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Laßt Euch nicht die Männer vermiesen!

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Die Rollen von Mann und Frau - ein heikles Thema heute. Im folgenden ein Plädoyer gegen den Klassenkampf der Geschlechter, denn Männer bleiben liebenswert.

Der Zeitgeist hat den Antrag angenommen und abgesegnet — Männer sind mies: Chauvis, die ein nichtswürdiges Unterdrük-kungsbedürfnis hemmungslos und unverbesserlich ausleben, Bosse, die auf Alleinherrschaft aus sind, Egoisten, die Privileg und Kapital für sich in Anspruch nehmen, „Graue-Hirnrinde-He-loten (Sklaven), eingeengt in ihre festgefahrenen Denkgeleise, abgezweckt auf Nutzeffekt; monströse Giganten der Technik, Schwätzer, Bürokretins, Intellektuelle“ (Sir Galahad).

Und in jüngster Zeit ist zusätzlich auf das vernichtende Psycho-gramm gesetzt worden: Vergewaltiger mit und ohne Ehebett, Kindesmißbraucher, Kriegstreiber, Frauentotschläger.

Der Weltgeist hat gesprochen. Wie ist aber die Reaktion? Schließlich besteht die Mannschaft zu 48 Prozent aus Wesen von dieser verachtenswerten Sorte.

Nun, von den Verdonnerten läßt sich nach psychologischem Grundgesetz nichts anderes erwarten, als was das Gesetz befiehlt. Man duckt sich und geht dann je nach Temperament in einen der vorgeschriebenen Abwehrmechanismen des Ich: Verleugnung oder Verdrängung, noch bequemer aber — Projektion und Identifikation mit dem Angreifer:

Sich als sogenannter „Feminist“ an die Spitze der Ankläger zu stellen und sich in weltgerechtem Masochismus mit dafür einzusetzen, daß das endlich aufhört — dieses Mann-Herrschen und -Unterdrücken.

Stundenrund kann man dieses sich eilfertig anbiedernde Män-nerkuschen aus dem Mediengebläse heraussäuseln hören.

Daß man als Mann dabei selbst in einen rasanten Schrumpfungsprozeß geraten könnte, dazu angetan als Däumling in die weiten Pluderhosentaschen der Frauen zu verschwinden, tritt anscheinend nicht ins Bewußtsein. Denn schließlich trägt man unter einlullenden Fanfarenklängen die anerkannte Standarte des Zeitgeistes zügig voran — und das ist ein erhebendes, die reale Situation verdeckendes Gefühl.

Und die Frauen, die Medien, wie reagieren sie? Nun klar doch — sie haben erstens sowieso eine besondere Vorliebe fürs Modische. Sich da anzupassen, verhilft ihnen zu entlastender Fröhlichkeit.

Und zweitens scheint es doch entspannend, daß man uns Frauen endlich aus unserer „Benachteiligung“ heraushilft! Wohin? Nun, um endlich jenes Leben führen zu können, das diese Leerstuhlinhaber bisher für sich allein in Anspruch nahmen.

Daß man uns damit Positionen anbietet, die der Weltgeist mit dem Stempel des Verachtungswürdigen versehen hat, fällt uns dabei nicht weiter auf. Schließlich wirkt all das viele Geducke und Gegockel und Geschnurre der Medienfeministen ein klein wenig doch auch berauschend — verstandberaubend auf uns zurück.

He, Adam, wie lange willst Du das derart schläfrig weiter mitmachen? Weckt Dich vielleicht des Gerd-Klaus Kaltenbrunners horrorgemalte Zukunft vom „kalten Monster des Mutti-Stäates“? Es ist die Vision „des kältesten aller Ungeheuer“ — „kleinlich, engherzig, bigott, prüde, zänkisch und bedrückend“.

Aber vermutlich ist Aufge-schrecktheit dieser Art nicht einmal nötig. Denn es besteht wohl in Wirklichkeit weder die Gefahr, daß die großen Mütter Kaltenbrunners oder die Amazonen der Galahad, noch die autonom-or-giastischen Feministinnen der Alice Schwarzer das Zepter übernehmen.

Es gibt keine historischen, mythischen, psychoanalytischen oder frauenbewegten Vorreiterinnen des neuen, echt die Macht des Mannes gefährdenden Typs. Meines Ermessens wäre er allein in der Lage, die neue Schlacht für sich zu entscheiden: Das ist der Typ der Männin, das Neutrum mit dem flinken, fleißigen, nüchtern berechnenden Kopf, mit dem fabelhaften Organisationstalent, der zähen Durchhaltefähigkeit ...

Diese Züchtung ist das Novum unseres ausgehenden Jahrhunderts. Sie erst wird die um ihre Macht schläfrig noch nicht wirklich besorgten Männer in der Tat das Fürchten lehren. Denn erst für diesen neuen Hetärentyp vermag weltliche Macht zum erstrebenswerten Lustziel mit Priorität vor allem Persönlichen zu werden.

Um dem Verhängnis Einhalt zu gebieten, müßte als erstes einmal die Wahrheit auf den Tisch. Ihre Anwälte gilt es zu suchen.

Und mir scheint, daß sie nur in einer Spezies zu finden sind: bei den Frauen, die ihre Männer lieben; bei den zeitlosen Frauen, die über allem stehen, die auf Macht pfeifen, weil sie etwas Besseres kennen; bei den Frauen, die gar nicht wie Männer sein wollen, weü sie gerne Frauen sind.

Und diese Wahrheit heißt doch: Was uns der Zeitgeist aufnötigt, ist eine negativ übertreibende Verteufelung der Männer. Wir sollten sie uns nicht länger gefallen lassen.

Was haben wir davon, wenn man uns gegen sie aufhetzt? Nichts als Unglück und Verlassenheit. Wir lieben unsere Männer und halten sie für liebenswert. Wir sind gern von ihnen abhängig, weil wir in ihrem Schutz so frei sein können wie niemals ohne sie.

Sie sind nächst unseren Kindern die in unsere Obhut gegebenen Nächsten. Und weil sie unserer Liebe würdig sind, wollen wir nicht mehr länger dulden, daß der Zeitgeist sie für nichts-würdig erklärt.

Gewiß doch, sie rangeln um die Hochstühle, sie panzern sich auch oft gegen uns ab, pochen auf ihre vielen Reservate oder bestimmen ohne Absprache mit uns. Ja, gewiß, sie haben ihre Schatten, diese Männer (wie wir auch - nur anders!).

Dennoch sind sie wunderbar mit all ihren Fähigkeiten zu erfinden, zu verändern, zu beschützen, zu versorgen, sich für das große Ganze einzusetzen. Nur zu unserem eigenen Nachteil gereicht es uns, wenn man es uns vermiest, ihre positiven Eigenarten zu erkennen und anzuerkennen.

Ist es etwa nichts, wenn ein Mann für seine Familie die Brötchen verdient und seine Kraft in Gestalt der Lohntüte allwöchentlich -auf dem Küchentisch entäußert? Wenn er damit der Familie Sorglosigkeit gewährleistet und außer Brot alle möglichen Chancen zur Welterweiterung?

Ist es nicht mehr der Erwähnung wert, daß Friede, Ordnung und Sicherheit in seinem kleinen Territorium herrschen, weil er darüber wacht und die Axt im Haus hat? Wäre es nicht besser, ihn für diese seine Art zu lieben, ihm dankbar Achtung zu zollen, sich daran zu freuen, ihn zu loben, als Abend für Abend etwas von ihm zu fordern, was er nicht kann und wozu er nach des Tages Last auch nicht mehr die Kraft hat - zu Problemgesprächen, Tanzveranstaltungen, gesellschaftlichen Vergnügungen, die ihm kein Vergnügen machen?

Teuflisch ist dies Aufforderung zur Lieblosigkeit, zu der man uns Frauen per Zeitgeist zu nötigen sucht. Denn die nörgelnde Unzufriedenheit der Frauen mit dem Verhalten der Männer bewirkt Zerstörerisches: seinen Ausbruch — entweder als zornig-gewalttätige Primitivreaktion, als Abkapselung und schildkrötartige Panzerung oder als Auszug...

Der listig zerstörerische Zeitgeist siegt dann zum Unglück sowohl der Frau wie auch des Mannes unter Zerstörung des Nestes mit der unmündigen Brut. Er siegt unter listiger Zuhilfenahme zweier geschlechtspsychologischer Gegebenheiten: der Auf-hetzbarkeit der Frau und der so verletzlichen Ich-Schwäche des Mannes.

Verstehendes Erbarmen mit der psychischen Situation des Mannes wäre viel eher in der Lage, konstruktiven Fortschritt zu erwirken, als aufmüpfiges, leidvolles Benachteiligungsgeschrei. Die hohe Stellung der Frau im Schöpfungsgeschehen gibt dazu keinen Anlaß.

Im Gegenteil: Faßt man das schwache Ich des Mannes ins Auge, so gerät viel mehr seine Ge-fährdetheit, seine Schutzlosig-keit, die Notwendigkeit seiner Bewahrung ins Blickfeld.

Seinen Lebensauftrag nicht zu erfüllen, ist elementare Gefahr jedes einzelnen Exemplars dieser Spezies Mann. Jeder Sohn geht aus seiner Mutter hervor. Erfah-• ren ihrer Allmacht gehört ebenso zu seinem Erlebnishintergrund wie sein Ausgetriebenwerden zur zwingend verordneten zweiten Geburt der Pubertät: Die Ablösung von der Mutter, um zu seiner eigenen Lebensgestaltung, einer typisch männlich-kreativen ansetzen zu können.

Von der Urfrau frei zu werden, das ist eine seine Männlichkeit stets neu gefährdende Notwendigkeit gegen den Verschlin-gungsrückfall, gegen den der Mann immer neu abgeschirmt werden muß, gegen den der gewaltloseste Sohn aller Söhne in aggressiver Distanzierung seine Grenze festlegt: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen!“

Wehe den Frauen, die die sexuelle Abhängigkeit des erwachsenen Mannes von ihnen dazu nutzen, seine Angst vor dem Rückfall ins Matriarchat seiner Kindheit zu wecken. Solche Angst produziert Mannherrschaft. Aus Angst macht der Tiger Angst, wissen die alten Chinesen.

Diesen Mann in seiner ihm selbst kaum einmal bewußten Lage wissend zu verstehen — das wäre konstruktive Aufgabe einer Gefährtin, die auf Liebe setzt. Sie würde ihren Gefährten eben besser verstehen als er sich selbst und sich anders verhalten als seine Mutter, von deren Ablösung Erfolg oder Mißerfolg seines Lebens abhängt.

Gefährtinnen solcher Art würden bewußt darauf aus sein, nicht zu bestimmen, sondern sich einzufühlen, nicht armstemmend Batterien von Vorwürfen abzufeuern, sondern Hintergründe zu ertasten, nicht um die Macht im Kral konkurrierend zu pokern,sondern, sich um Ergänzung zu bemühen, nicht Nähe zu ertrotzen, sondern Freiräume zu schenken, nicht schmollend Grobheiten nachzutragen, sondern sie dem Anderssein zuzurechnen und zu vergeben.

Aber diese Größe, die es dem Mann möglich macht, ohne Existenzangst befriedigende Gemeinschaft mit seiner Ehegefährtin zu haben, ist nur möglich, wenn sich die moderne Frau ihr naturhaft starkes Ich, das dem Primat des weiblichen Naturprinzips entspringt, erhält.

Läßt sie es zu, daß man ihr die stoischen Urelemente und Vorzüge ihrer Leib-Seele raubt, dann kann sie nicht die kraftvolle Gelassenheit leben, die zur durchhaltenden Liebe für den Mann die Voraussetzung bildet. 4

Nur mit der inneren Freiheit, die ihre Souveränität aus ihrer Naturhaftigkeit bezieht, kann die moderne Frau dem Fortschritt voranhelfen.

Freilich, diese Freiheit wird für sie nicht erreichbar sein, indem sie sich breitbrüstig ins Reich der Mütter zurückfallen und dort vom faustischen Mann besuchen läßt, sondern indem sie mit Hilfe des neu entfalteten Bewußtseins über ihren geschöpflichen VorTang auf diesen verzichtet und dem Mann hilft, sich an ihrer Seite zu verwirklichen, indem sie ihn durch eine ihn freilassende Liebe nährt.

Denn eine solche Liebe allein ist imstande, dem Mann zu einer Stärkung seines Ich zu verhelfen. Dann braucht er nicht mehr zu toben, hat er das kräfteverschleißende Gerangel um die Dominanzhierarchien der Welt, mit dem er seine Frauenphobie kompensiert, gar nicht mehr so nötig. Er wird damit der Frau ein ebenbürtiger Partner.

Nicht füßestampfend jakobinerhaft ist das zu erzwingen. Das neue Glück bedarf der weiblich klugen, opferbereiten Zartheit, bedarf der großen Liebe für den liebenswürdigen Mann, der samt seinem schwachen Ich angenommen wird, um seine wahre Wirklichkeit ans Licht zu bringen: Den echt mannhaft starken, nicht durch weibliche Machtanmaßung vertrottelten, beseelt einfühlsamen Gefährten.

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