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Buhlen um Spendengelder

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„Nachbar in Not", „Licht ins Dunkel" und die „Sternsinger" vermelden jährlich Rekordergebnisse. Bei anderer Gelegenheit ist die Spendenfreudigkeit der Österreicher aber wesentlich geringer.

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„Nachbar in Not", „Licht ins Dunkel" und die „Sternsinger" vermelden jährlich Rekordergebnisse. Bei anderer Gelegenheit ist die Spendenfreudigkeit der Österreicher aber wesentlich geringer.

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Wenn die Kirche und der Handel die „stille Zeit" des Jahres verkünden, ereilen die Christen- und Konsumentenschar unzählige Spendenaufrufe. Die Aufrufe für „Nachbar in Not" und „Licht ins Dunkel" wurden alsbald von den Sternsingern vor der Tür übertönt und derzeit vervollständigen wieder Tierschutzorganisationen, Umweltschutzgruppierungen und Flohmärkte zugunsten diverser Organisationen den Chor der Spendenwerber. Hochsaison also auch für die kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen, die vermehrt miteinander um Spendengelder rittern.

Wer glaubt, auf ein paar wenige kirchliche Entwicklungshilfeorganisationen verteilt sich der Spendenkuchen gleichmäßig, irrt gewaltig. Nicht weniger als 24 Mitgliederorganisationen der Koordinierungsstelle für Internationale Entwicklung und Mission (KOO) und sämtliche Orden buhlen um das.,österreichische Spendengeld.

1963 entstand die KOO aus der Notwendigkeit, österreichweit die Entwicklungsprojekte zu koordinieren, um ein Arbeiten nebeneinander oder auch gegeneinander zu minimieren. Die wichtigsten Aufgaben der Koordinierungsstelle sind die Projektregistrierung, die Erstellung des Jahresberichtes sowie die Koordination der Bildungsarbeit und der internationalen Zusammenarbeit.

Unterschiedlich groß ist natürlich das Volumen der Geldmittel, die von den einzelnen Mitgliederorganisationen bereitgestellt werden. Die fünf finanzkräftigsten Mitglieder sind wohl die Caritas, Missio Äustria (ehemals Päpstliche Missionswerke Österreichs), die Dreikönigsaktion, das Internationale Institut für Zusammenarbeit und der Österreichische Entwicklungsdienst (OED).

Eine wichtige Rolle in diesem Millionenpoker der Spendengelder nimmt die 1992 gegründete Kofinanzierungsstelle für Entwicklungszusammenarbeit (KFS) ein. Sie ist eine österreichische NGO, getragen von Organisationen der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit. Die KFS übernimmt und bearbeitet Entwicklungsprogramme und -projekte im Auftrag der einzelnen Mitglieder zur Kofinanzierung mit dem österreichischen Staat.

„Überwiegend positiv" bewertet Helmut Ornauer Geschäftsführer der Kofinanzierungsstelle die gemeinsame Finanzierung von Projekten in der „Dritten Welt" zwischen Mitgliedern der KOO und dem Staat, „Es ist 1994 gelungen, über 233 Millionen Schilling von Bund und Ländern für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zu erhalten und damit die Eigenmittel für die damit finanzierten Projekte um rund 200 Prozent aufzustocken ". Insgesamt machten aber die öffentlichen Mittel nur weniger als ein Drittel der gesamten Eigenmittel der KOO-Mitglieder aus. Diese über 675 Millionen Schilling an Eigenmittel stellen auch eine gewiße Sicherheit dar gegen eine Abhängigkeit der betroffenen Organisationen vom Staat. Somit können diese „Dritte Welt-Organisationen" der Kirche zu einem Sprachrohr jener Bevölkerungsschichten werden, die der Kirche für diese Zwecke Mittel zur Verfügung stellen. Helmut Ornauer dazu: „Die Zusammenarbeit mit dem Staat ist auch die Grundlage für eine Einflußnahme der Kirche auf die staatliche Entwicklungspolitik."

Daß die Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt nicht ganz unbelastet ist, ergibt sich naturgemäß aus den Sparprogrammen I und II. Für 1994 und 1995 wurden die Mittel der Projekthilfe de facto eingefroren (Niveau 1993) beziehungsweise gekürzt. Heinz Hödl, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion, kritisiert die geringe Effizienz der administrativen Abläufe, wie die Entscheidungsdauer für Projektentscheidungen von sechs bis zwölf, aber auch bis zu 18 Monaten: „Die Bürokratisierung der Zusammenarbeit bedeutet für uns unsinnige bis undurchführbare Auflagen, die enormen Arbeitsaufwand erfordern, wie zum Beispiel das Projektbegleitungsentgelt." Auch die zunehmende Unsicherheit mittel- bis langfristiger Finanzierungen dienen nicht unbedingt der Sache.

Diese Förderungspolitik des Bundes hat auch das Internationale Institut für Zusammenarbeit (HZ) an den Rand .der Zahlungsunfähigkeit geführt. So ist der Projektumsatz aus staatlich geförderten Vorhaben in jüngster Zeit von 97,6 Millionen im Jahre 1994 auf voraussichtlich 78,8 Millionen Schilling im heurigen Jahr geschrumpft. Das vormals kirchliche Institut der Bischofskonferenz soll als erste Sanierungsmaßnahme in einen Verein umgewandelt werden. „Es ist sicherlich davon auszugehen, daß künftige Vereinsmitglieder verständlicherweise auf die künftige Entwicklung und Gestaltung Einfluß haben wollen, wenn sie andererseits auch das Risiko und die finanzielle Verantwortung übernehmen sollen" entgegnet Heinz Hödl den Befürchtungen wonach nur noch die Geldgeber das Sagen hätten. Außerdem hätte sich im übrigen die Vereinsform in der EntWicklungszusammenarbeit in Österreich seit langem bewährt, wie das Beispiel OED beweist.

Die beiden großen Brocken der Gesamtleistungen der Zielsetzungen der Mitgliederorganisationen der KOO machten 1994 die Entwicklungsförderung und die Pastoralhilfe aus. Auf diese beiden Bereiche entfielen mehr als 85 Prozent der Eigenmittel. Der Rest wurde für Katastrophenhilfe und Bildung in Österreich verwendet. Knapp 40 Prozent der Projektförderung erging an Afrika, 23 Prozent an Lateinamerika und 20 Prozent an Asien. Die Anzahl der geförderten Projekte durch KOO-Mitglieder betrug 1994 weit über 3.000.

Grundsätzlich besteht die Ansicht, daß die Spendenfreudigkeit der Österreicher und Österreicherinnen unendlich hoch ist. Lobgesänge der letzten Monate über die Erfolge der „Nachbar in Not" -Aktion wurden erst dieser Tage von Generaivikar Schüller brutal unterbrochen: nur eine kleine Gruppe von Menschen spendet auch weiterhin. Daß die Kernschicht der Spender in Österreich nur sehr klein ist, bestätigt auch Wolfgang Bergmann von der Caritas Österreich: „Die Aktion Österreich hilft Ruanda' brachte ein Ergebnis von 92 Millionen Schilling. Jetzt heißt es: ,Die Nation hat geholfen!' Wenn man sich aber die Daten genauer anschaut, sieht man, daß diese Summe aus 132.000 Einzahlungen erzielt wurde. Die Mehrfacheinzahlungen weggerechnet, bleibt nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Bevölkerung über, der geholfen hat."

Geht man von der 1992 durchgeführten Umfrage des Linzer Market -Institutes aus, bei der 6,4 Millionen Österreicher (österreichische Bevölkerung über 14 Jahre) als Basis für eine Berechnung des Gesamtspendevolumens herangezogen wurden, so spendeten für Ruanda nicht einmal zwei Prozent.

Zum konkreten Spendenvolumen existieren nur Schätzzahlen. 1992 gaben 53 Prozent der Österreicher in der Linzer Market-Institut Umfrage an, regelmäßig zu spenden. Die pro Kopf Spende betrug damals 410 Schilling.

Im internationalen Vergleich läßt sich die Annahme Österreich wäre im Spitzenfeld des Spendengebens zu finden klar widerlegen: so wird in den Niederlanden doppelt so viel gespendet wie in Österreich.

Die Armut in Österreich oder sonstwo in Europa und die schreckliche Armut in den Ländern der „Dritten Welt" sind Tatsachen. Entwicklungshilfeorganisationen glauben, daß die Unterstützung der Mitmenschen in der „Dritten Welt" auch der Revölkerung ein wichtiges Anliegen ist. Mit der Hilfe in Österreich befassen sich Organisationen wie die Caritas. „Grundsätzlich gilt, daß kirchliche Organisationen auch dort entwicklungfördernde Arbeit leisten können, wo die Bundesregierung mit der Regierung des Entwicklungslandes nicht zusammenarbeitet" betont Heinz Hödl. Weil „Entwicklungspolitik ist nicht nur Sache des Staates, sondern aller gesellschaftlicher Kräfte."

Die Bilanz der Sternsinger ist beeindruckend: Seit 1955 haben Kinder (!) über 1,6 Milliarden Schilling gesammelt, über 70.000 Sternsinger-Kinder und über 30.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unterstützten diese Aktion. Das Spendenergebnis der Sternsingeraktion im Jänner 1995 lag bei 122,4 Millionen Schilling. Diese Gelder werden äußerst sparsam verwendet: über 91 Prozent fließen direkt in die Projekte. Die DKA hat als eine der ersten Organisationen die Selbstverpflichtung unterschrieben.

Alle Finanzvorgäneg sind transparent gemacht und werden von unabhängigen Wirtschaftsprüfern kontrolliert. Jährlich werden über eine Million Menschen von der „Hilfe unter gutem Stern" erreicht. Die DKA setzt das gesammelte Geld für Bildungs-, Sozial-, Menschenrechts- und Pastoralprojekte in über 60 Ländern ein. Die enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen stellt sicher, daß die Spenden direkt ihr Ziel erreichen.

Der Autor ist

freier Mitarbeiter der Furche.

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