres die Gastkonzerte der Wiener

Sängerknaben und des Wiener Oktetts den tiefen Widerhall, der solchen Spitzenleistungen stets sicher sein wird. Ein Liederabend Norman

Fosters, von der Wiener Oper, der Ende März stattfand, erntete diesem besonders im leichteren Lied von Schubert und Richard

Strauß hervorragenden Sänger starken Beifall. Die österreichische Malerei und Graphik sind leider bisher wenig zur Geltung gekommen, gerade auf diesen Gebieten macht sich vielleicht die Schwerfälligkeit der bürokratischen und ministeriellen Lenkung der Kulturinstitute bemerkbar, von der man wohl auch nicht' die Initiative und intime Kenntnis der Sache erwarten darf, die etwa bei der Planung und Zusammenstellung repräsentativer Ausstellungen im Ausland notwendig sind. Das große Interesse, das. jedoch im vergangenen November ein ausgezeichneter Lichtbildvortrag von Dr. Hermann F i 11 i t z über die Weltliche Schatzkammer erweckte, sollte wenigstens einer weiteren Nützung und technischen Verbesserung des Lichtbildes als Grundlage von Vorträgen über österreichische Kulturstätten dienen. Auch die Beliebtheit erstklassiger Kulturfilme, die im eigenen Hause vorgeführt oder an Universitäten, Schulen und Klubs verliehen werden können, wurde bislang noch ungenügend erkannt.

Es ist dem Direktor des Kulturinstituts gelungen, gute Beziehungen zu den englischen Universitäten anzuknüpfen und es zum Beispiel zu erreichen, daß die Universitäten von Cambridge, Cardiff, London, Aberystwyth und Durham in Zukunft mehrere Arbeitsplätze für Deutsch- Lektoren zur Verfügung stellen werden, die es jetzt mit entsprechend qualifizierten Bewerbern aus Oesterreich zu besetzen gilt. Neue Möglichkeiten des Studentenaustausches sind mit der Universität Durham angebahnt worden. Auch einen erhöhten Professorenaustausch mit besonderer Berücksichtigung des wissenschaftlichen Nachwuchses sucht das Institut zu fördern. Sechzehn englische Universitätsbibliotheken haben heute jeden Anlaß, der österreichischen Regierung für Buchspenden, die großzügig und notwendig waren, zu Dank verpflichtet zu sein. Die Ueberreichung erfolgte durch das Kultur- institut.

Den in England arbeitenden österreichischen Stipendiaten bietet diese Stelle öfter Gelegenheit zu gemütlichem Beisammensein und zum Kennenlernen englischer Kollegen. So waren vor kurzem die jungen Amateurschauspieler des Londoner King’s College, die Schnitzlers „Liebelei“ aufgeführt hatten, zu einem solchen Abend eingeladen, bei dem die in London lebende Schriftstellerin Nora Wydenbruck einige ihrer mit tiefem Sprachgefühl verfaßten Uebersetzungen der Gedichte von Felix Braun und T. S. Eliot vorlas. Mit der im Hause befindlichen Bibliothek von etwa 4000 Bänden ist eine ansehnliche Grundlage von literarischen und historischen Werken gelegt worden, die ausbaufähig ist und deren Existenz den interessierten Kreisen allmählich bekannt werden dürfte.

Oesterreich ist ein kleines Land mit einer großen Vergangenheit. Das Londoner Kulturinstitut versucht, dieser Vergangenheit und der österreichischen Gegenwart Rechnung zu tragen.

Es fehlen die Mittel, mit dem großen Aufwand der deutschen Kulturarbeit im Ausland konkur» rieren zu können, aber gerade solche Bemühungen haben nicht immer den gewünschten Erfolg. Oesterreich erfreut sich jedenfalls einer allgemeinen Sympathie in England, um die die Bundesrepublik noch kämpfen muß. Was auch immer einem englischen Publikum geboten werden kann — nichts ist so Wichtig äte daß £s in einem echt österreichischen» Gewasdi, geboten wird, und mit den Merkmalen wahrer Kultur, mit Bescheidenheit und Stolz. Der Persönlichkeit des Direktors eines solchen KulturinstitutJ, der absoluten Notwendigkeit seines kulturellen Verständnisses und seiner Begeisterungsfähigkeit kommen daher ausschlaggebende Bedeutung zu.

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