7127306-1997_10_04.jpg
Digital In Arbeit

Männer setzen Signale

Werbung
Werbung
Werbung

Thomas Maurer, Kabarettist:

Meine Motivation ist abseits dessen, was sich von den Forderungen des Frauenvolksbegehrens realisieren läßt. Man weiß ja, wie das so ist mit Volksbegehren. Sie werden im Parlament besprochen und wandern dann in den Mistkübel, oder auch nicht. Aber ich finde es wichtig, darauf hinzuweisen, daß in Zeiten ökonomischer Verschärfungen immer diejenigen draufzahlen, die am schlechtesten organisiert und durch Lobbys am wenigsten vertretenen sind. Dafür muß ein öffentliches Bewußtsein geschaffen werden.

Man muß beharrlich aufzeigen, daß es eine massive ökonomische Ungleichstellung zu Lasten der Frauen gibt, und daß sich das eher noch ausweiten wird, etwa durch die Liberalisierung von Teilzeitarbeit. Man sollte darüber nachdenken, wer diese Teilzeitarbeit macht. Es heißt immer: ja, das kommt den Frauen zugute. Klar, die haben dann irgendeine Form von Arbeit, aber wie man mit einer Teilzeitarbeit Kinder durchbringt, das ist ein anderes Kapitel. Insofern finde ich die ökonomische Forderungen, die beim Frauenvolksbegehren erhoben werden, richtig.

Emmerich Tälos, Politologe: Die Wichtigkeit und Notwendigkeit dieses Volksbegehrens sehe ich darin, daß dieses ein Signal für Kritik an Ausrichtung und Inhalt bisheriger Politik darstellt. Ungeachtet verschiedener Ansätze hat sich seit 20 lahren nichts Wesentliches geändert an Üngleichstel-lungen, Benachteiligungen im Bereich des Arbeitsmarktes, der sozialen Sicherung, bei familiärer Arbeit und im Hinblick auf politische Partizipation.

Wichtig ist das Volksbegehren, um über Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen zu informieren und für ihre Anliegen und Interessen zu sensibilisieren. Wichtig ist das Volksbegehren als Anstoß, um Veränderungen herbeizuführen. Ich stimme allen Forderungen des Volksbegehrens zu. Ich fürchte ebenso wie eine deutsche Kollegin, wenn sich der Entwicklungstrend der achtziger Jahre fortsetzen sollte, daß mit einer Beseitigung der geschlechtsspezifischen

Unterschiede (im Bereich des Erwerbseinkommens) nicht vor dem Jahr 2412 zu rechnen ist.

Einer sich vertiefenden Gesellschaftsspaltung, die entlang der Geschlechter verläuft, gegenzusteuern, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Fragen der Verteilung stehen auf wesentlichen Ebenen an. Ich wünsche, daß das Volksbegehren merkbare Signale in diese Bichtung setzen kann.

Volker Korbei, Gynäkologe Ich merke in meiner Ordination, daß Frauen zunehmend in die Armutsfalle geraten. Das fällt mir schon seit einiger Zeit auf. Bei einfachen Vorschlägen, die relativ wenig Geld kosten würden, sagen heute viele Frauen: das kann ich mir nicht leisten. Das war früher sicher anders. Vor allem bei den Alleinerzieherinnen ist es besonders signifikant.

Früher haben viele gesagt: gut, wenn die Krankenkassa das nicht zahlt, dann zahle ich mir das selber. Heute merke ich, daß einfach weniger Geld da ist.

Krankheiten zu bekämpfen ist kein Pillen verschre i bungsproblem. Gesundheit hat sehr viel mit dem sozioökonomischen Umfeld zu tun. Auf der einen Seite wird das Geld mit beiden Händen ausgegeben - die Geldvernichtungsmaschine Gesundheitswesen ist ja keine Erfindung von mir - auf der anderen Seite fehlt das Geld beim Wesentlichen. Man nimmt den Frauen überdurchschnittlich viel Geld weg. Etwa die Geburtenbeihilfe. Sie war sicherlich nicht in jedem Fall notwendig. Für eine Reihe von Familien war sie ein Zuckerl auf einen ohnehin schon übersüßten Magen. Aber für einen nicht unbeträchtlichen Teil, vor allem Alleinerzieherinnen, ist die Geburtenbeihilfe kein Zuckerl, sondern Grundnahrungsmittel, das wirklich fehlt.

Wenn ich höre, daß es Leute gibt, die fünf bis zehn Millionen Schilling Abfertigung bekommen, dann ist das für mich ein echtes Ärgernis. Denn auf der anderen Seite verdienen vor allem viele Alleinerzieherinnen in ihrem ganzen Leben fünf Millionen. Das ist ein Systemfehler. Das betrifft aber nicht nur die Frauen. Die Frauen sind nur die ersten, die es erwischt, die sind ein Indikator. Und deswegen sage ich, das Frauenvolksbegehren trifft mich genauso, denn die Frauen

Aus ganz unterschiedlichen Gründen setzen sicn sechs in der Öffentlichkeit bekannte Männer für das Frauenvolksbegehren ein.

sind nur die ersten, die zum Handkuß kommen. Die Metallarbeiter sind viel stärker, weil die hauen am Tisch und viele andere auch. Die Frauen sind halt keine Tischhauer, und Kinderwagendemonstrationen gibt es auch selten. Fäusteschwingende Frauen, in der anderen Hand das Kind, das geht irgendwie nicht. Deswegen kann man ihnen leichter etwas abnehmen. Wenn nicht endlich vernünftige Systemreformen kommen, dann sind wir alle davon betroffen, nur ein bißchen später. Ich stehe weiter hinten in der Reihe, mich erwischen sie nicht so schnell, aber das Frauenvolksbegehren ist für mich auch ein reines Selbstschutzprogramm.

Hans-Henning Scharsach, Publizist: Wir leben in einer gespaltenen Gesellschaft. Auf die Frage, „sollen Frauen gleiche l ebenschancen wie Männer haben?”, gibt es kaum einen, der mit „nein” antwortet. Die dafür erforderlichen Maßnahmen aber werden mehrheitlich abgelehnt. „Ja” zum Ende der Diskriminierung; „nein” zu allem, was sie beenden könnte. In diesem Zustand befindet sich Osterreich schon seit Jahrzehnten. Gleichberechtigung und Gleichbehandlung sind als politische Notwendigkeit erkannt, werden jedoch nicht umgesetzt. Die skurrile Diskussion innerhalb und über die Philharmoniker macht das deutlich: Auf der einen Seite sind sich alle einig, daß bei Österreichs Staatsopernorchester „die besten” Musiker spielen sollen. Fragt man jedoch weiter: „auch Frauen?”, wie

Radio Wien das tat, ist eine Mehrheit dagegen.

Die politische Praxis ist so inkonsequent wie der Volkswille: Natürlich soll Frauen nach der Karenz die Rückkehr in das Berufsleben ermöglicht werden. Aber nicht wirklich: Ihre Kündigung ist möglich, bevor ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Die fadenscheinigen

Hinweise auf die Kosten der Frauen-forderungen gehen ins Leere: Erstens darf das Ende der Diskriminierung keine Kostenfrage sein. Zweitens wird durch die soziale Benachteiligung der Frauen Not künstlich erzeugt, die anschließend durch ein teures soziales Netz aufgefangen werden muß.

Bernhard Heitz, Altkath. Bischof:

Für mich steht dieses Anliegen im Zusammenhang mit der 1988 vom Ökumenischen Bat der Kirchen ausgerufenen Frauendekade: „Die Kirchen in Solidarität mit den Frauen.” Das klingt sehr provozierend nach „Solidarität mit einer bedrohten Spezies”. Nein, es geht um eine neue, gerechtere Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft. Die Frau ist ebenso selbstbestimmtes Subjekt wie der Mann. Sie soll und will also nicht nur mitmachen, sondern auch „mitmachten”.

So hat sie, wie jeder Mensch, ein Recht, das zu benennen und auch ökonomisch gewertet zu sehen, was trotz aller grundgesetzlich festgeschriebenen „Gleichstellung” immer wieder trivia-lisiert wird: „Sie ist ja nur eine Frau, nur Mutter, nur Hausfrau ...”

Es geht also um einen Bewertungs- und Bewußtseinswandel. In der Schöpfungs- und Erlösungsordnung ist es völlig klar: Gott schuf Mann und Frau konstruktiv aufeinander zu. Beide zusammen verwirklichen das Menschsein. Gott wurde in Jesus Christus Mensch, das glauben und bekennen wir Christen. Daraus folgt für mich, daß jeder Mensch sich verwirklicht und entfaltet, wie Gott sie/ihn gedacht hat. Kein Mensch soll unter seinen Möglichkeiten bleiben. Es geht um eine neue Wirtschaftsethik angesichts klar zutage tretender Benachteiligung von Frauen.

Ökonomie wird männerorientiert vom Geld- und Warenwert her definiert. Darüber hinaus weisen Frauen (noch provozierend) auf ihre „Weiberwirtschaft” hin. Auf das, was sie an kulturschöpferischen Dienstleistun -gen produzieren: Kinder gebären, Hausarbeit verrichten, das Heim gestalten, Schulaufgaben betreuen, ße-ziehungsarbeit leisten, einen Menschen pflegen, ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben ...

Besitzt diese Produktion nicht ebenso ökonomischen Wert, der freilich bisher keine Bentenrelevanz besitzt und nicht im Bruttosozialprodukt aufscheint? Wer will bestreiten, daß solche Arbeit ein Vollzeitberuf ist? So verlangen Frauen zu Recht eine Mindestrente. Kirchlich und gesellschaftlich engagierte Frauen und Männer wissen darüber hinaus, daß sie ohne eine gerechte Aufteilung der Gemeinschaftsaufgaben nicht auskommen. Jeder und jede muß dabei das tun, was sie/er besonders gut kann (während ich zum Beispiel Staub sauge, übersetzt meine Frau - für mich! -englische Texte). Die bisherige gesellschaftliche Dominanz der Männer soll nicht durch eine Dominanz der Frauen ersetzt werden, sondern durch eine neue, auch ökonomisch gerechtere Gemeinschaft.

Gerhard Hi iss, Vorsitzender der IG Autoren:

Als ich vor etwa zehn Jahren erstmals als Gastprofessor an eine Universität berufen wurde, habe ich als Mann aus der Praxis feststellen müssen, daß das Verhältnis zwischen Studentinnen und Studenten zwei Drittel zu einem Drittel beträgt. In der Praxis ist dieses Verhältnis umgekehrt. Auch bei den freien und Kunstberufen spiegelt sich dieses Verhältnis wider. Und in der Literatur verdienen Frauen um bis zu 50 Prozent weniger als Männer.

Die Gesellschaft hat in den letzten Jahren mit der „Herzeigefrau” geantwortet, die es ja im Normalfall nicht gibt. Die schlimmste Ausdrucksform kann man in den Zeitgeistmedien finden. Es wird auf Kon-flike geantwortet, indem man die leistungsfähigere, noch bessere Mutter darstellt, die alles zugleich vereinbaren kann: Karriere, Mutter, soziale Verantwortung ...

Eines der Motive, warum ich das Frauenvolksbegehren unterstütze ist, weil man als Frau in unserer Gesellschaft den Eindruck haben muß, Kinder zu bekommen und mit ihnen zu leben ist so etwas wie eine soziale Krankheit - eine von vornherein bestehende Benachteiligung, die Frauen zugleich aus dem gesellschaftlichen Leben entfernt. Hier muß ein neues Bewußtsein geschaffen werden, daß Kinder ein essentieller Bestandteil des Lebens sind.

Ich habe nur eine Kritik anzubringen. Ich bin nicht der Meinung, daß es nur den Berufsstand der Tagesmutter geben soll, sondern auch des Tagesvaters. Kurzum: ich fordere zur Öffnung der sogenannten typischen Frauenberufe auf, das heißt, den umgekehrten Weg zu gehen, der bisher immer gegangen worden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung