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Werben um Frauen

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Eher vorsichtig wagen sich Österreichs Politiker an die Probleme der Mehrheit: Zwar werden nach außen hin bei uns — wie überall — emotionsgeladen radikale Emanzipationsphrasen feilgeboten, der langen Reden kurzer Sinn findet aber nur unbemerkbar seinen Niederschlag. Das vielleicht deshalb, weil die Meinungsforscher die männlichen Politiker entsprechend vorgewarnt haben. Nämlich: Der Großteil der österreichischen Frauen ist mit seinem Schicksal zufrieden und möchte nicht über Nacht „gleichberechtigt“ sein.

In Österreich gibt es keinen so ausgeprägten Typ der Frauenrechtlerin, wie wir ihn beispielsweise im anglo-amerikanischen Raum finden. Im Gegenteil: Der Ruf „Entmachtet die Männer“ und „Alle Macht den Frauen“ dürfte nirgends so leise erhoben werden wie bei uns. Deshalb sind es auch in erster Linie Männer, die mit „mehr Recht den Frauen“ bei den weiblichen Staatsbürgerinnen um die Gunst werben.

Im Herbst will nun Justizminister Broda mit der — so meint er — „Krönung der Familienrechtsreform“ aufwarten, dem neuen Eherecht. Der Entwurf, der in Begutachtung gehen und 1973 dem Parlament vorgelegt werden soll, wird mit der Federführung des Mannes in der Ehe aufräumen und an die Stelle der patriarchalischen Ehe die partnerschaftliche setzen wollen. Die Regierung glaubt damit den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen zu können.

Bedeutsamer als diese Möglichkeit zur Namenskosmetik ist allerdings die Absicht des Justizministers, die Unterhaltsverpflichtung in der Ehe neu zu regeln. Jeder Ehegatte — also auch die Frau — soll verpflichtet sein, durch seine Erwerbstätigkeit zum Unterhalt des anderen Eheteiles beizutragen.

Noch aber ist die Familie nicht

„geköpft“ und der Mann das „Haupt der Familie“. Dafür aber wurde schon den ledigen Müttern, die selbst in ihrer Halbfamilie den „Mann“ stellen müssen, durch die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes eine Verbesserung gebracht. Seit nunmehr etwas mehr als einem Jahr ist das uneheliche Kind mit dem ehelichen bei Unterhalt und Versorgung gleichgestellt. Maßstab dafür sind die Lebensverhältnisse des Kindesvaters. Die Höhe des zu leistenden Unterhaltes wird vom Gericht festgelegt. Da aber bei den gerichtlichen Entscheidungen regional erhebliche Differenzen bestehen, wird im Herbst eine Enquete diese Unterschiede auszuräumen versuchen. Beim Landesgericht in Wien hat beispielsweise ein zuständiger Senat für die Höchstunterhaltszah-lungssätze fixe Summen angegeben, während ein anderer dagegen generell 17 Prozent des Nettoeinkommens des Kindesvaters als Alimente für angemessen bezeichnet.

Die Pflege und Erziehung des unehelichen Kindes fällt in erster Linie der Mutter zu. Allerdings hat auch Brodas Reform der Mutter keine elterliche Gewalt eingeräumt, sondern ihrlediglich einen Rechtsanspruch zugesichert, zum Vormund bestellt zu werden.

Nach wie vor herrscht Unklarheit, welches Recht die Frau über ihre Leibesfrucht hat. Die Abtreibungsdiskussion ist zwar noch keineswegs erschöpft, doch sind die Fronten mehr als deutlich erkennbar. Alle jene aber, die mehr Recht für die Frauen über den Umweg des uneingeschränkten Rechtes der Frau auf ihre Leibesfrucht erkämpfen wollen, geraten in die Sackgasse.

Auch die ÖVP will angesichts der Frauenwelle nicht nachstehen. Beispielsweise initiierte die ÖVP-Familienpolitikerin Hubinek einen Vorstoß für die Teilzeitbeschäftigung der Frau. Ebenfalls auf das

Konto Hubinek ist die Forderung nach einer Hausstandsgründungsbeihilfe von 7500 Schilling für ledige Mütter zu buchen.

Während man so rührend und rührig den Frauen den Hof macht, laufen diese Gefahr, daß sie ein für sie wesentliches Recht verlieren: nämlich die Wahlfreiheit zwischen Hausarbeit und Beruf. Denn dort, wo man es nicht vermuten würde, fällt eine für die Mitbürgerinnen bedeutsame Entscheidung — bei der Steuerreform, die diesen Herbst im Parlament über die Bühne gehen wird.

Die Androsch-Pläne könnten nämlich die Wahlfreiheit zwischen häuslicher Betätigung und Beruf nach schwedischem Muster ein für allemal still und heimlich liquidieren. Der daraus resultierende Zwang zur Berufstätigkeit aber kann durch keine noch so angenehme Namenskosmetik aus der Welt geschafft werden. Die Frage ist nur, ob das — bei aller Rechtsreform — richtig ist. Denn schon heute steht Österreich auf dem zweiten Platz der Frauenbeschäftigung in Europa.

Gerade die berufstätige Frau aber dürfte es am schwersten haben — und hier kann auch die formale Gleichstellung mit dem Mann nur wenig helfen.

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