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Digital In Arbeit

Ohne Patriarchen & Hausmütterchen

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„Neue Evas“ brauchen „neue Adams“ - die Suche nach neuen partnerschaftlichen Verhaltensweisen ist angesagt. Aber wo lernen Frauen wie Männer dieses gleichberechtigte Miteinander? Elternhaus, Schule, Berufswelt, Kirche bereiten oft nur halbherzig, meist gar nicht darauf vor.

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„Neue Evas“ brauchen „neue Adams“ - die Suche nach neuen partnerschaftlichen Verhaltensweisen ist angesagt. Aber wo lernen Frauen wie Männer dieses gleichberechtigte Miteinander? Elternhaus, Schule, Berufswelt, Kirche bereiten oft nur halbherzig, meist gar nicht darauf vor.

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Er hilft bei der Hausarbeit, packt zu, wenn die Kinder versorgt und betreut werden müssen und versteht, daß sie den Wunsch hat, ihren Horizont auch außerhalb der Familie zu erweitern. Sie unterstützt ihn, wenn ihm die Arbeit über den Kopf wächst, repariert ein kaputt gewordenes Abflußrohr im Notfall selbst und versteht, daß auch einem Mann manchmal zum Weinen sein kann. Wichtige Entscheidungen treffen sie gemeinsam.

Eine partnerschaftliche Ehe — repräsentativ für die österreichisehen Familien? Leider nein! Denn noch immer herrschen hierzulande in den Beziehungen andere Gesetze: Der Typus des brüllenden Patriarchen ist da ebenso vertreten wie der des unersetzlichen Hausmütterchens, ohne dessen stete Arbeit alle Familienmitglieder buchstäblich „erschossen“ wären. Übernimmt die junge Generation tatsächlich nach wie vor die Denk- und Verhaltensmuster ihrer Eltern?

Tatsache ist, daß die Vorbilder von Mutter und Vater und das in der Familie erlernte Rollenverhalten die Kinder — und damit die nächste Erwachsenengeneration — entscheidend prägen. 1983 wollten immerhin noch 58 Prozent der Männer nach Möglichkeit keinen Handgriff im Haushalt machen (Mikrozensus-Erhebung). Aber auch Frauen bevorzugen vielfach noch ein Weibchen-Dasein gegenüber einer echten Partnerschaft (nach einer Fessel-Umfrage sind dies fast 40 Prozent).

So gesehen haben Österreichs Ehegesetze rein normativen Charakter: Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (ABGB 89) sind nämlich die Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander gleich. Mann und Frau sollen zudem „ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich“ gestalten (91). Auch den weiteren ehe7 rechtlichen Bestimmungen hegt eindeutig das partnerschaftliche Leitbild zugrunde.

Auch die Ehevorstellungen der katholischen Kirche sind von der Gleichheit in Würde und Verantwortung von Frau und Mann geprägt. In „Familiaris Consortio“, einem päpstlichen Schreiben zu Ehe und Familie aus dem Jahre 1981, heißt es: Gott hat Mann und Frau „in gleicher Weise personale Würde und jene unveräußerlichen Rechte und Verantwortlichkeiten, die der menschlichen Person zukommen“, gegeben.

Wo aber können Frau und Mann das partnerschaftliche Miteinander erlernen, wenn sie es im Elternhaus nicht erlebt haben? Besonders wichtig könnte die Vorbereitung junger Menschen sein. Die Ehevorbereitung der katholischen Kirche, die in Osterreich in allen Diözesen mit Ausnahme von Gur k - Klagenfurt vor der kirchlichen Eheschließung obligatorisch ist, vertritt ebenfalls das Prinzip der Partner schaf tlichkeit

In Wien beispielsweise, wo wie in jeder Diözese die äußere Form dieser Vorbereitung selbst bestimmt werden kann, gestaltet ein vorher geschultes Ehepaar einen einzigen Nachmittag für die Brautleute. Ob diese wenigen Stunden ausreichen? „Partnerschaft lernen kann man ohnedies nicht in der Ehevorbereitung“, ist Josef Petrik, Vorsitzender des Katholischen Familienwerkes Österreichs, das für die Ehevorbereitung und -begleitung in ganz Osterreich zuständig ist, überzeugt, „allerdings kann man Anstöße geben.“

Besonders notwendig wäre es nach Ansicht Petriks, daß das Paar auch nach der Hochzeit in der Pfarre Ansprechpartner hat. Er bedauert, daß die Ehebegleitung in den Pfarren noch keinen Pastoralen Schwerpunkt darstellt: „Ehepaare werden für die Kirche erst wieder als Eltern interessant“ Dann allerdings sieht Petrik im Taufgespräch einen ausgezeichneten Ansatz. Beim Taufgespräch könne man den Eltern auch einen kooperativen Erziehungsstil nahelegen, der der Part-nerschaftlichkeit zwischen Frau und Mann entspricht. Aber: „Die Chance für die Elternbildung wird aber leider kaum genützt.“

Aber auch die Schule hat sich das Lernziel Partnerschaft gesetzt. Mit Beginn dieses Schuljahres werden nämlich Mädchen und Buben gemeinsam in der vierten Klasse der Hauptschule und der Allgemeinbildenden Höheren Schulen verpflichtend im Fach „Hauswirtschaft und Partnerschaft“ unterrichtet.

Außerdem gab das Unterrichtsministerium zu Beginn dieses Jahres den Medienkoffer „Frau und Mann: Partnerschaft“ heraus. Darin sind Materialien für verschiedene Unterrichtsgegenstände zusammengestellt, mit deren Hilfe eine unterschiedliche Behandlung von Mädchen und Buben vermieden, Vorurteile abgebaut und ein partnerschaftliches Verhalten geweckt werden soll. Damit der Medienkoffer auch wirklich alle Schüler zwischen zehn und fünfzehn Jahren erreichen kann, wird er Hauptschulen, AHS, Polytechnischen Lehrgängen und Pädagogischen Instituten auf Anfrage kostenlos zur Verfügung gestellt.

Ein Teil des Unterrichtsbehelfs enthält Anregungen für die Lehrer zur Gestaltung einzelner Schulstunden. In einem Film wird die Frage von Rollenklischees in aufgelockerter und humorvoller Weise behandelt Speziell für Schülerinnen und Schüler sind zwei Broschüren gedacht mit Bildergeschichten zum Thema Partnerschaft, zur Arbeitsteilung, zu sogenannten „weiblichen“ und „männlichen“ Verhaltensweisen.

Das Fehlen des partnerschaftlichen Miteinander ist häufig die Ursache von Schwierigkeiten in den Familien, die im besten Fall in einer Familienberatung oder -therapie aufgearbeitet werden können. Allein die Kirche führt ein Drittel der insgesamt 150 Familienberatungsstellen in ganz Österreich. Auch hier versuchen die Psychologen in den jährlich rund 40.000 Gesprächen, die betroffenen Eheleute zu mehr partnerschaftlichem Miteinander hinzuführen.

Der Linzer Familientherapeut Harry Merl ist seit zwanzig Jahren mit seelischen Erkrankungen konfrontiert, die ihren Ursprung in familiären Problemen haben. Er stellt ein rapides Ansteigen von Schwierigkeiten innerhalb der Familien, aber auch innerhalb der menschlichen Beziehungen im allgemeinen fest. Ein wesentlicher Grund dafür besteht seiner Meinung nach darin, daß in unserem Jahrhundert durch äußere Umstände die Rolle der traditionellen Familie in Frage gestellt worden sei, sich jedoch keine praktikablen und sinnvollen Alternativen dazu gefunden hätten. Für ihn ist deshalb klar: „Es gilt, ein neues Bild der Partnerschaft zu entwickeln, denn die traditionelle Familie mit ihren patriarchalischen Strukturen ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß.“

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