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Keine Sorge, Herr Sorge!

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Der Artikel „Diplomatie ohne Degen” von Alfred Sorge sowie die fünfjährige Existenz des selbständigen Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten bieten mir eine willkommene Gelegenheit, in Ihrem von mir so geschätzten Organ zu Fragen der Organisation des auswärtigen Dienstes in durchaus unpolemischer Absicht Stellung zu nehmen.

Es ist nicht richtig, daß erst in der Zeit meiner Tätigkeit als Staatssekretär Leute, die sich zum demokratischen Sozialimus bekennen, im Außenministerium Aufnahme gefunden haben. Seit der Wiedererrichtung der Republik im April 1945 ist der Außendienst von einigen vom damaligen Bundespräsidenten Dr. Renner und vom damaligen Vizekanzler Dr. Schärf vorgeschlagenen Männern, die sich seit ihrer frühesten Jugend der sozialistischen Bewegung verbunden fühlen, mit aufgebaut worden. Ich selbst bin nach ausdrücklicher Aufforderung durch Bundespräsident Dr. Renner und Vizekanzler Dr. Schärf in den Außendienst eingetreten. Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier Namen zu nennen, weil das politische Bekenntnis eines Beamten seine höchst persönliche Angelegenheit ist.

Aus der Erwägung heraus, daß die Republik einen hochqualifizierten Stab an Beamten braucht, habe ich, wie in dem oben zitierten Artikel festgestellt wird, seinerzeit den damaligen Bundesminister Ing. Figl für die Verwirklichung eines Prüfungssystems gewonnen, und ich will gerne feststellen, daß Ing. Figl bald seine Zustimmung gab.

Geld und Qualität

Ein solches Prüfungssystem hat aber nur Sinn, wenn zwei Grundsätze strengstens beobachtet werden, nämlich erstens der der vollsten Objektivität und zweitens, daß tatsächlich nur die Bewerber aufge- nommen • werden, die- besten -’qualifiziert sind. Das schafft Rekrutierungsschwierigkeiten; ein Grund mehr, - -warum ich mit- solcher - Insi- stenz für die Wiedererrichtung einer Diplomatischen Akademie eingetreten bin, die demnächst ihre Tore öffnen wird. Meines Wissens ist das österreichische Außenministerium das einzige oder gehört jedenfalls zu den ganz wenigen, denen eine solche Akademie angegliedert ist.

In Hinkunft wird es daher besser als bisher möglich sein, aus einer Reihe von qualifizierten potentiellen Bewerbern die wirklich bestqualifizierten auszusuchen.

Daß es heute in Afrika und in Asien nicht mehr diplomatische Vertretungen Österreichs gibt, ist nicht nur auf die schwierige budgetäre Situation des Ministeriums zurückzuführen. Ich muß offen bekennen, daß ich bei den Finanzministern Dr. Kamitz, Dr. Heilingsetzer und Dr. Korinek eigentlich immer absolutes Verständnis und relative Großzügigkeit gefunden habe. Andere Gründe sind gleichfalls von Bedeutung: echter Personalmangel, denn nach Afrika und Asien muß man jüngere und gesunde Menschen entsenden, die das Klima vertragen. r Außerdem .„muß im and wie Österreich sehr vorsichtig planen, was um so eher möglich ist, als wir in allen Staaten, mit, -wir diplomatische Beziehungen unterhalten, ausgezeichnet arbeitende Honorarkonsuln haben. Zu den besten gehören die Außenhandelsstellenleiter der Bundeswirtschaftskammer.

Wir müssen sparsam sein, und deshalb haben wir sehr bald d’ie Bedeutung guter Honorarkonsuln erkannt, und so möchte ich von einer zweiten Aktion berichten, die zahlreiche Außenministerien von uns übernommen haben, nämlich die l’egelmäßig wiederkehrenden Wiener Informationskonferenzen für Honorarkonsuln aus der ganzen Welt.

Die erste derartige Tagung fand bereits im Jahre 1960 statt, also ein Jahr nach der Errichtung eines selbständigen Außenministeriums. Der Gedanke fand unter den Honorarkonsuln sofort Anklang, so daß an der dritten Tagung, die im vergangenen Frühjahr stattfand, mehr als 60 Konsuln teilnahmen.

schaft errichten. Was den Maghreb betrifft, so besitzen wir in Marokko sine diplomatische Vertretung, während wir bezüglich Algeriens und Tunesiens die Situation gegenwärtig sehr gründlich studieren. Es wird also in Afrika Ende 1965 acht Vertretungsbehörden geben.

Was Asien betrifft, so hat Alfred Sorge in seinem Artikel einen der wichtigsten Posten, das effektive Generalkonsulat Hongkong, vergessen. Es ist deshalb wichtig, weil Hongkong und das Hinterland wirtschaftlich große Bedeutung haben und weil es ein wichtiger Beobachtungsposten für die Entwicklung in China ist. Ende 1965 wird es aber auch in Asien nach unserer Planung zwei bis drei weitere Vertretungsbehörden geben.

Was Lateinamerika betrifft, wird in den nächsten Wochen die Vertretungsbehörde in Venezuela errichtet werden, deren Aufgabe es nicht nur sein wird, die Beziehungen mit diesem wirtschaftlich wichtigen und politisch interessanten Land zu intensivieren, sondern darüber hinaus die Intensivierung unserer Beziehungen mit dem karibischen Raum vorzubereiten.

Es schiene mir doch sehr leichtfertig, österreichische Steuergelder aus einem falschen Präsenz- und Prestigebedürfnis dazu zu verwenden, um in sehr kleinen oder geteilten Staaten Vertretungsbehörden zu errichten.

Man kann siich nicht einfach Schweden und die Schweiz in diesen Fragen zum Vorbild nehmen, denn Schweden, eine seefahrende Nation, hat vollkommen andere Probleme und ein kapitalexportierendes Land wie die Schweiz auch.

Natürlich bin ich dafür, daß der Außendienst mehr Geld zur Verfügung hat, aber ich bin ebenso dafür, daß der österreichischen Öffentlichkeit das beruhigende Gefühl gegeben wird, daß im Ausland nur jene Aktivität entfaltet wird, die sich durch den Effekt, den sie bringt, verantworten läßt.

Korrektur eines Bildes

Die Darstellung über die Tätigkeit der politischen Sektion in Ihrem Blatt ist deshalb unzutreffend, weil ja niicht die Beamten dieser Sektion allein sich mit den Problemen der verschiedenen Regionen der Welt beschäftigen. Es besteht hier eine sehr intensive Arbeitsgemeinschaft zwischen den in diesen Ländern wirkenden Diplomaten und den Beamten in der Zentrale. Es ist also niicht richtig wenn gesagt wird, daß sich mit der östlichen Welt drei Beamte beschäftigen; es sind vier und zu ihnen kommen mindestens die an den Vertretungsbehörden in Osteuropa tätigen 15 Diplomaten. Das korrigiert das Bild sehr wesentlich, aber noch wesentlicher wird es verändert, wenn man weiß, daß sich mit osteuropäischen Problemen auch andere Sektionen und Abteilungen des Außenministeriums wie etwa die wirtschaftspolitische Sektion, die juristische Sektion, die Informations- und Kulturabteilungen zu befassen haben. Ich bin weit davon entfernt, aus Selbstgefälligkeit jegliche Kritik abzulehnen. Wir würden in der Zentrale gern mehr Leute haben und auch draußen. Gerechterweise muß ich feststellen: es fehlt uns nicht nur das Geld, sondern es fehlen auch die qualifizierten Kräfte. Übrigens: trotz dieser Schwierigkeiten war es der österreichische Außendienst, der als erster die Entwicklung im. Ostblock registriert hat, und ich war in der glücklichen Lage, zahlreiche meiner Kollegen in anderen Staaten auf die neue Entwicklung aufmerksam machen zu können.

Früchte, die reifen

Vielleicht wird ein Blick auf meine Reisetätigkeit, die mir manchen Orts den Vorwurf der Ostanfälligkeit eingetragen hat, zeigen, wie sehr wir Entwicklungen vorweggenommen haben. Der österreichische Außenminister war unter anderen der erste westliche Außenminister in Bukarest, und wenn einmal, wie zu hoffen ist, die Tragödie Mindszentys zu einem für beide Teile einigermaßen erträglichen Ende gebracht werden kann und die Geschichte dieses so traurigen Kapitels geschrieben werden wird, dann wird darin auch Österreich seinen Platz haben.

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