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Das starke Geschlecht ist schwach geworden
Die Männer suchen ein neues Selbstverständnis. Der Mann von einst, beruflich und privat erfolgreich, ist heute orientierungslos und leidet an Existenzängsten.
Die Männer suchen ein neues Selbstverständnis. Der Mann von einst, beruflich und privat erfolgreich, ist heute orientierungslos und leidet an Existenzängsten.
Der Mann steckt heute in einer epochalen Krise. Gebrandmarkt als patriarchaler Unterdrücker von Frauen und Kindern, als Zerstörer von Beziehung und Natur, ist seine Männlichkeit als gewalttätig denunziert. Sie ist zum Sündenbock für all das geworden, was heute in Politik, Gesellschaft und Familie falsch läuft. Dabei hat sich nur eines um den Mann herum gewandelt, nämlich seine Welt. Als Entdecker von Neuland, als Bebauer des Bodens und als Beschützer von Frau und Kind hat er seine Funktion verloren, die über Jahrtausende hinweg sein gesellschaftliches Selbstverständnis definierte. Die von ihm geschaffene Technik und Maschine haben seine Muskelkraft ersetzt, sein Vater ist ihm durch monotone Industrie- und Büroarbeit entfremdet, die Firma ist ihm zum Zuhause geworden. In einstigen beruflichen Männerdomänen zeigen Frauen, daß sie den Männern in puncto Kompetenz, Fleiß und Durchsetzungskraft in nichts nachstehen.
Fremd im eigenen Haus
Die ehemalige Männerherrschaft ist unwideruflich am Ende. Da, wo sie noch funktioniert, wird sie nur mehr festgehalten, weil äußerliche Macht und Kontrolle einen letzten Damm bilden vor dem Einbruch einer tief sitzenden Existenzangst und Orientierungslosigkeit. Der bewunderte Held von einst wird als Anti-Held ausgebuht. Er handelt automatisch statt kreativ, gehorsam statt verantwortlich, langweilig statt abenteuerlich. Der Mann ist heute zutiefst verunsichert. Das weiß jeder, der einmal hinter die Erfolgsfassaden, etwa in Managerberufen, geschaut hat. Das zwischenmenschliche Elend in Ehe und Familie erschreckt zutiefst. Folgen einer Generation von männlichen System-Agenten und Befehlsempfängern.
Für den Busineß-Markt adrett und funktional angepaßt, zwängt sich der Mann mit Handy immer auf Abruf - in die Fortschrittslokomotive seiner Firma. Dort ist er noch wer. Sein Ich ist muskulär, sein Körper ein Panzer, stets unter Strom, angespannt und auf Abwehr eingestellt. Weder Frau noch Mann, kann an ihn heran. Abends nach den mehr oder weniger großen Heldentaten im beruflichen Daseinskampf erhofft er sich dann die Erlösung. Müde und abgeschlagen kommt er heim zu Frau und Kind, von denen er sich Gratifikation erwartet. Doch die haben andere Sorgen und reagieren resigniert. Mit einem Ohr registriert er, daß sein Sohn Konzentrationsschwächen in der Schule hat. Außerdem kränkt es ihn schon lange, daß zwischen ihm und seiner Frau sexuell nur mehr wenig läuft. Unverstanden ist er zum Fremden im eigenen Haus geworden. Mit der Zeit verschließt er sich immer mehr. Im Beruf ist er noch Sieger, doch in der Liebe ist er längst zum Pyrrhussieger geworden. Vieles, was man von ihm im Beruf als Erfolgstugend verlangt, zerstört ihn privat. Er steht am Ende einer Sackgasse und mit dem Bücken zur Wand.
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