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Idealisten an die Fror

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Überdies könnte durch die „technical assistance“ mit relativ geringen Mitteln Bedeutendes geleistet werden. Die Katholische Landjugend hat ihre Projekte sowie die Entsendung einiger Entwicklungshelfer mit rund zwei Millionen Schilling finanziert. Österreich sollte nach einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage (relativ dünne Kapitaldecke), einen jährlichen Beitrag von 750 Millionen (!) für die Entwicklungshilfe leisten, würde sie für dieses Anliegen ebenso viel ausgeben wie andere gleich große und ähnlich situierte Staaten. Es wäre das ein halbes Prozent unseres Bruttonational-produktes.

Das könnte Vater Staat dem Durchschnittsösterreicher freilich nicht zumuten. Im Wege der „technical assistance“ könnte mit einem Bruchteil dieses Betrages Großes geleistet werden — Idealisten, die einige Jahre in einem Entwicklungsland verbringen müßten, fände man sicherlich. Man denke an den Anklang, den Kennedys Idee des Friedenskorps bei der amerikanischen lugend, gefunden, hat,. :

Österreichs Repräsentanten-^fasswa keine Gelegenheit vorübergehen, ohne nicht auf unsere großen Leistungen für die Auslandsstudenten hinzuweisen. Der „Mythos“ von diesem freiwillig und so gerne gegebenen Beitrag wurde allerdings durch die Meldungen über die Besteuerung der Auslandsstudenten etwas angeschlagen. Tatsache ist, daß an den österreichischen Hochschulen und Kunstakademien im letzten Sommersemester von 'insgesamt 45.310 Studenten, 11.137 Ausländer waren.

Um keine Mißverständnisse herbeizuführen: die jungen Leute studieren bei uns nicht kostenlos — wie etwa die Studenten aus den Entwicklungsländern an der Lumumba-Universität in Moskau. Sie zahlen für das Studium in Österreich und auch für ihren Aufenthalt — und da nicht wenig. Wer weiß, wieviel das „goldene Wiener-herz“ von einem schwarzen Studenten an Zimmermiete zu verlangen wagt, der kann sich ausrechnen, daß uns die Auslandsstudenten auch einige Devisen ins Land bringen. Der vorsichtig errechnete, jährliche Aufwand Österreichs von rund 65 Millionen Schilling für die Auslandsstudenten — das Studiengeld reicht natürlich nicht aus, urn den Aufwand für das Studium zu de«|ken — scheint daW, keift Wtt&Jf Defizit für die Staatskasse Hajf,

Noch eine ehrliche Frage: Könnte Österreich überhaupt als neutraler

Staat, der um gute Beziehungen mit allen Völkern bemüht sein muß, ausländische Studenten abweisen? Und wenn schon — wen würden wir dann aussperren? Die Israelis oder die Araber, die Perser oder die Inder? Nein, es bleibt schon dabei: wir müssen diese unfreiwillige Entwicklungshilfe auch weiterhin leisten. Die ehrlichen Bemühungen um die Auslandsstudenten, so zum Beispiel des Afro-Asiati-schen Institutes, aber auch des Unterrichtministers sollen durch diese Kritik nicht geschmälert werden.

Soll echte Entwicklungshilfe geleistet werden, dann muß man auch bestrebt sein, daß die Auslandsstudenten nach der Ausbildung ihr Wissen und Können für den Aufbau ihres Landes richtig einsetzen können. Die Engländer und auch die Schweizer, die eine großzügige Stipendienpolitik betreiben, suchen sich durch ihre Experten die jungen Talente sorgsam aus.

Die Aufnahme von Stipendiaten ist nicht ohne Probleme, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ in einem Artikel vom 22. Dezember 1961. Die Verhältnisse in den Entwicklungsländern sind in jeder Beziehung von den unseren grundverschieden. Es ist für die Angehörigen eines solchen Landes meist sehr schwierig, sich in unsere überzüchtete Zivilisation hineinzufinden und die enorme Diskrepanz zu verdauen. Daraus können sich schwerwiegende menschliche Probleme ergeben. Ferner finden die Studenten nach der Rückkehr in ihre Heimat oft keine ihren Fähigkeiten angepaßte Beschäftigung, oder sie können sich nicht mehr an die einfacheren Verhältnisse gewöhnen. Andere kehren überhaupt nicht mehr in ihre Heimat zurück. So soll es beispielsweise in London mehr praktizierende pakistanische Ärzte geben als in Karatschi!

Der Bericht ist sehr aufschlußreich. Er zeigt, wie leicht die Entwicklungshilfe auch fehlschlagen kann. Wenn Österreich gegenwärtig von einer Stipendienpolitik nach dem Muster der Schweiz auch noch meilenweit entfernt ist, so können wir doch von den Erfahrungen der Eidgenossen lernen.

Für -den- Auf-- oder Ausbau der Wirtschaft in einem Entwicklüngsfärid sind begreiflicherweise nicht nur Spitzenkräfte notwendig, man braucht auch die sogenannten unteren Kader. Es ist bekannt, daß das Chaos im Kongo nicht zuletzt dadurch so groß wurde, weil es an Beamten und Facharbeitern fehlte.

Während die Ausbildung der Spitzenkräfte, der qualifizierten Techniker, Juristen und Ärzte, im Entwicklungsland oft nicht möglich ist, können Ausbildungsstätten für die unteren Kader, gerade im Rahmen der Entwicklungshilfe, unschwer geschaffen werden. Hier kommt dem Bau von Schulen, der Errichtung von Musterfarmen und Lehrwerkstätten große Bedeutung zu. Derartige Projekte wurden von den Katholiken Österreichs bereits finanziert (Flores, Korea). Vielleicht könnte man in Hinkunft auch Interessengruppen — wie die Industrie — für diese Art der Entwicklungshilfe interessieren. Österreich könnte sich auch an solchen Projekten der UNO beteiligen.

Wollte Österreich wirklich wirksame Entwicklunghilfe leisten, dürfte es seine Kräfte in Hinkunft nicht so verzetteln wie bisher. Es wurde schon von mancher privaten Organisation ein „bißchen Entwicklungshilfe“ geleistet, aber es fehlt an der Koordination. Auch in unserem Staatsapparat gibt es der Behörden genug, die sich mit den Agenden der Entwicklungshilfe beschäftigen:

• ein interministerielles Komitee;

• die Sektion V des Bundeskanzleramtes (organisiert Studienreisen);

• das Bundeministerium für Auswärtige Angelegenheiten (zuständig für multilaterale Entwicklungshilfe im Rahmen der UNO);

• die Bundesministerien für Unterricht (UNESCO), für Handel und Wiederaufbau („technical assistance“), für soziale Verwaltung (ILO, WHO), für Finanzen und für Land- und Forstwirtschaft.

Daß es unter diesen Stellen auch häufig zu Kompetenzschwierigkeiten kommt, ist verständlich.

Wann wird man hier vernünftig koordinieren? Soll ähnlich weitergewurstelt werden wie weiland in Sachen Zivilschutz?

In England und in der Deutschen Bundesrepublik sind die Agenden der Entwicklungshilfe einem eigenen Ministerium anvertraut — Scheel-Ministerium in Deutschland --. in anderen Ländern hat man diese Angelegenheiten in einer Sonderabteilung des Außenministeriums organisiert. Ähnliches müßte doch auch in bescheidenem Rahmen in Österreich möglich sein!

Alle privaten Initiativen werden nur ein „Tropfen auf einem heißen Stein“ sein, wenn nicht die verantwortlichen Männer des Staates die Öffentlichkeit für den Gedanken der Entwicklungshilfe mobilisieren. Das muß uns klar sein: Österreich hat — von den Taten der Nächstenliebe für die Mission abgesehen — keine Tradition, um anderen Völkern zu helfen. Die Schweizer haben die Hilfsorganisation des Roten Kreuzes, die nordischen Länder den Flüchtlingsfragen (Nansenpaß!) seit jeher große Aufmerksamkeit geschenkt. Wir hielten 40 Jahre die Hände auf! Zuerst half man dem armen Österreich durch die Völkerbundanleihe und zuletzt durch den Marshall-Plan. Schwer zu begreifen, daß jetzt wir an der Reihe sind, um anderen Völkern unter die Arme zu greifen.

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