Verliebt, verlobt und VERSORGT

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Immer mehr Paare entscheiden sich für ein Leben ohne Trauschein. Trotzdem bietet die Ehe auch einige Vorteile gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft.

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Immer mehr Paare entscheiden sich für ein Leben ohne Trauschein. Trotzdem bietet die Ehe auch einige Vorteile gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft.

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Es ist Dezember, als Ebru Ö. und ihr Freund Serdar E. eine Fahrt mit dem Wiener Riesenrad unternehmen. Als sie sieht, dass der Wagon geschmückt ist und ein Dinner samt eigenem Kellner wartet, ist Ebru überrascht. Am höchsten Punkt des Riesenrades angekommen folgt der Kniefall des Freundes und ein Antrag. "Die Leute, die zu uns hinein gesehen haben, haben gejubelt und applaudiert. Und ich habe natürlich Ja gesagt", schwärmt die 22-jährige Junior Brand Managerin einer großen Molkerei.

36.140 Mal wurden laut der jüngsten Statistik im Jahr 2013 Ringe an den österreichischen Standesämtern ausgetauscht. Im Vergleich zu 2012 sind die Ja-Worte damit um mehr als sechs Prozent deutlich zurückgegangen. Auch hat sich die Zahl der Eheschließungen seit Jahrzehnten kontinuierlich minimiert, während sich nichteheliche Lebensformen als Alternative dazu entwickelt haben, wie eine Studie der Wiener Soziologinnen Caroline Berghammer, Eva-Maria Schmidt und Katrin Fliegenschnee zeigt.

Die Vorteile der Ehe

Sich nicht offiziell auf ewig binden zu wollen oder einfach ohne Eheringe das Leben zu teilen, diese Lebensweise entspricht nicht länger einer anormalen Form der Beziehungsgestaltung. Hier stellt sich die Frage, warum sich trotzdem immerhin rund 36.000 Personen pro Jahr im wahrsten Sinne des Wortes "trauen". Welche Vorteile bietet eine Ehe heute noch gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften? "Wenn ich mit einem Lebensgefährten lebe, bestehen wechselseitig überhaupt keine Rechte und Pflichten. Man könnte das natürlich alles vertraglich ausmachen, aber das tut kaum jemand. Vor allem deshalb, weil man das meist gar nicht will", weiß der Rechtsanwalt Marco Nademleinsky, der sich auch mit Familienrecht beschäftigt. Weil es hierzulande keine Haushaltsbesteuerung gibt, fällt das Heiratsmotiv, Steuern zu sparen, jedenfalls weg. Auch wegen der Kinder muss heute nicht mehr zwingend geheiratet werden, denn diese sind, was das Erbrecht angelangt, mit nichtehelichen Kindern gleichgestellt. In Lebensgemeinschaften muss eine gemeinsame Obsorge-Erklärung für das Kind abgegeben werden, sonst gibt es keine Unterschiede zu verheirateten Eltern.

Das Ja vor dem Standesbeamten hat vor allem im Fall einer Scheidung vorsorgende Wirkung für einen der Eheleute: "Wenn man unverheiratet ist, hat man in diesem Fall keinerlei Anspruch auf Unterhalt, man bekommt nichts", so Nademleinsky. Auch bei der Aufteilung des gemeinsamen Besitzes stellen sich - sofern dieser nicht vorab vertraglich geregelt wird - mitunter große Probleme ein. Während dieser in der Ehe nach dem 50:50-Prinzip geteilt werden, steigt in der Lebensgemeinschaft ein Partner oft viel schlechter aus: "Wenn ein Haus gebaut wird, dass auf den Namen des Mannes läuft, weil er das Grundstück geerbt hat und die Frau beteiligt sich mit 50.000 Euro, dann bekommt sie genau diese 50.000 Euro zurück. An der Wertsteigerung des Grundstückes und Hauses kann sie nicht partizipieren, das ist also so, als würde mir ein vollkommen Fremder Geld leihen." Stirbt der Partner, dann werden Lebensgefährten im Erbrecht nur dann bedacht, wenn es das Testament des Verstorbenen so vorsieht.

Doch wie sehen die Beweggründe der Eheleute in spe oder jener Paare aus, die den Schritt schon getan haben? Nach den Erfahrungen von Nicole Gröbner von der Agentur "Perfekte Hochzeit" sind es weniger rationale, sondern vielmehr emotionale Komponenten, die Paare vor den Traualtar führen. "Wir merken, dass die Beziehungen oft schon sehr lange bestehen, man schon gemeinsame Kinder hat und viel miteinander durchlebt hat. Der Schritt zur Ehe stärkt diesen Weg noch und es wird ganz bewusst Ja zueinander gesagt."

Ein Schluss, zu dem auch die soziologische Untersuchung Caroline Berghammers kommt. Ihr zufolge wird die Ehe von den Österreichern als "Ideal der funktionierenden Liebe" und "größter Liebesbeweis" betrachtet. Die Hochzeitsfeier selbst soll - so weiß es Weddingplanerin Gröbner - ohne viel "Klimbim", dafür eher im Vintage- und Landhausstil ablaufen. "Die Paare wollen ins Freie, in einen Garten. Es soll schön und familiär und vor allem nicht inszeniert sein." Ganz nach dem Motto "Drum prüfe, wer sich ewig bindet", seien die künftigen Eheleute meist Mittdreißiger. Das zeigt auch die Studie zu Ehe und Lebensgemeinschaften in Österreich. Demnach wird eine Hochzeit für viele erst mit steigendem Alter und nach einer länger bestehenden Partnerschaft vorstellbar.

Wenn die Zeit reif ist

So auch bei Sabrina und Michael T., die sich im vergangenen Jahr nach zehn Jahren Beziehung und einer gemeinsamen Tochter "trauten"."Es war mir einfach wichtig, das Ganze offiziell zu machen. Das wäre es wohl auch ohne das Ja-Wort, aber man wächst eben mit dieser Vorstellung auf", erklärt Sabrina. Auch Michael merkte kurz nach seinem dreißigsten Geburtstag, dass die Zeit gekommen war: "Beruflich war ich stabil, das Kind war da und ich wollte endlich richtig Verantwortung übernehmen."

Geheiratet wurde schließlich im kleinen Kreis -auch in der Kirche. "Ich bin nicht besonders gläubig, aber irgendwie war uns der Segen von oben dann doch wichtig", erklärt Sabrina. Ein Trend, den auch die aktuelle Kirchenstatistik zeigt: Während tendenziell weniger Menschen die Messe besuchen, haben 2012 wieder mehr, nämlich 12.364 Paare von insgessamt 38.592, auch kirchlich geheiratet. Nach den Veränderungen in der Beziehung nach einem Jahr Ehe gefragt, müssen Sabrina und Michael schmunzeln. "Ich habe immer gelacht, wenn Freunde sentimental über ihre 'noch engere Bindung' gesprochen haben. Aber es stimmt, es fühlt sich jetzt noch besser an", meint Michael.

Auch für Ebru Ö. und ihren Verlobten Serdar E. überwiegen die emotionalen Motive: "Ich habe immer gesagt, dass ich meine Liebe einmal so verewigen möchte. Für mich war aber auch klar, dass ich nicht erst nach der Karriere, sondern jung heiraten möchte. Ich wollte wirklich durch dick und dünn und durch die jungen und alten Zeiten gemeinsam gehen", erklärt Ebru. Heiraten wird das Paar mit türkischen Wurzeln im Mai 2016. Zuerst wird am 1. Mai eine große Verlobungsfeier abgehalten. "Das wird eigentlich wie eine kleine Hochzeit. Es wird getrunken, getanzt, es gibt Musik, viele Leute und schöne Kleider", freut sich die Braut in spe.

Unbeliebte Eheverträge

Nicht nur bestimmte Rechte, sondern auch Pflichten kommen mit dem Ja vor dem Standesbeamten auf die Eheleute zu. So wäre es etwa vorgeschrieben, gemeinsam zu wohnen und Beistand in materieller, wie auch immaterieller Sicht zu bieten. "Es gibt diese Pflichten zwar, aber sie sind nicht eigens durchsetzbar. Beispielsweise müssen die Ehegatten einander treu sein, Interesse zeigen und sich anständig begegnen. Wenn sich jemand nicht so verhält, kann ich das aber nicht einklagen", so Nademleinsky. Die Verletzung dieser ehelichen Pflichten würde aber einen Scheidungsgrund darstellen.

Die Vorteile der Ehe können nicht verheirateten Paaren ebenso zukommen - vorausgesetzt, sie halten alle Punkte in Sachen Unterhalt, Aufteilung ,etc. vertraglich fest. "Mit der Ehe stellt man quasi das gesamte Rechtspaket zur Verfügung. Anpassen könnte man es aber noch mit einem Ehevertrag", weiß der Rechtsanwalt. Streit um Unterhalt, Besitz und anderes im Falle einer Scheidung, fielen damit ebenso weg. Obwohl die Sicherheit des Ehevertrages auf den ersten Blick naheliegend erscheint, schließen in Österreich weniger als ein Prozent einen Ehevertrag. "Das liegt daran, dass man dann auch eine Gebühr von zwei Prozent jenes Wertes, den man im Vertrag festlegt, an das Finanzamt abführen muss", erklärt der Experte.

Für Ebru Ö. kommt ein Vertrag ohnehin nicht in Frage. "Wenn die Ehe kaputt geht, dann will ich gar nichts mehr von meinem Mann", meint sie. Ihre Zukunft als Ehefrau sieht sie optimistisch. "Da wir noch ganz am Anfang unseres Leben stehen, haben wir die Chance zu sehen, was wir alles gemeinsam durchstehen können. Irgendwann will ich zurückblicken und sagen: Schau mal, was wir alles schon geschafft haben."

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