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Wer verhält sich hier eigentlich illoyal?

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Ein kurzes Gastspiel absolvierte der erste Botschafter der Slowakischen Republik, Rudolf Filkus, in Österreich. Weil er seiner Regierung die Wahrheit sagte, mußte er gehen. Vorige Woche resignierte er, um seinen Präsidenten nicht in Verlegenheit zu bringen. Im Gespräch mit der FURCHE rechnet er jedoch mit der Politik Meöiars deutlich ab.

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Ein kurzes Gastspiel absolvierte der erste Botschafter der Slowakischen Republik, Rudolf Filkus, in Österreich. Weil er seiner Regierung die Wahrheit sagte, mußte er gehen. Vorige Woche resignierte er, um seinen Präsidenten nicht in Verlegenheit zu bringen. Im Gespräch mit der FURCHE rechnet er jedoch mit der Politik Meöiars deutlich ab.

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FURCHE: Kaum hier in Wien, müssen Sie schon wieder gehen. Was sind die Hintergründe Ihrer Resignation als erster Slowakischer Botschafter in Osterreich?

BOTSCHAFTER RUDOLF FILKUS: Das Spezifische an unserem Gespräch ist die Tatsache, daß es ein Vorstellungs- und ein Abschiedsgespräch zugleich ist. Das hat es in der Geschichte der österreichischen Diplomatie noch nie gegeben. Ich habe mich darüber informiert. Kein Botschafter hat je nach etwas mehr als 100 Tagen schon abtreten müssen.

FURCHE: Wollen Sie über die Gründe sprechen?

FILKUS: Man kann und muß darüber sprechen. Man hat mir illoyales Verhalten gegenüber der Regierung der Slowakischen Republik vorgeworfen. Dies deswegen, weil ich in zwei - inkriminierten - Interviews für „Narodna obroda" und „Pravda" die Slowakei und ihre Regierung darauf aufmerksam gemacht habe, daß österreichische Politiker, die unsere Aufnahme in den Europarat sehr befürwortet und uns dabei entscheidend geholfen haben, mittlerweile der Meinung sind, daß wir die dabei übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen.

Daraufhin hat unser Premier Vladimir Meöiar der Regierung vorgeschlagen, mich sofort aus Wien abzuberufen. Die Beratungen der entscheidenden Regierungssitzung waren wenige Minuten danach schon im Rundfunk und in anderen Massenmedien -obwohl unsere Verfasung vorsieht, daß nur der Präsident einen Botschafter ernennen und abberufen kann. Ich selbst habe einige Signale darüber von der österreichischen Presseagentur APA bekommen.

Niemand hat mir offiziell gesagt, worum es geht.

FURCHE: Was wollten Sie denn mit Ihren Äußerungen in den beiden Zeitungen erreichen?

FILKUS: Bleiben wir beim Begriff Loyalität. Ist das wirklich loyal, wenn unsere Regierung oder die Parlamentarier vor unserem Eintritt in den Europarat einige Versprechungen machten - wir haben diesbezüglich Bedingungen zum Beispiel in der Minderheitenfrage akzeptiert - und diese dann nicht erfüllen? Als Botschafter habe ich mit allen entscheidenden Abgeordneten Österreichs gesprochen; ich kann auch die Namen nennen: Schwimmer, Schieder und König. Sie wollten der Slowakei helfen und sie haben uns auch geholfen, neben Außenminister Mock waren das die wichtigsten Befürworter unserer Aufnahme in den Europarat. Ich habe mich nachher auch bei diesen Persönlichkeiten bedankt, weil das wirklich eine enorme Hilfe für uns war.Wenige Tage nach der Aufnahme in den Europarat haben diese Abgeordneten aber schon eine andere Meinung über die Slowakei gehabt. Besonders betroffen waren sie darüber, wie Meöiar mit dem Gesetz über Namen und Ortstafeln umging. Er hat es einfach wieder ans Parlament zurückgewiesen. Ich weiß, wir haben zur Erfüllung unserer Versprechungen noch sechs Monate Zeit. Aber das Signal an Europa war verheerend: denn gerade in dieser Etappe erwartet man von uns, daß wir unsere Versprechungen einhalten. Das habe ich gesagt.

Und deswegen sollte ich illoyal sein? Unsere Regierung war illoyal gegenüber dem Europarat.

FURCHE: Nach dem Fall der kommunistischen Regime ab 1989 hat es in Österreich frischen Wind in den Auslandsvertretungen der Warschauer-Pakt-Staaten gegeben. Viele Botschafteragieren unkonventionell und freimütig.

FILKUS: Das ist doch gut, wenn ein Botschafter seiner Regierung, seinem Parlament Signale gibt. In diesem Zusammenhang möchte ich noch sagen, daß unser Fernsehen und unser Rundfunk sehr richtig auch von einer politischen Revanche seitens Meöiars meiner Person gegenüber gesprochen hat. Ich habe die Arbeit Meöiars in unserer Bewegung HZDS, die ich mitbegründet habe, öfter kritisiert. Der Premier arbeitet unkonzeptionell - und deswegen mußte ich öfter seine Methoden und die Folgen seines Agie-rens kritisieren.

Ich fasse zusammen: Den Vorwurf der Illoyalität weise ich weit von mir. Das Agieren gegen mich ist eine politische Revanche. Und meine Resignation am Montag vor einer Woche war ein Schritt, um das gespannte Verhältnis zwischen unserem Präsidenten Kovac und Meöiar nicht noch zu verstärken. Aber auch in diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß unsere Spitzenpolitiker immer sagen, wir müßten alles tun, was die Slowakei braucht. Aber sie setzen immer nur solche Schritte, die sich gegen die Slowakei richten. Und das berührt mich.

FURCHE: Würden Sie auch die Aussagen Meöiars über die Roma-Minderheit in der Slowakei so deuten? Es gibt ja die nachträgliche Interpretation, es sei nicht so gemeint gewesen - und zudem hätte der Berichterstatter der CTK Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und verstärkt; obschon der Originaltext von Meöiar schwer zu verdauen ist.

FILKUS: Man kann nicht zwei

Papiere herausgeben und sagen, das eine ist das, was ich gesagt, das andere das, was ich gemeint habe. Außerdem: gerade in unserer Zeit, wo Europa die Minderheitenprobleme so genau unter die Lupe nimmt, darf man nicht so darüber sprechen, wie Meöiar das getan hat. Wie kann ein Politiker so etwas machen?

FILKUS: Das auch. Aber es geht um grundlegende Faktoren einer korrekten Arbeit. Nicht nur unter Freunden muß man korrekte Arbeit leisten, erst recht auf einer so hohen Ebene. Wenn ich Bedingungen akzeptiere, muß ich sie erfüllen.

Die Roma-Aussagen Meöiars sind auch eine Sache des Populismus. Politiker schwimmen öfter auf populistischen Wellen, um Erfolge einzuheimsen. Bisher war das bei uns in der Slowakei der Nationalismus. Mit der Emanzipation hat das aber ein Ende genommen. Also braucht man eine andere Welle: und das sind jetzt die Minderheiten.

Natürlich gibt es in einigen Orten Probleme mit den Roma. Aber das darf nicht populistisch ausgenützt werden. Ich glaube zudem, daß dies auch ein politisches Signal für vorgezogene Wahlen war. Meöiar schwimmt deshalb wieder auf einer populistischen Welle, weil er - wegen Popularitätsverlusten und dem Verlust der parlamentarischen Mehrheit - schon Wahlen im Hinterkopf hat.

FURCHE.WieschätzenSieMeciar grundsätzlich ein?

FILKUS: Ich will ehrlich sein. Er ist ein sehr guter, dynamischer Politiker. Aber er arbeitet nur allein. Nirgendwo auf der Welt geht es heute ohne Teamarbeit. Das kann Meöiar nicht. Er arbeitet viel, aber nicht effektiv, er traut anderen nicht.

FURCHE: Deutet er Hilfeangebote als unerwünschte Kritik?

FILKUS: Das ist wahr. Selbst sachliche Kritik kann er nicht vergessen, er muß das wieder zurückgeben, er ist sehr nachtragend. Vielleicht ist er ein guter Politiker, aber kein Staatsmann.

FURCHE: Wie wird es weitergehen mit der Slowakischen Botschaft in Wien?

FILKUS: Gemäß der Vereinbarung mit dem Auß jnminister soll ich bis 1. November hierbleiben. Und in der Zwischenzeit wird man jemanden finden, der nach Wien gehen wird. Soviele Berufsdiplomaten haben wir nun auch wieder nicht.

FURCHE: Es war immer sehr erfrischend, mit von einer Sache überzeugten Menschen abseits der Berufsdiplomatie zu sprechen.

FILKUS: Das ist sehr interessant, was Sie da bemerken. Sehen Sie, wir haben 40 Jahre den Totalitarismus erlebt. Also - welche Karrierediplomaten könnten wir da anbieten? Ich will damit nicht sagen, daß unsere Berufsdiplomaten vor 1989 alle schlecht gewesen sind. Aber das war ein Handicap. Und jetzt besteht schon der Vorteil darin, daß Menschen zum Zug kommen, die für eine Sache, eine Überzeugung stehen, auch wenn sie keine Diplomaten sind.

Also in zwei bis drei Wochen wird man bei uns jemanden für die Funktion des Botschafters in Wien finden müssen; denn der Mann oder die Frau muß noch einige Wochen im Ministerium arbeiten, dann kommt die Beglaubigung - aber das ist nicht mehr meine Sache.

FURCHE: Gibt's schon Namen für die Nachfolge?

FILKUS: Einige slowakische Zeitungen haben zwei Frauen genannt, von denen eine - Sozialministerin Keltosbva - schon dementiert hat. Die zweite nicht: sie ist Sektionsleiterin bei Premier Meöiar, Anna Nagyova. Aber sie hat keine Sprachkenntnisse.

FURCHE: Zu einem weiteren Problemkreis: Wie beurteilen Sie die slowakisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen ?

FILKUS: Östereich ist unser einziger marktwirtschaftlicher Partner. Aus mehr als 100 offiziellen Gesprächen mit österreichischen Politikern, Vertretern von Banken und Unternehmen - alle verliefen pragmatisch, sachlich, freundschaftlich - konnte ich erkennen, daß man uns helfen will; natürlich will man auch verdienen, das ist klar. Aber die Österreicher wollen Garantien der wirtschaftlichen und politischen Stabilität. Das habe ich gespürt. Ich schätze die Vereinbarungen zwischen der österreichischen Bundeswirtschaftskammer und der Slowakischen Industrie- und Handelskammer als eine große Sache. Damit wurden auf der Ebene kleinerer und mittlerer Betriebe sehr gute Kontakte und eine breite Kooperation möglich. Natürlich ist Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene auch wichtig, aber wir wollen ja marktwirtschaftliche Verhältnisse. Dafür braucht man Stabilität.

FURCHE: Und Grenzübergänge, um alles zu bewältigen.

FILKUS: Natürlich. Die beiden einzigen nach Österreich sind wahnsinnig überlastet. Ich habe mich informiert, war auch bei Innenminister Löschnak und anderen Leuten. Es ist so: wir wollen mehr Grenzübergänge, aber in dieser Schachpartie ist jetzt Österreich am Zug. In drei von vier Ortschaften an der March, wo man Grenzübergänge installieren wollte, hat sich aber die Bevölkerung aus Angst vor zunehmendem Verkehr, vor neuen Umweltbelastungen, vor Kriminalität dagegen ausgesprochen. So stellt sich die Sache momentan dar.

FURCHE: Ist das Streben nach EG-und NATO-Mitgliedschaft für die Slowakei ein mittelfristiges Ziel?

FILKUS: Mittelfristig wird das kaum zu erreichen sein. Zehn bis 15 Jahre werden bis dahin sicher noch vergehen. Aber es geht nicht anders: wir müssen zu diesem Wirtschaftskörper und sicherheitspolitisch zur NATO gehören. Anders kann man in Europa heute nicht mehr leben.

Mit Botschafter Dr. Rudolf Filkus sprach Franz Gansrigier.

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