Wolfgang Schüssel: Vom Nachzügler zum Vorreiter

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Aus der Rede von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zur Lage der Nation.

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Aus der Rede von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zur Lage der Nation.

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Thema: Österreich. Erstmals wurde die traditionelle "Rede zur Lage der Nation" des ÖVP-Obmanns von einem amtierenden Bundeskanzler gehalten. Am 15. Mai 2000 zog Wolfgang Schüssel eine Bilanz der ersten 100 Regierungstage und entwickelte Perspektiven für die kommenden Aktivitäten.

Ein Auszug aus seiner Rede:

Unser Ziel muss es sein, vom Nachzügler wieder in die Spitzengruppe hineinzukommen. Beginnen wir beim Budget: Ist es nicht ein Skandal, dass wir Jahr für Jahr 100 Milliarden Schilling für die Zinsen von 1.700 Milliarden Schilling Staatsschuld zahlen? Wir können jetzt noch so viel sparen und noch so viel Steuern erhöhen - wenn wir nicht herunterkommen von den Schulden, dann wird uns das nichts helfen. Ich sage daher, wir müssen in den nächsten zwei, drei Jahren das ehrgeizigste Schuldenreduktionsprogramm starten, Privatisierungsprogramm starten, das es in der Geschichte dieses Landes je gegeben hat. Wir müssen 300, 400 Milliarden Schilling aufbringen, damit wir bei den Zinsen deutlich herunterkommen, denn unser Ziel darf es nicht sein, irgendwo bei ein oder 1,5 Prozent Defizit herumzukurven und damit für Jahre das Schlusslicht Europas zu bleiben. Unser Ziel ist: mittelfristig weg mit dem Defizit! Das ist unser Ziel, liebe Freunde, dafür stehen wir und dafür werden wir uns einsetzen!

Dazu brauchen wir die Länder und Gemeinden. Ich sage das hier auch ganz offen: Es kann nicht so sein, dass der Bund alleine spart, sondern alle Gebietskörperschaften sitzen im gleichen Boot. Entweder wir alle sparen, wir alle erfüllen dieses Ziel, dann schaffen wir es. Wenn es der Bund allein tut, dann ist das von vornherein ein programmierter Flop, das kann nicht funktionieren. Das ist mein Appell an die übermorgen beginnende Landeshauptleute-Konferenz, dass wir hier wirklich eine Allianz, einen nationalen Konsens und Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden formulieren, der dieses ambitionierte Ziel auch wirklich möglich macht.

Arbeitsplätze

Zweitens: Arbeit ist der Schlüssel. Österreich ist da nicht schlecht, nur Luxemburg und Niederlande sind besser in den Beschäftigungsdaten als wir. Wir haben jetzt eine Arbeitslosenrate, die um ein Prozent gesunken ist, eine Beschäftigung, die um 1,5 Prozent gestiegen ist. Aber: Die Amerikaner haben bei einem Wachstum von vier Prozent auch einen Anstieg der Jobs um vier Prozent. Bei uns: Wenn das Wachstum drei Prozent beträgt, dann steigt die Zahl der Jobs nicht einmal um die Hälfte. Da steckt was drinnen. Und wiederum: Nicht kleine Brötchen backen, liebe Freunde! Unser Ziel muss es sein, eine offensive Wirtschaftspolitik so zu formulieren, dass wir neben den 50.000 Jobs, die wir heuer noch mehr als voriges Jahr erreichen, in den nächsten zwei Jahren noch einmal 100.000 dazubekommen und in zehn Jahren 300.000 bis 500.000 Menschen zusätzliche Arbeit geben. Sehr ambitioniert, aber es geht. Denn die Arbeit ist da, und entweder wir schaffen diese Arbeitsplätze hier in Österreich beziehungsweise rund um uns in Mitteleuropa durch österreichische Arbeitgeber, oder die Arbeit wird ganz woanders hinwandern. Und ich sage Ihnen, allein dieses Ziel in zwei Jahren von jetzt 100.000 mehr Jobs zu erreichen, bedeutet für das Budget bereits eine Saldenverbesserung um zehn Milliarden Schilling pro Jahr. Das ist die Lösung.

Dritter Bereich: Wir müssen ein Vorreiter werden in einem modernen Dienstleistungsstaat. Liesl Gehrer und Martin Bartenstein und alle anderen Freunde haben das Projekt e-Austria, e-government gestartet. Es muss unser Ziel sein, schneller als andere europäische Länder den Bürger direkt über Internet, über e-Mail mit seiner Behörde kommunizieren zu lassen. Steuererklärung über Internet, Pass-Formulare beantragen und dann durch die Post zustellen lassen. Viele andere Dinge, Schulen ans Internet, Med-Card, alle diese Möglichkeiten einer modernen Dienstleistungswelt sind denkbar, und dazu brauchen wir unsere hervorragenden österreichischen Beamten - nicht dass wir sie als Gegner sehen, bei Gott nicht! Wir brauchen sie als Partner bei diesem spannenden Reformprojekt für das 21. Jahrhundert.

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