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Zur Familie gibt es keine Alternative!

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Für 93 Prozent der Jugendlichen ist ein glückliches Familienleben sehr wichtig, für keinen unwichtig

Das Jahr 1978 wurde von der österreichischen Bischofskonferenz zum „Jahr der Familie“ erklärt. Manche werden es mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen wie das „Jahr der Frau“, das „Jahr des Denkmalschutzes“ oder das „Jahr der Menschenrechte“. Sind das nur leere Schlagworte oder steckt doch mehr hinter diesen „Jahren“? Haben sie nicht ihre Berechtigung und ihren Sinn, wenn sie Themen gewidmet sind, die in der Öffentlichkeit noch zu wenig beachtet oder in ihrer Bedeutung viel zu wenig anerkannt werden? Wenn vor allem den Initiatoren bewußt ist, daß mit einem solchen „Jahr“ nur ein Schwerpunkt gesetzt werden kann, die Arbeit fortgesetzt werden muß?

Die Initiative zum „Jahr der Familie“ ging vom Katholischen Familienverband im Zusammenwirken mit dem österreichischen Laienrat aus, die erste Anregung kam von Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger. Dem im Frühsommer 1977 gebildeten Kontaktkomitee, das die inhaltliche und planerische Arbeit koordiniert, gehören zahlreiche gesamtösterreichische Organisationen aus dem katholischen Bereich und die Evangelische Kirche Österreichs an. Vorsitzender ist der Präsident des Katholischen Familienverbandes Österreichs, Dr. Helmuth Schattovits, sein Stellvertreter der Vorsitzende des Katholischen Familienwerkes Österreichs, Prof. Josef Petrik, Geschäftsführer der Generalsekretär des Familienverbandes, Heinrich Gotsmy.

Die Aktivitäten im Rahmen des Jah-resprogrammes sind nach monatlichen Schwerpunkten gegliedert:

• Warum „Jahr der Familie“? (Jänner),

• Familie und Recht (Februar),

• Familie und christliche Gemeinde (März),

• Familie und Wohnung (April),

• Familie und Ehe (Mai),

• Familie und ihre Probleme (Juni),

• Familie und Freizeit (Juli),

• Familie und Massenmedien (August),

• Familie und Schule (September),

• Familie lind Gesellschaft (Oktober),

• Familie und Arbeitswelt (November),

• Die „neue Familie“ (Dezember). Der erste starke Impuls erfolgte bereits in den Silvester- und Neujahrsansprachen der österreichischen Bischöfe, in denen im Sinne der Initiatoren Wert und Bedeutung der Familie hervorgehoben wurden. Um den Familiengedanken auch in eher fernstehende Bevölkerungskreise zu tragen, stellte der Familienverband unter dem Titel „Anregungen zum Jahr der Familie“ eine Mappe zusammen, die für ganz Österreich verschiedene Projekte propagiert, darunter etwa:

• Informationsstände in Fußgängerzonen,

• Straßensammlungen für eine Sozialaktion,

• Grußkarten über die Grenzen,

• Luftballons, Autopickerl und dergleichen.

Nach dem Pressegespräch in der Vorwoche, bei dem der Öffentlichkeit die konkreten Aktionen angekündigt wurden, wird die Salzburger Studientagung vom 19. bis 21. März 1978 in St. Virgil eine erste innerkirchliche Aussprache mit dem Thema „Familie-Aufgabe und Erfüllung“ bringen, mit dem Ziel, Leitlinien für die Familienarbeit in Pastoral, Bildung und Politik zu erarbeiten, „um die Gemeinsamkeiten zu stärken und innere Reibungsverluste zu minimieren“.

Für den Herbst ist zunächst ein Hirtenbrief zum „Jahr der Familie“ vorgesehen, der an dem noch zu terminisierenden Familiensonntag die wichtigsten Anliegen in Sachen Familie zusammenfassend darstellen soll. Für den Nationalfeiertag hat Bundespräsident Kirchschläger die Eröffnung des „Europäischen Familienkongresses“ (26. bis 29. Oktober 1978) zugesagt, zu dem Teilnehmer aus ganz Europa nach Wien reisen werden, die Post eine Sonderbriefmarke versprochen hat und die Familienstudie der STUDIA „Makropsychologische Untersuchimg zur Lage der Familie in Europa“ neben den Ergebnissen der Salzburger Studientagung als Unterlage dienen wird. Unmittelbar vor diesem Kongreß wird sich das vierte Badener Symposion mit der Frage „Maßstäbe für gesellschaftlichen Fortschritt“ befassen.Im Rahmen einer großen Familien-akademie im Dezember sollen Familien aus ganz Österreich Beispiele gelebte r Familienkultur darstellen, etwa Familienarbeit in <jen Pfarren. Gleichzeitig wird erstmals ein vom Familienverband gestifteter Journalistenpreis für hervorragende Berichterstattung zum Thema Ehe und Familie verliehen. Neben all diesen Großereignissen ist auch eine Reihe kleinerer Veranstaltungen geplant, insbesondere Seminare zu den Ergebnissen der Familienstudie, Familientage und Famj-lienrunden.

Wie Dr. Schattovits bei der Pressekonferenz betonte, wird mit dem „Jahr der Familie“ die Kirche als ge-sellschaftsgestaltende Kraft wirksam, ohne dabei mit den politischen Parteien in den Kampf um die Instrumente der Macht im Staat zu treten. „Die Familie kann vieles besser und billiger als der Staat“, meint Schatto-vits, der in ihr auch einen gerade heute so wichtigen „Problemloser“ sieht. Daß laut einer Umfrage 93 Prozent der 14- bis 24jährigen ein glückliches Familienleben als sehr wichtig betrachten, aber kein einziger als unwichtig, ist für ihn eine Bestätigung. Für ihn soll dieses Jahr ein Impuls für einen „Prozeß der Gesellschaftsreform durch Gesinnungsreform“ sein. Die Familie dürfe in der Politik nicht einem bestimmten Ressort zugeschlagen werden, sondern sie müsse ein „allgemeines Gestaltungsprinzip“ sein.

Analog zum Club-of-Rome-Bericht

„Die Grenzen des Wachstums“, der sich auf materielle Reserven bezieht, ist für Schattovits auch das „innere Wachstum“, also das der geistig-seelischen Werte, in eine Krise getreten. Wenn man die heutigen Trends weiterrechne, wäre in hundert Jahren jeder siebente Österreicher ein Selbstmörder, die Durchschnittsdauer einer Ehe betrüge nur mehr drei Jahre! Hier muß zweifellos eine Wende eintreten. Schattovits ist sich bewußt, daß das „Jahr der Familie“ noch keine Wunder wirken, Scheidungs- und Selbstmordraten nicht plötzlich senken kann. Aber vielleicht kann es den notwendigen Wandel, das erforderliche Umdenken einleiten und fördern.

Prof. Petrik ergänzte, daß ein Anlaß zu diesem Jahr die Tatsache sei, daß Ehe und Famüie zunehmend in Frage gestellt werden. Man wolle nun keineswegs von kirchlicher Seite alle Probleme leugnen und eine heile Familienwelt vorgaukeln, aber es sei nur natürlich, die positiven Seiten des Familienlebens besonders zu betonen, wenn auf die negativen schon von anderer Seite dauernd hingewiesen werde. Umso mehr gelte es, den in dieser Auseinandersetzung unsicher Werdenden Mut zu machen, denn: „Auch heute ist eine glückliche Ehe auf Dauer möglich! Und es lohnt sich, sich für Ehe und Famüie zu engagieren!“

Wieviel die Kirche heute schon in Famüienfragen leistet, deutete Gretl Pilz, die Generalsekretärin des Katholischen Familienwerkes, an, indem sie auf die Ehevorbereitung, die Ehe- und Elternbüdung und auf die Eheberatung hinwies. Auf all diesen Gebieten sind heute bereits ausgezeichnet geschulte Berater tätig, die sich auch Geschiedener und partnerloser Väter und Mütter annehmen. Ziel des heurigen Jahres ist die „neue Famüie“, die-so Pilz - auf einer partnerschaftlichen Beziehung nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Eltern und Kindern basieren muß. In einer solchen Famüie bestehe und wachse die Fähigkeit zum Gespräch, die Phantasie und Kreativität des Kindes und die richtige Einstellung zu Krisen und Konflikten.

„Der Reiz des Famüienlebens ist das beste Gegengift gegen den Verfall der Sitten“ sagte einst Jean-Jacques Rousseau. Darum müßte an sich jeder, der gegen den Verfall der Sitten (worunter keineswegs der Verlust einer „bürgerlichen Moral“, sondern vielmehr auch das Anwachsen jeglicher Kriminalität zu verstehen ist) eintritt, die Familie nach Kräften und nicht nur verbal fördern. Denn, genau betrachtet, zur Familie gibt es nun einmal keine brauchbare Alternative.

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