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Die Aufgaben reichen uber die Landesgrenzen hinaus

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Österreich liegt im Herzen Europas und hat von seiner Lage und seiner Geschichte immer eine gewisse Brük-kenfuktion gehabt und über sich selbst hinaus gedacht. Die Kirche in Österreich hat im weltweiten Bereich der Mission und Entwicklungshilfe ständig ihre Aufgaben wahrgenommen und gerade in den letzten 25 Jahren eine Impulsfunktion für die Anliegen der Dritten Welt wahrgenommen. Zugleich hat sie sich aber auch für die Brückenfunktion Österreichs nach dem Osten bewährt, und gerade die Kirche ist es, die für die Christen in so vielen Nachbarländern des Ostens eine geistige und materielle Hilfe leistet.

Die österreichische Bischofskonferenz hat am 5. November 1970 den Beschluß gefaßt, einen Europäischen Hilfsfonds zu gründen und jedes Jahr einen Teil ihres gesamtösterreichisch verwalteten Budgets für die Anliegen der Kirche im Osten bereitzustellen. Zwischen 3 und 5 Millionen Schilling sind offiziell jedes Jahr von der Bischofskonferenz für kirchliche Hilfsprojekte in verschiedenen Ländern, insbesondere im Osten, freigegeben worden. Es sollte dies ein Zeichen der Solidarität sein. Gerade jene Länder, die eine besonders schwierige Situation erfahren, sollten die Möglichkeit haben, vom Europäischen Hilfsfonds Gelder zu erhalten, sei es für die großen Aufbauwerke im Osten oder die Hilfe in Katastrophensituationen im Süden Europas bis hin zu den letzten großen Hilfsaktionen anläßlich der Erdbebenkatastrophe in Friaul. Eine eigene Kommission prüft die eingelangten Ansuchen und entscheidet, in welchem Ausmaß und für welches Projekt finanzielle Hilfe gegeben wird. Soweit es möglich ist. konnten flie meisten der unterstützten Projekte auch direkt besichtigt und mit Freude konnte festgestellt werden, daß das Geld ein echter Bruderdienst der Kirche in Österreich an die Christen in den anderen Ländern Europas darstellt.

Es geht dabei nicht allein um die finanzielle Hilfe, die ärmeren Ländern zuteil wird, oder Ländern, die eine besondere Katastrophe erlitten haben, sondern es geht auch darum, daß dadurch der Geist der Partnerschaft, der Brüderlichkeit, der inneren Zusammengehörigkeit ausgedrückt und lebendig dargestellt wird. Gerade dieses Denken über alle Grenzen hinweg und dieses Handeln ermöglicht uns eine neue Sicht, die im Geiste Christi eine echte Tat der Zusammengehörigkeit darstellt. Wenn heute Österreicher nach Nowa Huta in Polen fahren und dort einen österreichischen Kreuzweg finden oder in anderen Stationeft ihrer Wallfahrt von der Hilfe Österreichs erfahren, so wissen sie, daß durch diese finanzielle Hilfen man einander die Hände gereicht hat. ,

Es ist Aufgabe der Christen, gerade den Geist der internationalen Zusammenarbeit über allen Rassismus und Nationalismus hinweg zu fördern und tatsächlich zu leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in einer ganz neuen Form eine Initiative in der Kirche geboren, die vor allen Dingen auch in Österreich vielfältige Frucht getragen hat: die Einsatzaktionen der personellen und der finanziellen Entwicklungshilfe und der neuen Formen missionarischer Hilfe in aller Welt.

Für die Mission hat sich außer der fruchtbaren traditionellen Tätigkeit der Päpstlichen Missionswerke ganz besonders die Katholische Jungschar Österreichs mit ihrer bald weltweit bekannten Dreikönigsaktion eingesetzt, die seit ihrem Bestehen die ansehnliche Summe von 260 Millionen Schilling gesammelt und für die Anliegen der Kirche in der Dritten Welt zur Verfügung gestellt hat. Von 1955, als die Dreikönigsaktion gestartet wurde, bis heute, ist diese Aktion nicht nur eine Sammelaktion geworden, sondern hat eine weltweite Verbindung im Kirchenbereich wachgerufen, die mitgeholfen hat, das neue Verständnis christlicher Mission zu fördern und dem Auftrag der Biscrtöfs-synode von 1974 „Evärfgeli hüntiandi -Das Evangelium verkünden'' zü entsprechen.

Hier reiht sich würdig die große Aktion der österreichischen MIVA ein, die bisher 95 Millionen Schilling gesammelt hat und rund 2100 Fährzeuge zur Verfügung stellen konnte. Das Wort „MIVA Österreich“ oder „MIVA Austria“ ist ein international bekannter Name geworden, und weit über die kirchlichen Kreise hinaus wissen in der Dritten Welt Menschen, daß es in Europa ein kleines Land gibt, wo man gerade mit den Transportmitteln di Anliegen der Mission, der Bildung, dei Entwicklung fördern will.

Für die Entwicklungshilfe sind di großen Aktionen der Katholischer Männerbewegung durch „Bruder ir Not“ bekannt geworden und haber große Projektleistungen erbracht. Di Frauenbewegung hat seit 1958 190 Millionen Schilling, die Männerbewegung seit 1961 200 Millionen Schilling für Projekte in der dritten Welt zur Verfügung gestellt.

Wenn wir heute die Hilfen, die in den letzten Jahrzehnten geleistet worden sind, zusammenrechnen, dürfen wir festhalten, daß 745 Millionen Schilling von den österreichischen Katholiken freiwillig gespendet und in kontrollierte und fruchtbar gewordenen Projekte der Dritten Welt investiert worden sind.

Die „Koordinierungsstelle für Internationale Entwicklungsförderung der österreichischen Bischofskonferenz“ ist die kirchliche Stelle für Koordination und Kooperation. Sie ist der internationalen kirchlichen Koordination der CIDSE (Internationale Arbeitsgemeinschaft für sozioökono-mische Entwicklung) angeschlossen. In den einzelnen Diözesen gibt es für die Koordination die diözesanen Arbeitsgemeinschaften für Weltkirche und Entwicklungsförderung.

Es darf hier festgehalten werden, daß alle Projekte vorher geprüft werden, daß jedes Ansuchen, das ankommt, kontrolliert wird und in entsprechender . Weise Begutachter braucht. Wenn Projekte übernommen und finanziert werden, so ist die Eigenleistung seitens der Empfänger notwendig. Es wird darauf Wert gelegt, daß nicht nur Projekte von Österreich aus gebaut werden, sondern daß vor allen Dingen Einheimische mitarbeiten, .rnittun, ihren freiwilligen Beitrag leisten und somit diese Projekte für Entwicklungshilfe echte einheimische Projekte werden.

Ein besonderer Weg wurde in Österreich von der Katholischen Landjugend seit 1959/60 vorbereitet und schließlich gegründet: Der Personaleinsatz von Entwicklungshelfern und Experten. Es ist eine christliche Initiative, die hier aufgebrochen ist und gerade in der Jugend einen großartigen Widerhall gefunden hat. Sie hat sich konkretisiert in den Organisationen des Österreichischen Entwicklungsdienstes (OED) und des Institutes für internationale Zusammenarbeit (HZ).

Wenn heute “nicht nur das Wort „Entwicklungshilfe“, sondern vor allen Dingen auch der „Entwicklungshelfereinsatz“ zu einem der großen Worte geworden ist, so darf festgehalten werden, daß gerade im Leben der Katholischen Jugend, insbesondere der Landjugend, diese Form personeller Begegnung und Hilfeleistung geboren wurde und sich entwickelt hat. Die hier gefundene Form der intensiven Ausbildung für den dreijährigen Einsatz, des Vertragswesens, der geistigen und konkreten Zielsetzung hat in allen anderen Organisationen ähnlicher Art Eingang gefunden und ist wegweisend geworden.

Der Personaleinsatz ist nicht allein eine momentane Hilfsaktion, sondern ist aus einer neuen Geistigkeit geboren, die sich vor allem im Zweiten Vatikanischen Konzil und in den verschiedenen Rundschreiben der Päpste besonders gezeigt hat. Er stellt eine Erweiterung der missionarischen Personaleinsätze vor allem für Entwicklungshilfe dar. Wenn heute die große Enzyklika über den Fortschritt der Völker (Populorum progressiö) in der Welt Anklang findet und als eigentliches Zukunftsmodell der Kirche für eine internationale Entwicklung der Welt bezeichnet werden kann, so darf festgehalten werden, daß die konkreten finanziellen und personellen Projekte der Kirche sich von diesen Prizi-pien herleiten lassen. Die katholische Kirche in Österreich ist durch die genannten Hilfen in Europa und in der Dritten Welt ihrem Eigennamen „katholisch“ treu, weil sie ihre Aufgabe international wahrnimmt.

.(Hiermit schließt die Serie „Kirche in Österreich“.)

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