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Chance der Kirche

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Die Stellung der Frau in der Kirche bleibt ein ungelöstes und, wie mir scheint, dringliches Problem. Es hätte der bedrückenden Diskussion zu diesem Thema im „Club 2" des ORF am 8. März nicht bedurft, um das unter Beweis zu stellen.

Seitdem Statistiker auf den heimlichen Auszug der Frauen aus den Gotteshäusern aufmerksam gemacht haben, gelingt es immer weniger, das Problem aus der Kirche einfach auszuklammern. Diese Situation könnte zu einer Chance werden, hätte man den Mut, sich ernsthaft damit zu befassen.

Wenn auch nicht klar ausgesprechen, hält man es doch lieber mit der traditionellen Meinung, wie sie der in Rom lehrende Neu-testamentler Ignace de la Potterie bei einer Tagung der Fondazione Ambrosiana Paolo VI. im Juni 1981 vertrat: „Die Frau hat in der Kirche ihr weiblich-mütterlich-lie-bendes, kurz ihr marianisches Gesicht wiederzugeben, der unmittelbare Zugang zu Gott aber ist dem männlichen Geschlecht über Petrus und Christus vorbehalten".

Vielleicht habe ich meinem Mangel an theologischer Bildung zu verdanken, daß ich die Diskriminierung nie verstanden habe. Wenn man wirklich glaubt, „das Größte aber ist die Liebe", und versucht, „seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben", wie kann man dann die Meinung vertreten, die Frau sei zwar für die Liebe zuständig, dem Mann aber der direkte Zugang zu Gott reserviert?

Um Änderungen an Grundsätzen geht es also nicht. Für mich ist eine Fehlentwicklung passiert, zu der man freilich nicht mehr schweigen darf. Als die Menschen in uralten Zeiten ums nackte Uberleben kämpfen mußten, war ihnen das Weibliche, war ihnen auch Sexualität Mysterium des

Heils, die Frau Pforte des Himmels. Es gab keine Rivalität zwischen den Geschlechtern.

Allmählich wurde aus dem Kampf ums Uberleben ein Kampf um die Macht, er ging Hand in Hand mit dem Verlust der Beziehung zur Natur. Es waren die Männer, die Amter und Positionen anstrebten. Sie gerieten so in einen Zwang und hatten den Sieg über das Schwächere immer nötiger, um sich zu bestätigen. Dieser Vorgang läßt sich im Laufe der Geschichte immer wieder belegen.

Jesus Christus, der Revolutionär, freilich provozierte die Pharisäer mit weiblichen Gefolgsleuten und Diakonissinnen. Er hat mit dieser Machtstruktur gründlich aufgeräumt. Dafür gibt es Beweise auch in der Heiligen Schrift: den Galaterbrief, das „Magnifi-kat", die Stellung der Mutter Gottes. Sie war Gott nähef- als je ein anderer Mensch, und unter dem Kreuz standen Frauen mit Johannes, dem sanften Jünger. Nur sie ertrugen die harte Botschaft von Golgatha.

An anderen Stellen der Evangelien sind Männer genannt. Für uns Frauen war das nie wichtig, schon weil wir unsere Söhne wie uns selbst lieben können. Menschen hat er gemeint.

In bezug auf die Frauen aber scheint die Botschaft den Jüngern Jesu am allerwenigsten geschmeckt zu haben. Bald und schon lange genug wurde ihnen denn auch gepredigt: „mulier ta-ceat in ecclesia", die Frau solle in der Gemeinde schweigen.

Um klerikale Positionen in der Kirche ist es den Frauen freilich nie gegangen, und auch heute ist das Priestertum der Frau nicht das brennendste Problem. Mich hat eine andere Entwicklung zum Reden gebracht.

Auf Grund des ökonomischen Fortschrittes der letzten hundert Jahre hat sich die gesellschaftliche Rolle der Frau geändert. Manche wollen, viele können sich nicht mehr leisten, ausschließlich Frau und Mutter zu sein. Sie bewähren sich im Beruf.

Daraus könnte sich, wie mir scheint, eine neue Annäherung der Geschlechter ergeben. Was wirklich geschieht, ist das Gegenteil. Wie Löwen verteidigen Männer ihre Position, erschweren Frauen die berufliche Laufbahn, wo es nur geht, und Kirchenvertreter schüren Schuldgefühle der Frauen hinsichtlich ihrer traditionellen Aufgaben. Doppelbelastet, halbbefriedigt und alleingelassen, verlieren sie den Glauben an sich. Folgerichtig verkümmert ihr Talent, den Nächsten zu lieben wie sich selbst.

Als die Fristenlösung zur Debatte stand, hat sich die Kirche für das Leben eingesetzt und vor den Folgen der Freigabe gewarnt. Der Druck, von dem Frauen befreit werden sollten, war dagegen tatsächlich kein adäquates Argument. Der Druck aber, unter dem Frauen heute mehr denn je stehen, ist auch nicht zum brennenden Anliegen der Kirche geworden.

Frauen sind im Gegenteil „die Abtreiberinnen" geblieben. Wenig milde Ermahnungen ausgenommen, habe ich keine Predigt gehört, die sich an die Väter der Ungeborenen richtete. Wer eines Beweises für unausgesprochene Verurteilung der Frauen bedarf, möge „gute Katholiken" einmal fragen, ob sie eine Freigabe zur Adoption nicht noch schlechter finden als eine — wenn auch sehr verwerfliche — Abtreibung.

Niemandem steht es an, Schuld zu verteilen. Unser Auftrag ist vielmehr, einander zu lieben und Freude zu vermitteln. Wer das heute will, dem dürfte die Gleichwertigkeit der Geschlechter keine Frage mehr sein. Und wer sich mit der Lage der Frauen identifiziert, der wird nicht alles in Ordnung finden, wohl aber erkennen, daß neues geistliches Leben in der Kirche fruchtbar gemacht werden könnte, wenn wir diesen Fragen nicht weiter aus dem Weg gehen.

Die Autorin ist Ferasehjournalistin.

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