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Das Land und die Kirche

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Die praktische Beantwortung der Frage nach der Beziehung von Staat und Kirche erwies sich nicht nur in der Vergangenheit als schicksalhaft. Sie ist auch in unserer Zeit unverändert aktuell und für die menschliche Gemeinschaft bedeutungsvoll. Die Begründung für diese weithin sichtbare Tatsache ergibt sich aus der Aufgabenstellung von kirchlicher und weltlicher Institution. Wohl sind die beiden verschieden zielgerichtet, doch laufen ihre Wege weithin eng nebeneinander, oftmals fließen sie sogar ineinander. Dies trifft vor allem dort zu, wo es um die Schaffung der Voraussetzungen für die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Wahrung der menschlichen Würde geht.

Diese weitreichende Wegegleichheit fordert natürlicherweise zu einer Verständigung heraus. Eine solche nicht zu Anden oder erst gar nicht zu suchen wäre verhängnisvoll; denn Kontaiktlosigkeit oder gar Gegnerschaft würde zum allseitigen Schaden den angedeuteten Weg einbahnig und schmal und obendrein noch hindernisreich machen. Wo aber Staat und Kirche Realitäten sind, die einander anerkennend begegnen, dort wird ihr Verhältnis nicht nur ein Faktor innerer Stabilität sein, sondern der Ausgangspunkt fruchtbarer Zusammenarbeit im Interesse der materiellen, aber auch geistig-seelischen Aufwärtsentwicklung der Menschen.

Oberösterreich darf mit Freude feststellen, daß hier immer schon stark verbindende Kräfte wirksam waren und daß aus dem gemeinsamen Wollen viele gemeinsame Werke geschaffen werden konnten. Mit Genugtuung vergegenwärtigt sich die heimische Bevölkerung gerade anläßlich des zweifachen Jubiläums des Diözesanbischofs einzelne lebendige Beispiele.

Das Subsidiaritätsprinzip

Solche können zunächst einmal unschwer im Rahmen des Schul- und Erziehungswesens gefunden werden, wo das Prinzip der Subsidiarität bestens demonstriert wird. Private Initiative, Einsatzbereitschaft und Opferfreudigkeit erfahren durch die öffentliche Hand stets eine wirksame Förderung. Am sinnfälligsten zeigt sich dies auf dem Gebiete der Fürsorge, der Erziehung und der Ausbildung der behinderten Kinder, insbesondere der mehrfach behinderten Kinder in den Landessonderschulen. Getreu ihrer Aufgabe, Bedürftigen zu helfen, hat die Diözese hiefür eine

Reihe von zweckentsprechenden Heimen geschaffen, auf die bei der Betrachtung der im Lande bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen noch näher hinzuweisen sein wird. Die den Heimen angeschlossenen Schulen hat das Land 1955 als Schulerhalter übernommen. Der weitere Ausbau dieser Schulen wird zwar noch weitgehend von der Caritas getragen, aber durch das Land finanziell unterstützt. Die Schulen sind öffentliche Schulen, die Lehrkräfte sind Landeslehrer und werden zur Gänze aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Die Lehrerbesetzungen erfolgen im Einverneh men mit den früheren kirchlichen Schulerhaltern.

Es gibt im Lande drei katholische Lehrerund Lehrerinnenbildungsanstalten (musischpädagogische Realgymnasien), je eine Bil- dungsanstalt für Kindergärtnerinnen und Arbeitslehrerinnen und zehn allgemeinbildende höhere Schulen, von denen sechs hu manistische Gymnasien sind. Eine Reihe weiblicher Orden führen berufsbildende mittlere und höhere Frauenschulen. Sämtliche der genannten konfessionellen Privatschulen sind mit Internaten verbunden. Darüber hinaus wird von der römisch-katholischen Kirche, ihren Orden und Kongregationen eine stattliche Zahl von Heimen für Schüler an Hauptschulen und höheren Schulen geführt. Eine besondere Aufgabe fällt den Heimen im Rahmen der Landessonderschulen zu. Sie bilden einen wesentlichen Faktor für die Erziehung und Bildung und entlasten die öffentliche Hand auf weite Strecken. Insbesondere leisten die Schülerheime in einer Zeit der zunehmenden Berufstätigkeit beider Elternteile, aber auch des ständig wachsenden Schülerstromes in die weiterführenden Schulen eine bedeutende Aufgabe. Sie tragen vor allem einen entscheidenden Anteil an der Präsenz des Christlichen in der Schule und Jugenderziehung. Ebenso muß gewürdigt werden, was die katholisch-konfessionellen Lehrerbildungsstätten für die Versorgung des Landes mit Pflichtschullehrern leisten. Allein vom Bischöflichen Lehrerseminar sind in letzter Zeit alljährlich an die 60 Junglehrer in den Lehrberuf eingetreten. In Anerkennung dieser großen Leistung unterstützt das Land die Bestrebungen der konfessionellen Schulen auf mannigfache Art. So werden für die Neuerrichtung, den Ausbau und die Modernisierung der Schülerheime, der geistlichen Konvikte und Internate sowie für die Instandsetzung von privaten Schulen und Lehrlingsheimen Jahr für Jahr namhafte Landesbeihilfen gewährt.

Kontinuierliche Jugendpflege

Enger Kontakt besteht auf dem Gebiete der Jugendbetreuung. Er wird im besonderen hier vom Jugendreferat der oberösterreichischen Landesregierung, dort von der Diözesanführung der Katholischen Jugend wachgehalten. Von selten des Landes wird dabei vor allem erkannt, daß die Katholische Jugend nicht nur die größte Jugendorganisation im Lande ist, sondern gleichzeitig eine Einrichtung, die in besonderer Weise eine kontinuierliche Jugendpflege ermöglicht. Aus diesem Grunde genießt die Katholische Jugend auch die volle Unterstützung durch das Landesjugendreferat. Diese reicht von der organisatorischen Hilfestellung bei Veranstaltungen über die gemeinsamen Bemühungen im Rahmen der Jugendschutzkommission bis zur Gewährung finanzieller Zuschüsse für Unternehmungen der Katholischen Jugend. So werden in gegebenen Fällen landeseigene Jugendheime der Katholischen Jugend für Schulungszwecke zur Verfügung gestellt, andererseits erhalten die Jugendheime der Katholischen Jugend, wie etwa die Burg Altpern- stein oder das Jungscharheim in Oberschwarzenberg, entsprechende Zuwendungen. Auch für die Ausgestaltung von Jugendräumen in den neuerrichteten Pfarrheimen bzw. für die Erhaltung der Sportplatzanlage des Dekanates Linz werden Beihilfen gewährt.

Aber auch im Bereich der Erwachsenenbildung hat sich, ihren Prinzipien der Lehr- und Lernfreiheit Rechnung tragend, ein gedeihliches Zusammenwirken von Land und Kirche ergeben. Mit der Errichtung des oberösterreichischen Volksbildungswerkes hatte die oberösterreichische Landesregierung im Sommer 1947 nicht nur die Konsequenz aus den Realitäten einer pluralistischen Gesellschaftsstruktur gezogen, sondern gleichzeitig auch für die Zusammenarbeit mit der Diözese im Dienste der Erwachsenenbildung die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Als Arbeitsgemeinschaft freier Erwachsenenbil- dungseinrichtungen, also auch der katholischen Bildungswerke, hat das oberösterreichische Volksbildungswerk auf Bundesebene dem größten österreichischen Dachverband der Erwachsenenbildung als Modell gedient, dem Ring österreichischer Bildungswerke, dem mit den allgemeinen Volksbildungswer- ken auch die analogen Einrichtungen im kirchlichen Bereich angeboren. Seit Gründung dieses Dachverbandes erfährt die katholische Erwachsenenbildung auch seitens des Bundes ihre finanzielle Förderung und damit die gebührende bildungspolitische Anerkennung.

Die Maßnahmen zur Förderung der katholischen Erwachsenenbildung in der Diözese, die durch das Volksbildungsheim Puchberg, durch den christlichen Theaterring, durch Bildungswerke, Büchereien und weitere ähnliche Einrichtungen und Veranstaltungen repräsentiert werden, beschränken sich jedoch keineswegs nur auf die finanzielle Unterstützung. Vielmehr geht damit eine umfassende Hilfeleistung auf fachlichem und organisatorischem Gebiet Hand in Hand. Der Hinweis auf die laufende Beratung, die Seminare, die Publikationen, den Infonmations- und Werbedienst und die verschiedensten Lehrmittel und Lehrbehelfe, die zur Verfügung stehen, vermag diese Tatsache ins rechte Licht zu rücken.

Für Mutter und Kind

Besonders weitreichende Erfolge zeigen sich im Wirkungsbereich der weltlichen und kirchlichen Fürsorgeträger. Als Ergebnis gemeinsamen Wollens stehen hier den gewaltigen Anstrengungen des Landes ebenso eindrucksvolle Leistungen der kirchlichen Wohlfahrtspflege gegenüber. So ergänzt das Caritas- Mütterübergangsheim „St. Josef-Liebeswerk” in Linz mit dem angeschlossenen Caritas- Säuglings- und Kleinkinderheim äußerst wirksam die Schwangeren- und Säuglingsfürsorge des Landes. Hier stehen für mittellose ledige Mütter für die Zeit der Entbindung 14 Betten und für Säuglinge und Kleinkinder rund 100 Betten zur Verfügung. In mehreren Caritas-Kinderkrippen und Krabbelstuben werden die jüngsten Sprößlinge werktätiger Frauen von Morgen bis Abend versorgt und betreut.

Etwa 125 Kindergärten, das sind rund zwei Drittel aller Kindergärten des Landes, werden von der Diözesancaritas geführt und zehn Caritas-Horte bieten über 300 Schülerinnen und Schülern Lernhilfe und sinnvolle Freizeitgestaltung.

Neben den Caritas-Kinder- und Schülerheimen ist das Caritas-Juigendheim in Steyr- Glaink nicht mehr aus der behördlichen Jugendfürsorge in unserem Lande wegzudenken. Dort wird einer Schar von über 200 Buben im schulpflichtigen Alter, deren Erziehung zum Teil schwer vernachlässigt ist, der rechte Weg gewiesen. In ähnlicher Weise werden im Erziehungsheim der Guten Hirtinnen im Kloster Baumgartenberg schwer erziehbare, zum Teil verwahrloste Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren durch geregelte Arbeit umerzogen und in allen Fächern der Hauswirtschaft ausgebildet.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit im Dienste körperbehinderter Kinder wird vor allem im Kinderdorf „St. Isidor” bei Linz sichtbar, dessen Ruf bereits über die Grenzen Europas hinausdringt. Die Dreiheit von Familie, Therapie und Schule ist dort in bestmöglicher Weise verwirklicht. Dasselbe gilt für das Institut „St. Pius” in Steegen-Peuerbach, das mit Unterstützung einer eigenen Speziallandessonderschule Schwachbegabte und körperbehinderte Kinder betreut. Im Elisabeth- heim in Gallneukirchen finden körperbehinderte schulentlassene Mädchen mit entsprechender Eignung eine volle Berufsausbildung in der Damenschneiderei und im Stricken. Der 1812 als katholische Stiftung gegründeten Taubstummenlehranstalt sind ein eigener Kindergarten, ferner eine Damenschneiderei- und eine Paramentenstickerei- lehrwerkstätte für Mädchen sowie eine Schuhmacherlehrwerkstätte für Knaben an- geschlosisen. Bedeutungsvoll sind die Kindererholungsaktionen der Caritas und anderer Institutionen der Diözese sowie der Tätigkeit der katholischen Lehrlings- und Gesellenheime. Die begonnene Reihe läßt sich fortsetzen: In rund 60 Alters- und Pflegeheimen im Land obliegt neben der Führung der Anstalten die Betreuung der Pfleglinge katholischen Ordensschwestern. Ebenso stehen acht Krankenanstalten in der Trägerschaft katholischer Orden. Die dort vorhandene Bettenanzahl umfaßt gut die Hälfte der übrigen Krankenanstalten des Landes. Schließlich sei noch auf das neu errichtete „Haus der Barmherzigkeit” in Linz hingewiesen, das der Pflege von etwa 250 chronisch Erkrankten dient. Auch diese Einrichtung ist eine Frucht gemeinsamer Arbeit von Land und Kirche.

Die gemeinsame Denkmalpflege

Vorbildlich ist nicht zuletzt die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Kunstpflege. Sie hat im Diözesankunstbeirat und im Verein

Denkmalpflege für Oberösterreich eine feste Basis. Diese beiden Gremien finden sich immer wieder in der Erkenntnis der Notwendigkeit, den alten kirchlichen Kunstbesitz zu erhalten und zu pflegen, aber auch in dem Wissen, daß dieses Ziel nur in gemeinsamer Konzeption erreichbar ist. Die Diözese allein könnte eine derartige Aufgabe schon im Hinblick auf die in unserer Zeit stark vermehrten seelsorglichen Aufgaben nicht lösen. So war es ein gemeinsames Anliegen, die Martinskirche in Linz, die zu den ältesten Gotteshäusern Österreichs zählt, zu restaurieren und dabei ihren frühmittelalterlichen Kern freizulegen. So unternahm man gemeinsame Rettungsaktionen für die im Lande befindlichen gotischen Flügelaltäre und so suchte man gemeinsame Wege zur Renovierung der bedeutenden Barockkirchen und Stifte in Oberösterreich. Die Bewahrung dieser für das Land so charakteristischen Denkmäler vor dem Verfall, ist gerade heute zu einem dringlichen Problem geworden. (Man denke etwa nur an Mondsee, Garsten und Spital am Phyrn!) Die besondere Liebe und Mühe der Denkmalpflege galten aber dar- überhinaus der Erhaltung der vielen Filialkirchen im Lande, die nicht selten echte Perlen der Kunst beherbergen. Bleibt noch zu sagen, daß das Land immer auch bestrebt war, in Form von Kunstaufträgen beim Bau neuer kirchlicher Objekte und bei deren Einrichtung mitzuwirken. Sie wiederum sind das Ergebnis aktiven Zusammenwirkens von Diözesankunstbeirat und Kunstjury der Kul- turabteilung des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung.

Mit diesen verschiedenen Hinweise können wir wiederum zu unserem Ausgangspunkt zurückkehren. Oberösterreich, so dürfen wir dabei zusammenfassend sagen, kann im kleinen ein Beispiel dafür bieten, welcher Segen aus einer ehrlichen Zusammenarbeit von Kirche und Staat erwächst. Und indem wir dies feststellen, drängt sich uns der Wunsch auf, daß dies in unserem Land immer so bleiben möge.

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