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Notizen

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Unser Redaktionsmitglied Dr. Kurt Skalnik haue während eines einwöchigen Aufenthaltes im Saarland nicht nur Gelegenheit, die Probleme dieses Wetterwinkcls der europäischen Politik zu studieren, sondern auch als einziger österreichischer Journalist die Möglichkeit, unter anderem sowohl mit . Ministerpräsident Johannes H o f f m a n n als auch mit dem Führer der prodeutschen CDU, Dr. Hubert N e y, zu sprechen. Dr. Kurt Skalnik wird den Lesern der „Furche“ demnächst über seine Eindrücke berichten.

Zwischen dem 7. und 17. November wird in Wien die erste Straßenverkehrsenquete abgehalten. Die Gemeinde Wien erwartet sich von den Beratungen verwertbare Empfehlungen, die, auf weite Sicht betrachtet, die Grundlage abgeben für einen „Generalverkehrsplan“ und einen „General-Verkehrs-Entwicklungsplan“. Die Enquete wird in fünf Kommissionen tagen: 1: Grundsätzliche Angelegenheiten, 2: Straßenverkehrsplanung, 3: Baulichtechnische Fragen, 4: Gesetzliche Maßnahmen, 5: Verkehrspolitik und öffentlicher Massenverkehr. Bedeutende Fachleute aus Wien und Graz treffen sich mit Experten aus Westdeutschland, der Schweiz, Italien, Holland, England und Schweden. Bei einer

Pressekonferenz im Oesterreichischen Presseklub sprach amtsführender Stadtrat für das Bauwesen, Thaller, über die vorbereitenden Arbeiten. Bei der Diskussion wurde die Angelegenheit Schnellbahn nach Flotidsdorf bzw. Nutzbarmachung der Ver-bindungs- und Vorortebahn aufgeworfen; man hörte, daß auch diese Frage in den Kommissionen 1 und 5 zut Sprache kommen wird. Wir werden während der Enquete und nach dem Abschluß Referate, Diskussionen und Empfehlungen einer kritischen Betrachtung unterziehen.

Die Bundesgewerbeschule Wien I, in welcher der Baukünstler Camillo Sitte, der Autor des bekannten Werkes „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundlagen“, als Direktor wirkte und die zu ihren Absolventen u. a. auch den berühmten Kraft-wagcnkonstrukteur Porsche zählte, beging mit einer Reihe würdiger Veranstaltungen die Feier ihres 75jährigen Bestehens als maturaberechtigte Anstalt. Eigentlich kann die Institution ja auf 109 Jahre Tradition zurückblicken; im Jahre 1846 wurde das damalige Polytechnikum um eine gewerbliche Zeichenschule für Bau-, Manufaktur- und Maschinenzeichnen vermehrt; 1870 errichtete man die k. k. Bau- und Maschinengewerbeschule, zehn Jahre später nach kaiserlicher Entschließung in die k. k. Staatsgewerbeschule im ersten Wiener Gemeindebezirk umgeformt.. Die Schule führt bis auf den heutigen Tag als einzige Anstalt ihrer Art auch eine Bauabteilung, und man kann sagen, daß mindestens 75 Prozent der in Wien auf diesem Gebiete Wirkenden aus dem Hause in der Schellinggasse kommen. Seit 1880 sind mehr als 10.0 0 0 ordentliche Schüler ausgebildet worden. Derzeit gibt es 860 Schüler und 150 Bauhandwerker, die von 115 Lehrkräften in 41 Klassen unterrichtet werden. Die Ausbildung eines Schülers kostet dem Staate 3 5.000 Schilling. Die Aussichten der Absolventen werden — wie auf einer Pressekonferenz bekannt wurde — durchweg als sehr günstig beurteilt; meist erfolgen Verpflichtungen noch vor der Matura, die Gehälter bewegen sich zwischen 1600 und 3000 S. — In der Wiener Secession ist eine Jubiläumsausstellung zu sehen und eine Festschrift erschien.

Die stärkste Jugendbewegung Oesterreichs, die Katholische Jugend mit gegenwärtig 152.000 Mitgliedern, hat die P o 1 e n a k t i o n in der Durchführung des Mariazeller Gelöbnisses erfolgreich beendet. 30.000 S und viele Sachspenden konnten dem Patenlande Oesterreichs und seiner Kirche übermittelt werden. Unter den Sendungen befanden sich auch dringend benötigte Druckschriften, wie „Orbis catholicus“, der „Wiener Seelsorger“: von Noldin „Theologia moralis“ und andere theologische Fachwerke sowie Breviere; die Badner Jugend hat Para-mente gespendet. Wie Dankschreiben beweisen, sind die Sendungen gut angelangt. Am 8. Oktober wird in Wien zum Gedächtnis an die Ereignisse des Jahres 1938 der Bekenntnistag abgehalten. Am 16. Oktober wird die Kinderwallfahrt nach Klosterneuburg stattfinden, bei der Erzbischof-Koadjutor Dr. Jachym die Andacht abhält; den musikalischen Teil bestreiten die Sängerknaben des Wiener Schottenstiftes. Für den 13. November ist zum ersten Male in der Diözese Wien — nachdem ähnliche Treffen in Salzburg und Linz abgehalten wurden — eine Führersendung vorgesehen, bei der gleichfalls Dr. Jachym erscheint. Wie man hört, ist in den Gemeinden des Industriegebietes an der Südbahn und im Triestingtal, die als kommunistisch anfällig galten, die katholische Jugendarbeit erfolgreich. Hier wirkt die Katholische Arbeiterjugend, nicht allein durch ihr kulturelles und soziales Programm, sondern auch über den Sport.

Kürzlich hat in Mitterschlag im Bezirk Groß-Gerungs die Inbetriebnahme der tausendsten Trafo-Station in Niederösterreich seit dem Kriege stattgefunden. Die Elektrifizierung von Niederösterreich ist nahezu abgeschlossen, rund 150 Ortschaften sind noch anzuschließen, davon entfallen 40 auf das Gebiet des Waldviertels. Die Anzahl der Stromabnehmer der Newag ist seit 1945 von rund 200.000 auf nahezu 400.000 Abnehmer gestiegen. Diese tausendste Lichtfeier bedeute, so erklärte der Präsident der Newag, mehr als 129 neue Stromabnehmer für die Newag. Es sei für die Ortschaft ein wirklich großes Ereignis. Die Elektrifizierung werde auch mithelfen, die Produktion zu steigern und die Landflucht zu bannen. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat die Newag 2200 Kilometer Hochspannungsleitungen und 4220 Kilometer Mittel- und Niederspannungsleitungen ausgebaut. Nur unter dieser Voraussetzung konnte die Gesellschaft mit Erfolg die Elektrogeräte-Mietaktion starten. Seit März des Jahres 1954 sind bereits 26.000 Elektrogeräte ausgeliefert worden.

Im herbstlich prangenden Meran vereinten sich zum zweitenmal vom 12. bis 24. September Südtiroler Hochschüler und Gäste von österreichischen, deutschen und schweizerischen Floehschulen zu den vom Südtiroler Kulturinstitut veranstalteten Mera-ner Hochschulwochen, diesmal unter dem Leitsatz: „Geist der Ordnung — Ordnung des Geistes.“ Die Hauptvorlesungen bestritten der Münchner Mediziner und Philosoph Dr. Werner Leibbrand mit seiner Reihe über „Wert und Würde des menschlichen Leibes“, die beiden Historiker Doktor Heinz Gollwitzer (München) mit dem Zyklus „Volk — Staat — Nation“, und Dr. Gerhard Ritter (Freiburg) über „Recht und Macht“. Diesen grundlegenden, sowohl geistiger Schulung wie weitender Weltschau als politischer Reifung dienenden Vorlesungen gesellte sich der dichterisch beschwingte, sehr eigenwillige Zyklus des letzten George-Schülers Prof. Dr. Wolfram von den Steinen (Basel) über „Die geistigen Grundlagen des Mittelalters“ und die Einzelvorträge des Vorarlberger Landesstatthalters Dr. Ernst Kolb über „Das antike Erbe als Grundlage der europäischen Einheit“, und des Wiener Universitätsprofessors Dr. Theodor Pütz über „Probleme der wirtschaftlichen Integration Europas“. In den Fragenkreis des Südtiroler Daseins führten die Vorträge der Professoren Dr. Friedrich Metz (Freiburg), Raimund von Klebeisberg (Innsbruck) und Heinrich Decker (Wien) und zwei Lehrausflüge ins Passeier sowie durch Nonsberg und Unterland nach Trient ein. Ueberaus erfreulich waren die regen Aussprachen nach den Vorträgen.

Seit dem großen literarischen Erfolg, den T r a-vens „Toten schiff“ im Jahre 1926 in Deutschland hervorrief, bemühten sich immer wieder deutsche Bühnen darum, diesen Stoff als Schauspiel zu erhalten. Bis heute erhielten wohl ein Dutzend Dramatiker vom Autor — dessen Person nach wie vor der Oeffentlichkeit unbekannt ist — eine Option für die Bühnenbearbeitung, aber alle gaben ihre Bemühungen nach einiger Zeit wieder auf. weil es ihnen nicht möglich schien, dieses eigenwillige und spannende Buch für die Bühne zu bearbeiten. Nun hat Hai Croves unter der Mitarbeit des Autors ein Schauspiel in fünf Akten geschaffen, das selbst auf kleinen Bühnen aufgeführt werden kann. Inhaltlich hat er sich, soweit das in einem Schauspiel möglich ist, an die Romanfassung gehalten, die Handlung aber in die Gegenwart verlegt. Der Titel: „Travens Totenschiff“ wurde absichtlich so gewählt, weil nach dem

Erfolg von Travens Roman in verschiedenen Sprachen Bücher und Filme mit dem Titel „Totenschiff“ erschienen, die nichts mit Travens Roman zu tun hatten.

Der durch den Prix Veillon (für den französischen Roman) und den Premio Veillon (für den italienischen Roman) bekannte Förderer der Literatur Charles Veillon in Lausanne (Schweiz) hat 1953 einen Preis für den deutschsprachigen Roman in der Höhe von 5000 Schweizer Franken gestiftet, der für 195 5 wiederum ausgeschrieben wird. Es können im Jahre 1955 erschienene Romane und Manuskripte eingereicht werden; die Frist hierfür läuft bis zum 31. Dezember 1955. Interessenten erhalten die näheren Bedingungen unter der Adresse: Charles Veillon Preis, 29c Avenue d'Ouchy, Lausanne (Schweiz).

Der römische Straßeirbauingenieur Vittorio Nareelli hat ein interessantes Projekt für die Neuregelung des Verkehrs in Rom ausgearbeitet. Das Projekt, mit dein sich bereits das römische Bauamt beschäftigte, sieht vor, daß die Flauptstraßen unterirdisch verlegt werden sollen. Der weiche Tuff, auf dem sich die italienische Hauptstadt erhebt, bietet dazu günstige Voraussetzungen, da der Stein sich leicht ausschachten läßt. Ein Teil der alten Katakomben soll in das unterirdische Straßennetz miteinbezogen sowie Tankstellen, Reparaturwerkstätten und Parkplätze in den Untergrund verlegt werden. Das unterirdische Straßensystem erfordert großzügige Belüftungsanlagen.

Die ersten dokumentarischen Nachrichten über das Schicksal der während des Krieges wegen angeblichen Verrats an der Sowjetunion in asiatische Teile Rußlands deportierten 6 0 0,000 Wolgadeutschen erschienen unlängst in einem im Westen kaum gelesenen sowjetischen Presseorgan; bisher hatte man Nachrichten lediglich von heimgekehrten Kriegsgefangenen aus der zentralasiatischen Sowjetrepublik Kasakstan. Diese spärlichen Meldungen finden nunmehr ihre Bestätigung durch Namenslisten, die in verschiedenen Ausgaben der „Kasakstan Prawda“, dem kommunstischen Parteiblatt für die gleichnamige Sowjetrepublik, veröffentlicht wurden. Darnach wurden viele aus ihren Siedlungsgebieten an der Wolga vertriebenen deutschen Bauern, deren Familien seit dem 18. Jahrhundert in Rußland ansässig waren, in Kasakstan neu angesiedelt. Dort spielen sie heute trotz eines sicherlich sehr schwierigen Neubeginnens wieder eine ansehnliche Rolle in der kollektivistischen Landwirtschaft. Die von der „Kasakstan Prawda“ abgedruckten Listen über die besten Melkergebnisse auf den dortigen Staatsgütern und Kolchosen zeigen nämlich, daß Personen mit deutschen Namen überall an der Spitze liegen.

Gleichzeitig wird aus den vorliegenden Meldungen erkennbar, daß die ehemaligen Wolgadeutschen in den Obersten Sowjets der in Betracht kommenden sibirischen Provinzen nur eine sehr fragwürdige Vertretung haben. In der gesamten Namensliste aller Mitglieder des Obersten Sowjets von Kasakstan finden sich nur drei zweifelhafte Namen, die auf deutschen, vielleicht aber auch jüdischen oder baltischen Ursprung hinweisen, und zwar Fedor Wfremö-witsch German (Hermann) aus Karaganda, Dmitir Iwanowitsch Berlin und Alexei Andrejewitsch Pak, beide aus Kustariei. Während die „Große Sowjet-enzyklopädic“ in ihrer Ausgabe von 1939 die damals bestehende Autonome Wolgadeutsche Sowjetrepublik besonders dafür rühmte, „in der Kollektivisierung und erfolgreichen Mechanisierung der Landwirtschaft führend und der Sache des Kommunismus grenzenlos ergeben zu sein“, wurden die Wolgadeutschen in der Nachkriegsausgabe dieses großen Sowjetlexikons mit keinem Wort mehr erwähnt. Dazwischen lag die Moskauer Verordnung vom 7. September 1941 „über die Verwaltungsorganisation der ehemaligen Wolgadeutschen Republik“, welche die Verschleppung der Wolgadeutschen nach Sowjetasien verfügt hat. Erst die „Kasakstan Prawda“ hat jetzt mit ihren Veröffentlichungen den Schleier ein wenig gelüftet, mit dem seit Kriegsende das harte Schicksal der Wolgadeutschen verhüllt war.

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