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Die Soziale Frauenschule

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Zum 50jährigen Bestandsjubiläum der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Caritas der Erzdiözese Wien, der ehemaligen „Sozialen Frauenschule der katholischen Frauenorganisationen“, soll hier ein Bericht gegeben werden, um das Werden und Wachsen dieser Schultype und besonders des katholischen Anteils daran festzuhalten.

1910 hatte Fräulein Ilse von Arlt die „Kurse für Volkspflege“ in dem Gedanken geschaffen, daß Volkspflege wertvolle vorbeugende Fürsorge sei. Diese interkonfessionellen Kurse waren in Österreich der Beginn systematischer Ausbildung zu vorbeugender Fürsorge und wurden später auch zu einer Fürsorgeschule — „Vereinigte Fachkurse für Volkspflege (Arlt-Schule)“ — ausgebaut. Sie wurde 1938 aufgelöst und nach 1945 nicht mehr eröffnet.

Die 1907 gegründete „Katholische Frauenorganisation Niederösterreichs“, die damals bekanntlich auch Wien umfaßte, suchte bald nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht nur praktisch zu helfen, wo es möglich war, sondern bemühte sich auch, für die vielen sozialen Aufgaben, zu denen Frauen herangezogen wurden, eine gründliche Schulung zu ermöglichen. Die Präsidentin dieser Organisation, Frau Gräfin Gerta Walterskirchen, beauftragte die Leiterin der Bildungssektion, Angelika von Callenberg, die ersten Vorarbeiten dazu zu unternehmen. Diese baute die Soziale Frauenschule der Katholischen Frauenorganisation (KFO) Niederösterreichs . auf.

Jeder der leitenden Persönlichkeiten war die innere Haltung die wesentliche Voraussetzung für die Berufswahl der Schülerinnen. Es sollte ein auf religiöser Basis ruhender Beruf, nicht nur ein Erwerb sein. Die Fürsorgerinnen sollten nicht nur die Not bekämpfen lernen, sondern auch im Seelischen helfen, anderseits mußten sie vom Einzelfall auf die Gemeinschaft sehen lernen. Der Für-sorgerinnenberuf mußte durch gründliche Schulung zu einem angesehenen Beruf werden, die Fürsorgerin sollte nicht nur eine untergeordnete Helferin für den Arzt, Juristen und Pädagogen sein, was wohl lange Zeit der Fall war. Allmählich setzte sie sich jedoch zur selbständig wirkenden Kraft durch, deren Wirkungskreis sich wesentlich erweiterte (Tuberkuiosenfürsorge, Gewerbeinspektion, soziale Gerichtshilfe, Fabriksfürsorge, Mitarbeit in Sozialversicherungsanstalten usw.).

Gründung in schwerer Zeit

Das Sekretariat der Schule war in den | Räumen der Katholischen Frauenorganisation im 4. Bezirk, Mayerhofgasse 5, untergebracht. Der Aufbau und der Lehrplan der Schule für die theoretischen und praktischen Fächer wurden nach bereitwillig gegebenem Rat von Fräulein von Arlt und Mitteilungen der Sozialen Frauenschulen Deutschlands ausgearbeitet. Es wurde eine Art Frauenlehrjahr geplant, die Spezialisierung grundsätzlich vermieden beziehungsweise auf spätere, erweiterte Ausbildung verschoben. Eine sehr schwere Frage, die Raumfrage, galt es noch zu lösen. Die erste Unterkunft bot Prälat Doktor Hlawati, indem er den Zeichensaal des von ihm geleiteten Katholischen Mädchen-lyzeums im 4. Bezirk, Wiedner Hauptstraße 39, zur Verfügung stellte. Ab 24. Jänner 1917 stand ein geheiztes Lehrzimmer der Staatsrealschule im 4. Bezirk, Waltergasse 7, dreimal wöchentlich von 16 bis 20 Uhr zur Verfügung (beim Kohlenmangel jener Zeit eine wertvolle Hilfe), Kochen und Hauswirtschaft wurden täglich in der Gemeinschaftsküche der Katholischen Frauenorganisation im 4. Bezirk, Fleischmanngasse 4, Handfertigkeit und Nähen in der Marienanistalt in Wien III, Fasangasse 4, gelehrt, Säuglingspflege in der Reichsanstalt für Säuglingspflege im 18. Bezirk, Glanzinggasse.

Wie schwer war da doch das Unterrichten und Arbeiten, die Beschaffung der Naturalien für Kochen und Nähen, für Handfertigkeit, wie schwer die Erstellung eines Stundenplanes! Aber alle diese und viele andere Schwierigkeiten meisterten die beiden Damen Callenberg und Nevijel in ihrer Begeisterung für das als notwendig erkannte Werk.

Kardinal Piffl war der Schulgründung außerordentlich freundlich gesinnt und half, wo er konnte, Schwierigkeiten zu beseitigen; Kaiserin Zita interessierte sich sehr für die Schule. Die Lehrkräfte, die gebeten wurden, arbeiteten um Gotteslohn am Werke mit. Die öffentlichen Stellen boten jede mögliche Hilfe an, besonders der Briste Unterstaatssekretär im neuen Bundesministerium für Soziale Verwaltung, Dr. Josef Resch, der selbst im 1. und 2. Jahrgang die sozialen Fächer übernahm und bei den Abschlußprüfungen als Vorsitzender fungierte. Unter den größten Schwierigkeiten wurde am 1. Oktober 1916 mit zwölf ordentlichen und 16 außerordentlichen Schülerinnen das erste und im Herbst 1917 das zweite Schuljahr begonnen. Diese Schuljahre wurden in Trimestern geführt — die Stunden- und Lehrpläne liegen noch vor. Es war noch ein drittes Jahr, eine Art Frauenakademie geplant, doch dazu kam es wegen der Wirren des Jahres 1918 nicht mehr. Der Bericht von Frau Dr. Nevijel über diese Zeit anläßlich des zwanzigjährigen Schulbestandes schließt mit Ausdrücken hoher Anerkennung für den Emst der Lehrkräfte und der Schülerinnen, die sich ganz der Ausbildung für ihre große Aufgabe widmeten.

Nach Frau Dr. Nevijel übernahm für kurze Zeit Frau Dr. Maria Wimmer die Schulleitung. Sie wollte die an einen Stundenplan mit strenger Präsenz gebundene Unterrichtsweise, die bei dem enormen Unterrichtsstoff unbedingt nötig war, durch akademische Formen — beliebiger Schulbesuch, Abschluß der Fächer durch Prüfungen — ersetzen. Da sich dies nicht bewährte, legte sie die Leitung nieder.

Nun übernahm Schwester Hildegard Kloiber von der Caritas Socialiis, eine erfahrene

Lehrerin, die Leitung der Schule, die sich damals im 9. Bezirk, Pramergasse 9, befand. Der von ihr ausgearbeitete Lehrplan fand nach gründlicher Inspektion die Anerkennung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung durch die Verleihung des öffenilichkei tsrechtes mit Erlaß vom 12. Juni 1922. Der Stadtschulrat stellte mit Erlaß fest, daß die Soziale Frauenschule nicht in seine Kompetenz falle. Sie wurde unmittelbar dem Ministerium unterstellt und blieb es in der Folgezeit auch. Unsere katholische Schule war die einzige derartige Schule mit öffentlichkeitsrecht in Österreich.

Schulen ähnlicher Art waren um diese Zeit in Österreich die obengenannten Kurse für Volkspnege (gegründet 1911), die Fürsorgekurse an der Sozialen Akademie der Stadt Wien (1917) und die Fürsorgekurse des Landes Steiermark in Graz.

Jahre des Aufbaues

Infolge einer schweren Erkrankung von Schwester Hildegard Kloiber und der dadurch erfolgten Niederlegung der Direktion 1923, des Verlustes der Schulräume in der Pramergasse, die von dem Hauseigentümer, dem katholischen Arbeiterinnenverein, für eigene Zwecke beansprucht wurden, und der Inflation stand die Schule 1923 vor der Auflösung. Die Nachkriegszeit aber brauchte dringend katholische geschulte Fürsorgerinnen. Über vielfaches Drängen übernahm ich die Leitung der Schule.

Die erste Sorge galt einem Dach. Es gelang, die durch Übersiedlung des niederösterreichischen Gewerbevereines im 8. Bezirk, Josefstädterstraße 29/26, freiwerdenden Räume zu bekommen. Mit sieben Schülerinnen im I. und zwölf im II. Jahrgang mußte angefangen werden. Der Rest des kleinen Schulvermögens zerschmolz in der Inflation.

Aufnahmeerfordernisse waren die Matura einer Mittelschule oder der Nachweis einer erfolgreichen zweijährigen Weiterbildung nach der Pflichtschule mit Aufnahmeprüfung und einem Mindestalter von 18 Jahren. Die normale Ausbildung dauerte zwei Jahre. Bei gleichzeitigem Hochschulstudium — Psychologie oder Jus — konnte sie um ein bis zwei Semester verlängert werden.

Im Herbst 1925 nahm ich in Mailand an der von Brüssel ausgehenden Gründung der Union internationale oatholique de Service social (Vorsitzende Mlle. Baers, gest. 1959) teil. Um die katholische Schule Österreichs ganz den internationalen Leistungen anpassen zu können, erbat ich mir von den sozialen Fürsorgeschulen der ganzen Welt, deren Anschriften ich durch die Union erfahren konnte, die Prospekte und arbeitete dann einen Lehrplan für unsere Schule aus, den ich dem Bundesministerium für Soziale Verwaltung vorlegte und der unverändert angenommen wurde. Auch er baute auf höherer Vorbildung auf und sah eine zweijährige Ausbildung in Theorie und Praxis vor.

Die in der Not des Jahres 1923 gemieteten

Räume in der Josefstädterstraße 29 wurden bald zu klein und mußten durch die im Parterre und im 2. Stock gelegenen, des ehemaligen Zivilmädcheninstitutes in der Josefstädterstraße 39 im Gartentrakt ergänzt werden, wo gleichzeitig für die vielfach aus den Bundesländern stammenden Schülerinnen ein unter der Leitung der Englischen Fräulein (Mater Kaisertreu) stehendes Heim eingerichtet wurde. Die andere Hälfte der Räume erhielten die „Kinderfreunde“ und „Roten Falken“. Aber auch diese Räume wurden zu klein. Man erlebte wieder, wie in der Gründerzeit, die Schwierigkeiten der getrennten Räume. Es wurde ein hartes Ringen um neue, geeignete Räume, da der politische Gegner jedem Versuch Prügel in den Weg warf. Die Lösung brachte dann die Übersiedlung der Universitätszahnklinik aus dem Privathaws Wien 8, Florianigasse 46, in den Universitätskomplex. Die Räume brauchten aber für die ganz andere Verwendung vielfache Adaptierungen. Doch das unmöglich Scheinende gelang nach großen Anstrengungen: Seine Eminenz feierte auch in diesem Jahr wie immer das Weihnachtsfest mit uns, nachdem er die Räume geweiht hatte. In diesen schönen Räumen konnte sich die Schule entfalten, bis das Jahr 1938 ihre Auflösung erzwang. Sie umfaßte auch eine schöne Küche mit einem Speiseraum, in dem auch für unbemittelte Schülerinnen von der Kochschule hunderte reichliche Mahlzeiten unentgeltlich oder zu ganz niedrigen Preisen abgegeben wurden.

Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt die Soziale Frauenschule im caritaseigenen Haus, Wien 9, Seegasse 30, im Parterre und im I. Stock schöne Räume, in den übrigen Stockwerken ist ein von Schwestern der Caritas Sooialis geführtes Schülerinnenheim.

So war im Standort der Sozialen Frauenschule nach öfterer Wanderschaft Stabilität erreicht. Der Name erfuhr je nach dem Träger der Schule nur geringe Veränderungen: 1916 bis 1920 hieß sie „Social-carjitative Schule“, von da an „Soziale Frauenischule“, bis 1934 „der Katholischen Frauenorganisation“, dann „der Katholischen Aktion“ und ab 1945 „Soziale Frauenschule der Caritas der Erzdiözese Wien“. Das Schulorganisationsgesetz 1962 brachte die Umbenennung von „Soziale Frauenschule“ in „Lehranstalt für gehobene Sozialberufe“.

Die Schulleitung hat sich besonders seit 1923 bemüht, durch Ausgestaltung der Schule eine gesunde Basis zu schaffen.

Die Klärung der Zuständigkeit der Schulbehörde

Seilt der Schulgründung war sie dem Bundes-miiniaterium für soziale Verwaltung unterstellt. Von dont waren die Lehirplätze genehmigt und die Prüfungsvorsitzenden entsandt worden (zu Prüfungen in den medizinischen Fächern war es ein hoher Beamter des Volksgesundheitsamtes, für die sozial-juridischen Fächer ein Vertreter der sozialen Verwaltung), aber all diese Stellen hatten nichts mit dem Schulischen zu tun, hatten aber auch keine Möglichkeit, die Schule zu entlasten. Endlich 1936 gelang die Kompetenzübernahme mit der Begründung, daß die Soziale Frauenschule nicht nur Fürsorgeausbildung vermittle (BGBl. 73/1936). Die Schule hatte sich bis dahin, nur durch gelegentliche Subventionen unterstützt, fast selbst erhalten müssen.

Um jenen Anwärterinnen der Sozialen Frauenschule, die noch nicht die verlangte Vorbildung hatten oder noch nicht das 18. Lebensjahr nachweisen konnten, entgegenzukommen wurde ein einjähriger Vorbereitungskurs geschaffen. Bei der vielfachen Frauenberufstätigkeit der Mütter (viele Kriegswitwen!) waren die Kinder in der schulfreien Zeit der Straße überlassen. Dann wurden Horte, manchmal mit Ausspeisung, geschaffen, aber es waren keine geschulten Kräfte da. Irgendwer, der sich dazu anbot, wurde als Hortner bestellt, auch in den zahlreichen Horten der Caritas. 1928/29 wurde unser Vorbereitungslehrgang zu einer zweijährigen Hortnerinnen- und Erziehungsschule ausgebaut — es war die einzige derartige Schule in Österreich. Oft wurden deren Absolventinnen auch für private Stellen gesucht.

Vergeblich waren leider die Bemühungen lim einen Lehrgang für Klosterfrauen in Altersheimen für Alterspflege und -fürsorge. Er wurde von einem eine große derartige Anstalt leitenden geistlichen Herrn als unnötig mit den Worten abgelehnt: Zur Altersfürsorge braucht es nur Liebe, Liebe und nochmals Liebe.

Um aber jenen Schwestern, die sich der Altersfürsorge widmeten, aber im Schuljahr keine Zeit hatten, oder nicht eigens nach Wien kommen konnten, doch einen Einblick geben zu können, organisierte ich mit Hilfe des Provinzhauses der Kreuzschwestern in Linz, wo auch eine Absolventin unserer Schule tätig war, im Sommer 1931 einen von den verschiedensten Ordensgemeinschaften beschickten einwöchigen Kurs mit 50 Teil-

Vielfältige Kurstätigkeit

Getreu dem Wahlspruch des Franziskaners Pater Theodosius Florentini, des Gründers der Kreuzschwestern: „Die Bedürfnisse der Zeit

— das ist der Wille Gottes“, wurden um den Kristallisationskern der Sozialen Frauenschule ständig — durch die Bedürfnisse der Zeit erfordert — Kurse angegliedert, die teils der Aus- und Fortbildung in den sozialen Berufen, teils der Vermittlung allgemeiner Kenntnisse und Fertigkeiten, teils der Umschulung weiblicher Berufstätiger dienten.

Hier seien lediglich die erst unter dem Namen „Brautkurse“, dann unter dem Namen „Schulung fürs Leben“ bekannten Abendkurse für Frauen und Mädchen (Mindestalter 18 Jahre) mit insgesamt 96 Stunden erwähnt. Sie wurden vielen Mädchen eine wertvolle Ausrüstung fürs Leben.

Bis 1937 finde ich eine Eintragung von 3806 Teilnehmerinnen an Kursen — dazu kommen aber auch noch jene der späteren Jahre.

Die Seelsorgehelf'erinnenschule

In den Jahren 1926/27 nahm ich auch in Freiburg i. Br. mit Pater Wiesen von der Seelsorgehelferinnenschule des Caritasverbandes Deutschlands Kontakt auf und besuchte anläßlich einer Einladung der deutschen Fürsorgerinnen nach Berlin die Sankt Hedwigskirche, wo bereits ausgebildete Seelsorgehelferinnen tätig waren. Nach der Rückkehr besprach ich mich darüber mit unserem Religionsprofessor Hochwürden Engelhart, der eben an einem Buch über Großstadtseelsorge arbeitete. Er stimmte dem Plan einer systematischen Ausbildung der Seelsorgehelferinnen freudig zu. Vom Ordinariat der Erzdiözese zur Kenntnis genommen, begann am 27. Oktober 1927 für jene Fürsorgeschülerinnen, die sich dafür freiwillig gemeldet hatten

— der Stundenplan der Sozialen Frauenschule nahm darauf Rücksicht — der erste derartige halbjährige Lehrgang in Österreich. Es wurde mit Rücksicht auf die Erfordernisse beider Berufe, die einander oft ergänzen müssen, die Verbindung beider Ausbildungswege als wertvoll angesehen. Im Schuljahr 1929/30 wurde der Lehrgang für Seelsorgehelferinnen zweisemestrig (erstes Semester im I. Jahrgang der Sozialen Frauenschule von Mitte Oktober bis Ende März, das zweite Semester bis nach dem II. Jahrgang der Sozialen Frauenschule Ende November bis Anfang April). Die ersten Abschlußprüfungen wurden am 3. März, 1. und 3. April 1930 unter dem Vorsite von Kardinal Dr. Piffl und Weih- • bischof Dr. Kamprath abgeschlossen. Am 16. November 1934 wurde durch das Erzbischöfliche Ordinariat dem Lehrplan der Seelsorgehelferinnenschule die Genehmigung erteilt, mit Schreiben vom 15. Oktober 1934 der Sozialen Frauenschule die Anerkennung als katholische Schule im Sinne des Konkordates ausgesprochen.

1935/36 wurde die theologische und praktische Ausbildung noch durch ein an die abgeschlossene Fürsorgeausbildung angefügtes Trimester ergänzt und damit die Ausbildung abgeschlossen. Am 21. Dezember 1936 legten nehmerinnen. Er fand solchen Anklang, daß im folgenden Sommer in St Martin bei Schwaz in Tirol bei den Barmherzigen Schwestern der gleiche Kurs wiederholt wurde.

1926/27 besuchte ich auf der Rückfahrt von der Tagung der „Union internationale catho-lique de service social“ in Brüssel auch die Katholische Männerschule für soziale Arbeit in Heverlen bei Brüssel und erbat mir alle einschlägigen Unterlagen für eine derartige Schulgründung. Uberzeugt, daß an einer derartigen Schule die Berufserziehung das Wesentliche ist, daß aber für junge Männer die Schule von einem Manne geleitet werden müsse, sah ich für unsere Schule von der Gründung der Männerschule ab und übergab nach Besprechungen mit verschiedenen Männerorden das Material den Calasantinern.

Zur zehnjährigen Bestandsfeier der Sozialen Frauenschule, 1926, wurde das Abzeichen der Schule mit dem Schulmonogramm, geweiht von Seiner Eminenz, mit dem Schulwahlspruch „Allen alles werden“ geschaffen und die Vereinigung der katholischen Fürsorgerinnen gegründet (1. Vorsitzende Fräulein Luise Pakeniy).

So wie mich gelegentliche Studienfahrten in die Schulen anderer Länder führten, so zeigten die Eintragungen in unser Gästebuch den Besuch der interessierten Kreise des Auslandes an unserer Schule: aus Santiago de Chile, Texas, Kanada, New York, Warschau, Basel, Freiburg, Münster, Köln, Brüssel, Budapest, Agram, Sofia. die Absolventinnen der Seelsorgehelferinnenschule nach einer von Seiner Eminenz in der Churhauskapelle zelebrierten heiligen Messe in seine Hand das feierliche Berufsgelöbnis ab. So besaßen die Absolventinnen ein vollgültiges Zeugnis der Fürsorgeschule mit öffentlichkeitsrecht und ein eigenes Zeugnis als Seelsorgehelferin, für das es keine staatliche, aber eine kirchliche Anerkennung gab, ein Umstand, der für die vor der Türe stehenden Zeiten sehr wertvoll war.

Ausbildung von Polizeifürsorgerinnen

Nach 1945 verblieb die Ausbildung zur Seelsorgehelferin dem Seminar für kirchliche Frauenberufe, das zwischen 1938 und 1945 als rein kirchliche Institution bestehen bleiben konnte.

Zur gleichen Zeit schuf ich eine zweite Berufsbildungstype, die Ausbildung zur Polizeifürsorgerin. Die Nachricht von der Einführung der weiblichen Polizei in Deutschland veranlaßte mich 1926 auf der Rückreise von der Tagung der „Internationalen katholischen Union“ in Brüssel mit der Leiterin der weiblichen'Polizei in-Frankfurt am Main Fühlung zu nehmen. Dazu kam 1927, anläßlich einer Konferenz mit den deutschen Wohlfahrtspflegerinnen in Berlin eine Aussprache im Polizeipräsidium Berlin. Das Ergebnis dieser beiden Besprechungen und das Studium der einschlägigen Wiener Einrichtungen führte zu Vorschlägen an den für alle wertvollen Anregungen Immer aufgeschlossenen Wiener Polizeipräsidenten Dr. Hans Schober.

In Wien bestand seit 1909 bei der Polizeidirektion zur Versorgung schwerverwahrloster Kinder und Jugendlicher nach der Entlassung aus dem Polizeigefangenenhaus eine Dienststelle. Damit war besonders Dr. Walkhoff betraut, der auch eine erfahrene Beamtin, Frau Wesely, zur Fürsorgearbeit heranzog. Diese arbeitete sehr bald mit den privaten Fürsorgerinnen zusammen und erreichte eine fruchtbare Zusammenarbeit. Am “T. Dezember 1917 wurde ein eigenes polizeiliches Jugendamt geschaffen. Die Arbeit wuchs ständig, besonders nach dem ersten Weltkrieg, durch die notwendige Betreuung sittlich gefährdeter weiblicher Jugendlicher, von Lebensmüden und Trinkern. Geschulte Fürsorgerinnen sollten nun in dieser Arbeit helfen. Nach mehreren Konferenzen wurden dem Herrn Polizeipräsidenten der von mir und Herrn Polizeivizedirektor Dr. Brandl ausgearbeitete Lehrplan vorgelegt und von ihm gebilligt.

Der Lehrgang war geprüften Fürsorgerinnen und Frauen mit langjähriger einschlägiger Praxis zugänglich und dauerte ein halbes Jahr. Der Unterricht wurde von Lehrkräften der Sozialen Frauenschule und von Lehrkräften der Polizeidirektion in der Polizeischulkaserne erteilt. Gleichzeitig liefen die monatsweise abwechselnden Praktika im Sittenamt der Polizei, im Jugendgericht, in der polizeilichen Fürsorge, in einer Alkoholbekämpfungsstelle, einem geeigneten Kommissariat, im Referat für Geschlechtskrankheiten und Mädchenhandel. Eine Prüfung unter dem gemeinsamen Vorsite der Schule und der Polizeidirektion schloß die Ausbildung ab. Die Absolventinnen wurden sofort in entsprechenden Kommissariaten und in der Zentrale angestellt. Später wurden ausgebildete Fürsorgerinnen aufgenommen und durch die Polizeischule fortgebildet. Sie werden nun Kriminalbeamtinnen genannt und sind in Wien und in den Landeshauptstädten tätig.

Alle diese, vielfach Neuland erobernde geistige Arbeit sowie die Besprechung mit den in Betracht kommenden Stellen, die Bestellung der Lehrkräfte, Anlage von Skripten, Ermöglichung der Praktika usw. neben meinem eigenen Unterricht konnte nur geleistet werden, weil die Schule das Glück hatte, von 1924 bis 1957 eine der Schule mit dem ganzen Herzen verbundene Sekretärin zu haben, die in den Schulanfängen selbst die Fürsorgeschule besucht hatte.

Die schulische Gemeinschaft

Bei aller Arbeit wurde das in der Sozialen Frauenschule leitende Motiv zu verwirklichen gesucht, eine große Familie, eine Gemeinschaft zu sein. Der gleiche Raum, der der Schulung für die Berufsarbeit diente, war auch die Stätte, wo die geliebte Advents- und Weihnachtsfeier, die Faschings- und Schulschlußfeier gemeinsam von Lehrkörper und Schülerinnen gefeiert wurden, wo neben der Arbeit und dem Frohsinn die besinnlichen Stunden der Exerzitien zur Einkehr führten, wo später die Absolventinnen einmal im Monat in Gruppen in einer gemütlichen Teestunde zusammenkamen, ihre Berufssorgen austauschten, einander halfen, die Verheirateten die Bilder ihrer Kinder zeigten usw.

Um unbemittelten, geeigneten Schülerinnen den Schulbesuch zu ermöglichen, wurde verschiedenes versucht: In Verbindung mit dem Kochunterricht wurden sehr ermäßigte oder ganz unentgeltliche Mahlzeiten abgegeben. Durch die Gründung des „Vereines der Freunde der Sozialen Frauenschule“ wurde 1930/31 für unbemittelte, begabte Schülerinnen eine zinsenlose Stundung des Schulgeldes ermöglicht, die nach Beendigung des Studiums in kleinen Raten zurückzuzahlen war. Ich führte die Sammlung für den „Freundeskreis“ bei mir bekannten Personen noch bis 1963 fort und übergab im Mai 1963 Herrn Caritasdirektor Monsignore Prälat Dr. Ungar rund 57.000 Schilling zur widmungsgemäßen Verwendung.

Auflösung durch das NS-Regime

Am Tage nach der Besetzung Österreichs erschienen sechs stellenlose Nationalsozialisten, alle mit der Behauptung, zu Leitern der Schule bestellt zu sein. Bis auf einen konnte ich sie abschieben. Dieser eine, ein stellenloser Kellner, beschlagnahmte zunächst die Handkasse und erschien nun gegen wöchentliches Honorar täglich zur Schulzeft. Zum offiziellen Leiter wurde Herr Hofrat Dr. Reiter ernannt, der dann auch auf Wunsch eines SA-Mannes eine Wiederholungsprüfung einer in drei Gegenständen durchgefallenen Schülerin gestattete. Ein positives Ergeb-

...und ein neuer Anfang

Trotz der großen Schwierigkeiten wurde am 30. September 1945 mit einer heiligen Messe in der Servitenkirche die Schule wieder eröffnet. Am 1. Oktober begann pünktlich der Unterricht an unserer Schule, als einziger dieser Type. An der Schule wurden zunächst geführt: ein Vorbereitungsjahrgang für die Fürsorgeschule — durch die Ereignisse des Schuljahres 1944/45 waren die Schulkenntnisse allgemein mangelhaft —, der 1. Jahrgang der Fürsorgerinnenschule und der 1. Jahrgang der Hortnerinnenschule. Sie wurde zur Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen ausgebaut und bestand bis 1952.

Eine große Freude brachte der 7. Mai 1948, an dem wir mit allen erreichbaren ehemaligen Lehrkräften und Absolventinnen und mit den Schülerinnen im prächtigen Park des Hetzendorfer Schlosses unser erstes großes Wiedersehensfest feiern konnten. 21 Mitglieder des ehemaligen Lehrkörpers und 15 der Absolventinnen waren in die Ewigkeit gegangen.

Da sich das Bedürfnis nach geschulten weiblichen und männlichen Erziehern für die verschiedensten Alterstufen besonders an den verschiedenen Anstalten immer drängender zeigte, aber keine derartige Schule bestand, unternahm ich 1954 den Versuch, in einem Erzieherlehrgang solche Kräfte in Theorie und Praxis heranzubilden. Er wurde noch zweimal wiederholt, hatte aber nicht den gewünschten Erfolg. Es wurde dann in .Baden eine derartige Schule (Bundesinstitut für Heimerziehung) errichtet nis wurde nach dem Versagen in den Fächern ausgesprochen, nachdem die Schülerin erklärt hatte, einer Kollegin das Lesen von „Mein Kampf“ ermöglicht zu haben.

Obwohl ich — mit Wissen des Stadtschulrates — eine Fahrt nach Aachen unternahm, um durch die Leitung der dortigen katholischen Schule, Frau Dr. Offenberg, zu erfahren, unter welchen Bedingungen sie seit 1933 die katholische Fürsorgeschule führen konnte, um dann diese Spezialgegenstände einzuführen, wurden in Österreich unsere katholische und die anderen privaten Schulen im Herbst 1938 aufgelöst. Das Öffentlichkeitsrecht wurde am 19. Juli 1938, die Kenntnisnahme durch die Schulbehörde am 3. August 1938 entzogen. Das einzige Zugeständnis, das ich erreichen konnte, war, daß die Absolventinnen des

I. Lehrganges nicht sofort in den Arbeitsdienst eingezogen wurden, sondern den

II. Jahrgang der städtischen Fürsorgerinnenschule (Frau Heidenreich) besuchen durften. Sonst wären sie wohl nie in den Fürsorgeberuf gekommen.

Die Kataloge usw. mußten dem Bundesministerium für Unterricht sofort abgeliefert werden und sind dann besonders in der Bombenzeit auf verschiedenen Dachböden und Höfen herumgelegen. Es kostete nach der Wiedereinrichtung der Schule viele Mühe und Zeit, diese Dokumente wiederzufinden und vollständig in den Besitz der Schule zu bringen. War ja doch den Absolventinnen durch die vielen Bombenverwüstungen in Österreich und besonders bei der Vertreibung aus den Nachfolgestaaten alles verloren gegangen und eine Zeugnisabschrift aus unserem Katalog die einzige Basis einer Existenzgründung für sie, manchmal auch für die Angehörigen. Es gelang noch, die Bücher und, Möbel der Katholischen Aktion anstatt der NS-Lehrerorganisation zu übergeben.

1945 wurde bei der Regelung der katholischen Organisationen und deren Tätigkeiten durch die kirchliche Instanz die Soziale Frauenschule der Caritas der Erzdiözese Wien zugewiesen und in deren Namen das Gesuch um Anerkennung der Wiedereröffnung an den Stadtschulrat eingebracht. Die Wiedereröffnung der Schule wurde im August vom Stadtschulrat und im November vom Staatsamt für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten für Volksaufklärung zur Kenntnis genommen.

So war die Basis geschaffen und die Schule unmittelbar der Kompetenz des Bundesministeriums für Unterricht unterstellt. Das Ministerium ließ der Schule seine volle Unterstützung zuteil werden und der Bund übernahm auch zwei Dienstposten der Schule als lebende Subvention.

Die Schule wurde zusammen mit einer von Schwestern der Caritas Socialis in dem der' Caritas gehörenden Haus im 9. Bezirk, Seegasse 30, untergebracht. Große Schwierigkeiten machten die Beseitigung der Schäden im Gefolge der Kampfhandlungen und Plünderungen und die Wiederbeschaffung des Schulmobilars und der Lehrmittel.

Am 29. Juni 1957 fand wie alljährlich vormittags nach einer heiligen Messe in der Hauskapelle die Zeugnisverteilung statt — am Nachmittag wurde mir und Frl. Nestroy zum Abschied eine schöne Feier geboten. So war die Schule in jüngere Hände gelegt.

Bei einer Überschau der von der Sozialen Frauenschule geleisteten schöpferischen Arbeit muß man allerdings feststellen, daß — nicht wenig davon — später von anderen Stellen, vielfach auch katholischen, in „eigene Regie“ übernommen wurde. Trost soll es uns sein, wenn damit etwas Gutes geschehen ist — wenn es jetzt auch einen anderen Namen trägt.

Die Soziale Frauenschule ist in mancher Beziehung eine Schule wie jede andere auch — und doch war sie etwas ganz anderes. Nicht nur Schule, die den Intellekt bilden soll, der eine Stellenberechtigung gibt, sondern deren wesentlichstes Ziel Bildung des ganzen Menschen war: Herzens-, Willens- und Geistesbildung, deren Leitung erkannt hatte, daß der Wahlspruch der Schule zum demütigen „Allen alles werden wollen“ aufsteigen muß.

Sie hat sich Ihren Ruf vor allem dadurch erworben, daß sie eine Gemeinschaft von katholischen, auf ein hohes Ziel, auf geübte Liebe gerichteten Menschen zu werden suchte.

Anmerkung der Redaktion.“ Frau Hofrat Dr. Berta Pichl ist am 2. Februar 1966 in Wien gestorben. Der vorliegende Aufsatz ist die leicht gekürzte Fassung eines Berichtes, den Frau Hofrat Dr. Pichl als letzte Arbeit für diese Beilage verfaßt und der Schule in den Weihnachtstagen 1965 zur Verfügung gestellt hat. — Eine kurze Beschreibung des sozialen Ausbildungswesen Im Österreich der Zurtschenkrlec/szeit findet sich bei Dr. Alice Salomon, „Die Ausbildung zum sozialen Beruf, Berlin 1927, Seite 292 bis 295. Einen Überblick über die österreichischen Fürsorgeschulen mit Ihren Studienrichtungen und Aufnahmebedingungen enthält: Das Wissen um die Berufe, die Berufswahl und die Anstalten zur Bildung und Erziehung für Gewerbe, Handel und Industrie In Österreich. Wien, o. J. (zirka 1936).

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