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Österreichs Kultur-Schaltstellen im Osten

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Hartnäckig hält sich ein Vorurteil, das besagt, Österreichs Kulturinstitute im Ausland seien nicht sonderlich effizient, seien Einrichtungen zur Vermittlung von altmodischem Kunstgenuß in 'der Atmosphäre gemütlichen Beisammenseins. Wer aber das Programm des „Budapesti Osz-träk Kulturälis Intezet" der letzten Monate überblickt, wird eines Besseren belehrt.

Da finden sich Vorträge von Dieter Bogner über das Museumsquartier, von Peter Baum über die Kunst der Zeichnung in Österreich, ein Symposion über Mozart in Ungarn, ein anderes über Franz Molnär, ein drittes gar zum österreichischen Strukturfilm von 1955 bis heute mit Streifen unter anderem von Marc Adrian und Döra Maurer, Peter Tscherkassky, Linda Christanell und Mara Mattuschka.

Als absolutes Top-Ereignis, gemessen an den Möglichkeiten eines Kulturinstituts, springt ein zeitgenössischer Theaterschwerpunkt ins Auge. „Wir haben", erzählt Institutsleiterin Gertrude Kothanek, „gemeinsam mit hiesigen relativ jungen Autoren wie Läszlo Marton einige Stücke zur Übersetzung ausgewählt, und einige Theater waren bereit, diese auf ihren Studiobühnen in szenischer Lesung herauszubringen."

Es gastierte weiters das Jura Soy-fer-Theater mit H. C. Artmanns „Kein Pfeffer für Czermak" und der Schauspieler Johannes Pump mit „Am Magnetberg" von Klaus Hoffer. Weiters zeigte man Fernsehaufzeichnungen österreichischer Autoren, ließ ein Hörspiel von Lotte Ingrisch öffentlich aufnehmen und etwa zehn weitere aus den Archiven vorspielen, und zwar solche, von denen Fassungen in deutscher und ungarischer Sprache existieren.

Liegt also der Schwerpunkt - gemäß dem erklärten Auftrag der Kulturinstitute - im zwanzigsten Jahrhundert, so kommen auch konservativere Österreich-Freunde durchaus auf ihre Rechnung, meint Gerlinde Peter (die im April 1991 als dringend nötige Verstärkung für Gertrude Kothanek ans Kulturinstitut nach Budapest kam). Zuletzt war dies bei einer Filmwoche mit Hans Moser-Videos der Fall. Oder bei den im Mozart-Jahr mehr denn je beliebten Konzerten. „Als wirdas Mozarteum-Quartett hier hatten, mußten wirden Saal eine Viertelstunde vor Beginn wegen Überfüllung schließen." (Kothanek)

Dieser faßt leider nur rund hundert Leute, und auch sonst herrscht Platznot in diesem Trakt der Botschaftsvilla in der Benczür utca, inmitten der leicht angegrauten Eleganz eines Cot-tageviertels nahe dem Budapester Stadtwäldchen. In der mit Austriaca und österreichischer Literatur gut bestückten Bibliothek ist sogar der Lichtschalter mit Büchern verstellt.

Autorenlesungen sind in der Regel schlechter besucht als Konzerte. „Da merken wir, daß es Sprachprobleme gibt. Wir sind natürlich jetzt bestrebt, den Trend zu vermehrtem Deutschunterricht zu nützen. So haben wir in Ungarn insgesamt 43 österreichische Lektoren an Universitäten und Hochschulen plaziert." (Kothanek)

Ganz wie ihre Kollegen in Prag. Bratislava und anderswo müssen die Mitarbeiter des Kulturinstituts sowohl diese Aktion mit dem Gastland koordinieren als auch die Lektoren betreuen, ferner die Auswahl der Österreich-Stipendiaten aus dem Osten besorgen. Eine aufwendige Arbeit.

Nicht nur auf diesem Gebiet haben unsere Kultur-Diplomaten in den Ostländern seit dem Umbruch alle Hände voll zu tun -Österreichs Kunst „boomt", und zwar ganz besonders in der Tschecho-Slowakei.

Der Prager Kulturabteilung gelang es letzten Herbst, zu einer Werkschau der in Nigeria lebenden und schaffenden österreichischen Malerin und Textilkünstlerin Susanne Wenger zirka 13.000 Besucher, viermal so viel wie üblich, in die renommierte „Mittelböhmische Galerie" in der Prager Altstadt zu locken.

Im übrigen ereigneten sich die jüngsten spektakulären Erfolge des Prager Teams Valentin Inzko - Christine Dollinger - Jitka Jilkova ähnlich wie in Budapest auf der Bühne: Im Ständetheater läuft Taboris „Weismann und Rotgesicht", im Theater Labyrinth (dem ehemaligen Realistischen Theater) „Mein Kampf, und das zum Ständetheater gehörige neue Kolow-rat divadlo wurde sogar mit Felix Mitterers „Besuchszeit" eröffnet. In tschechischer Sprache selbstverständlich.

Für Christine Dollimger „ist es vorrangig, daß unser Kulturgut in der jeweiligen Landessprache gebracht wird, sodaß es wirklich Teil des kulturellen Bewußtseins des Gastlandes werden kann." Als das Klagenfurter Ensemble gastierte, fielen freilich die Sprachbarrieren weg, denn Walter Müllers „Sprechprobe" ist für Hörende wie Gehörlöse geschrieben, und Letztere verständigen sich mittels Zeichensprachen ja international.

Wie alle Kulturabteilungen kümmert sich diese nicht nur um Projekte, für die sie allein verantwortlich zeichnet, sondern tritt auch als universelle Kultur-Schaltstelle zwischen beiden Ländern und Mitveranstalter in verschiedenen Varianten auf. „Das kann auch nur darin bestehen, daß wir Einladungen ausschicken, aber unsere Adressenkartei ist natürlich Gold wert", verrät Valentin Inzko.

Für einen eigenen Veranstaltungsraum ist in der Botschaft kein Platz. Das hat auch seine guten Seiten, so läuft man jedenfalls nicht Gefahr, im Kulturinstituts-Ghetto übersehen zu werden. (In Budapest geht man ähnliche Wege, nicht nur in Sachen Theater, sondern etwa auch mit Konzerten im Bartök-Haus oder im Liszt-Mu-seum.)

In ein paar Jahren werden Inzko und seine Mitstreiterinnen aber doch Gastgeber im eigenen Heim sein können: Inder ehemaligen k. k. Böhmischen Statthalterei nächst dem Kleinseitner Platz soll ein Österreich-Haus entstehen. Die Kulturabteilung, die der Größe nach eigentlich schon ein Kulturinstitut ist, soll dann auch nominell in ein solches umgewandelt werden.

Die slowakische Republik wird dagegen von einer einzigen hochaktiven Dame betreut: Stella Avallone leistet seit November 1990 als erste Kulturreferentin am Preßburger Generalkonsulat Pionierarbeit. Ihr besonderer Einsatz gilt einerseits jungen vielversprechenden Talenten aus Österreich, die sich durch eine solche Einladung zwar keine goldene Nase verdienen können (die Kulturdiplomatie ist nicht schlecht dotiert, aber auch nicht reich genug für hohe Gagen), dafür aber einen Pluspunkt im Curriculum vitae, „denn es ist sicher immer eine Empfehlung, sagen zu können, man ist von einer Kulturabteilung vorgestellt worden".

Andererseits sucht sie sich ihre Partner für Veranstaltungen sehr oft abseits von Preßburg, vor allem in der Ostslowakei: „Die Provinz ist der beste Boden, dort sind die Leute nicht so mit Kultur überfüttert", dort würden schier unglaubliche Besucherzahlen erzielt.

In Ungarn verhält sich's nicht anders: Zur „Magnetberg"-Vorstellung in Nyiregyhaza, einer mittleren Provinzstadt in Nordost-Ungarn, kamen sage und schreibe 257 Zuschauer. Ein Erfolg, der an vergleichbaren Spielorten in Österreich keineswegs selbstverständlich ist.

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