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Treu, ergeben und niemals unabhängig

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In der katholischen wie auch in anderen Kirchen wird derzeit viel über die Rolle der Frauen diskutiert, über ihre Aufgaben, ihre Rechte, ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten (siehe Seite 2 und 3). Die Altkatholiken haben mit der Weihe zweier Frauen zu Priesterinnen erneut Be-wegung in die Debatte gebracht.

Wie wird die Stellung der Frau in anderen Religionen definiert? Und wie gehen dort die Frauen mit der ihnen zugedachten Rolle um?

Auffällig ist, daß zwischen dem Idealbild, wie es in den Heiligen Schriften vermittelt wird, und der Realität in den jeweiligen Kultur kreisen oft eine große Kluft herrscht. Hierbei darf nicht vergessen werden, daß die politische, wirtschaftliche und soziale Struktur eines Staates ebenso auf das Verhältnis zwischen Männern und Frauen einwirkt wie alte, religionsungebundene Traditionen, die immer noch prägend wirken.

■ Das Leben der gläubigen Juden ist von den religiösen Gesetzen geprägt, wie sie in der Thora - den fünf Büchern Mose - und dem Talmud -den Interpretationen der Thora - zu finden sind. Zwei Stellen aus dem Schöpfungsbericht werden zu Auslegungen bezüglich der Stellung der Frau in der jüdischen Gesellschaft herangezogen. In 1. Mose 1. Kap. werden Mann und Frau gleichzeitig von Gott geschaffen, in 1. Mose 2. Kap. wird zuerst der Mann und dann, aus seiner Rippe, die Frau erschaffen.

Die Rabbiner folgern daraus, daß Mann und Frau zwar gleichwertig seien, sich jedoch im Wesen unterscheiden und ihnen daher unterschiedliche Aufgabenkreise zukommen. Das jüdische Ideal besagt, daß die Frau Ehefrau, Hausfrau und Mutter zu sein hat. Entsprechend dem Gotteswort „Seid fruchtbar und mehret Euch" hat die Frau Kinder zu bekommen, am besten zwei, in orthodoxen Familien bis zu acht. Die Ehe gilt als die optimale Lebensform, deshalb sollen Mädchen aus orthodoxen Familien bereits mit 17,18 Jahren heiraten.

Die jüdische Religion schreibt der Ehefrau eine Reihe von Verhaltensregeln vor: Enthaltsamkeit während ihrer Menstruation und sieben Tage danach, die Verwendung koscherer Speisen in getrennten Geschirren für Milch und Fleisch, und die Vorbereitungen für den Schabbat, den wöchentlichen Feiertag. Der Mann hat seine Frau zu lieben, zu respektieren, sie zu ernähren und sexuell zufriedenzustellen. Das Judentum kennt die Möglichkeit einer Scheidung, der Scheidebrief kann jedoch nur vom Mann angefertigt werden. Weigert dieser sich oder verschwindet er gar spurlos, ist die Frau in der Ehe gefangen. Eine Frau wird nicht als Zeugin vor einem religiösen Gericht oder bei Vertragsunterzeichnung zugelassen. Auch in religiöser Hinsicht ist die Frau nicht gleichgestellt. Sie muß zwar für die täglichen, dreimaligen Gebete nicht in die Synagoge gehen, sondern kann sie zu Hause sprechen. Das Thorastudium war in der Vergangenheit jedoch hauptsächlich den Männern vorbehalten. Frauen als Rabbinerinnen oder als Kantorinnen sind in konservativen oder orthodoxen jüdischen Gemeinden nach wie vor vor undenkbar. Das gibt es nur im liberalen Reformjudentum, wo die Frau auch berechtigt ist, in der Synagoge neben ihrem Mann zu sitzen.

Hat sich in der Realität auch viel geändert - jüdische Frauen schließen Berufsausbildungen ab, gehen arbeiten, leisten in Israel Militärdienst-, so gelten für die Gläubigen immer noch die tradierten religiösen Gesetze, daran konnte die feministische jüdische Theologie bislang nichts ändern.

■ Der Islam leitet seine Gesetze und seine Rechtssprechung vom Koran ab, der als Offenbarung Gottes gilt, und von den Hadiths, den Sammlungen mit Aussprüchen des Propheten sowie seiner Gefährten. Bezüglich der Stellung der Frau betont der Islam immer wieder, daß er eine Verbesserung geschaffen hat gegenüber der vorislamischen, heidnischen Rechtssprechung in Arabien. Wurden zuvor bei den arabischen Stämmen neugeborene Mädchen bei lebendigem Leib begraben, so forderte der Prophet Mohammed, Mädchen nicht zu verachten und Söhne nicht zu bevorzugen. Hatten Frauen zuvor kein Erbrecht, so wurde ihnen nun ein festgesetzter Anteil der Hinterlassenschaft zugestanden. Mohammed verbot, daß Witwen gegen ihren Willen zusammen mit dem Erbteil in den Besitz eines anderen Mannes übergingen.

Konnte zuvor ein Mann beliebig viele Ehefrauen haben, so schränkte der Islam deren Anzahl auf höchstens vier ein. Und das auch nur, wenn der Mann sich imstande sieht, alle vier gleichberechtigt zu behandeln. Der Islam sieht Mann und Frau als gleichwertig an, nicht jedoch als gleichartig oder gleichberechtigt. Ihre unterschiedliche physische und psychische Natur bedingen unterschiedliche Aufgabenbereiche. Während der Mann für die Erwerbstätigkeit und den Unterhalt seiner Familie zuständig ist, ist die Frau für Geburt und Erziehung der Nachkommenschaft und für den Frieden im Haus verantwortlich. Der Brautpreis, den die Familie des Mannes bei der Eheschließung an die Frau zu bezahlen hat, sichert dieser finanzielle Unabhängigkeit für den Fall der Scheidung oder Witwenschaft. Sie kann selbstständig über das Geld verfügen und es nach ihren Vorstellungen anlegen. Der Prophet schrieb den Männern vor, ihre Frauen zu achten, deren Gefühle nicht zu verletzen und sie nicht durch sexuelle Verweigerung zu bestrafen.

Leichtes Schlagen bei Ungehörigkeit der Frau ist erlaubt. Im Fall einer Mißhandlung kann die Frau Beschwerde bei Gericht führen oder die Scheidung verlangen. Das direkte Recht auf Scheidung ist allerdings dem Mann vorbehalten. Mann und Frau haben die gleichen religiösen Pflichten: das fünfmalige Gebet jeden Tag, Freigiebigkeit beim Almosengeben, die Wallfahrt nach Mekka, das Fasten im Ramadan. Soweit die religiösen Ideale.

In der Realität zeigen sich in den einzelnen islamischen Staaten große Unterschiede: In Tunesien oder Syrien besuchen Frauen die Unversitäten, üben Rerufe aus und führen einen westlichen Lebensstil. Im konservativen Saudi-Arabien ist es Frauen beispielsweise bis heute verboten, Auto zu fahren. Viele muslimische Frauen bemühen sich inzwischen, ihre Islamkenntnisse zu vertiefen, um auf der Grundlage der Schriften für die ihnen zustehenden Rechte einzutreten und ihre Einhaltung zu verlangen.

■ Der Hinduismus hat keinen Religionsstifter, der eine einheitliche Rechtslage geschaffen hätte. Die normativen Werte stammen aus den Traditionen der indischen Gesellschaft und sind in verschiedenen religiösen Büchern niedergelegt. Eine maßgebliche Schrift ist der Manus Smrti (Gesetzbuch des Manu), in dem über den Status der Frau steht: „Als junges Mädchen gehört die Frau ihrem Vater, als Verheiratete ihrem Ehemann, als Witwe ihren Söhnen und Verwandten, denn eine Frau darf niemals unabhängig sein." Die traditionelle Rolle der Frau ist die der Hausfrau und Mutter. Sie hat für die Familie zu sorgen und ihre Ansprüche zurückzustellen. Dafür wird ihr Respekt gezollt. Sie ist vor allem für die religiöse Erziehung der Kinder zuständig, damit erfüllt sie ihre Pflicht gemäß der kosmischen Ordnung. Die Einfügung des einzelnen in den Dharma, die Heilige Ordnung aller Dinge, ist Ziel des Hinduismus. In der „Verordnung des Manu" heißt es ferner, daß die Frau mit einer sündigen Seele geboren sei und daher dem Mann untergeordnet. Von einer guten Ehefrau erwartet man Treue und Ergebenheit.

In Indien hat sich erst in den vergangenen Jahren eine Emanzipationsbewegung gebildet, die eine Gleichstellung der Frau verlangt. Eine Tochter gilt vielen indischen Familien immer noch als Unglück. Denn die Mitgiftsummen für die Heirat sind hoch. Und viele Ehefrauen werden immer noch um dieser Mitgift willen von ihren Ehemännern ermordet. Restimmte religiöse Zeremonien können nur von Männern durchgeführt werden. Auf dem Weg, das spirituelle Ziel der Befreiung durch völlige Askese zu erlangen, sind Frauen natürlich ein Hindernis.

■ Der Buddhismus, der in Nordindien entstand, hat einerseits das vorherrschende Frauenbild übernommen: die Ehefrau als liebevolle, fleißige, umsichtige und freigiebige Gefährtin des Mannes. In den asiatischen Ländern des Buddhismus herrscht immer noch die traditionelle Rollenteilung vor: die Frau ist zuständig für die Familie und das Heim, für die Pflege des Hausaltars und für die religiöse Erziehung der Kinder.

Andererseits hat der Religionsstifter Ruddha auch Neuerungen eingeführt. Zur Verbreitung und Bewahrung seiner Lehre hatte er einen Mönchsorden gegründet. Die Zulassung eines Nonnenordens lehnte er hingegen anfangs ab, obwohl sich unter seinen Laienanhängern auch zahlreiche Frauen befanden. Erst auf das Drängen seiner Tante hin stimmte er dann der Ordinierung von Frauen zu. Eine kleine Revolution, denn bisher war es indischen Frauen nicht möglich gewesen, ein asketisch-enthaltsames Leben außerhalb des Familienkreises zu führen. Allerdings wurden die Nonnen den Mönchen untergeordnet.

Heute ist die Realität der buddhistischen Nonnen eher düster. In vielen Ländern haben sie nur einen Novizen-Status, keine soziale Anerkennung, wenig finanzielle Unterstützung und daher auch keine Möglichkeit für tiefergehende Ausbildung. Im japanischen Zen-Ruddhismus beispielsweise mußten sich die Nonnen die Erlaubnis, als Lehrerinnen oder Meisterinnen zu wirken, erst in diesem Jahrhundert mühsam erkämpfen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in den beschriebenen Religionen die Aufgaben der Frau im Rahmen einer Ehe in der Mutterschaft und der Haushaltsführung gesehen werden. Sie hat zwar oft die gleichen religiösen Pflichten wie der Mann, aber selten und gar nicht die Möglichkeit, als religiöse Lehrerin oder Gesetzesinter -pretin aufzutreten. Das Priesteramt' ist ihr in den meisten Traditionen ebenfalls verwehrt.

Die Autorin ist Journalistin im ORF (Abteilung Religion) und studiert Geschichte und Religionswissenschaft

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