Am Rande der Spendenwelt

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Spenden für Menschen am Rande der Gesellschaft halten sich in Grenzen. Nicht nur deshalb kann vom "Spendenweltmeister Österreich" keine Rede sein.

"Das kann nur scheitern", wurde Cecily Corti gewarnt, als sie sich vor acht Jahren dafür entschied, einen Ort für Obdachlose in Wien zu schaffen. "Kein Mensch wird mitarbeiten wollen bei besoffenen Sandlern oder spenden wollen", erinnert sich Corti an die mahnenden Worte von damals.

Ein Blick in den Spendenbericht 2009 des Österreichischen Instituts für Spendenwesen (ÖIS) liefert die Zahlen zu den Bedenken: Von allen ehrenamtlich Tätigen engagieren sich knapp über ein Prozent für Obdachlose. Noch weniger freiwillige Hilfstätigkeit kommt Suchtkranken zugute. Zwei Schlusslichter, bezogen auf Zeitspenden. Ähnlich verhält es sich bei Geldspenden. "Wofür wird gespendet?", fragte das Institut für interdisziplinäre Nonprofit Forschung (NPO-Institut) in seiner Studie zum Spendenverhalten in Österreich 2008 und gibt damit auch eine Antwort auf die Frage: Wofür wird nicht gespendet? Ein geringer Anteil aller Spendenden kann sich für Suchtkranke erwärmen, auch für Flüchtlinge und Asylwerber, HIV-Infizierte und Kriminelle hält sich die Spendenfreude in Grenzen. Dahinter steckt, was Christian Schober, Geschäftsführer des NPO-Instituts, in dem oft gehörten Satz bündelt: "Die sind ja eh selber Schuld daran." Er differenziert: "Die wenigsten sehen, dass die Situation der Betroffenen viel komplizierter ist. Stattdessen wird ihnen ihr Schicksal selbst zugeschrieben."

Vor allem Unternehmen schmücken sich lieber mit einer Spende für Kunst oder Museen, anstatt für Drogen- oder Aidshilfe zu spenden. "Kunst ist gesellschaftlich anerkannt. Bei Drogeneinrichtungen befürchten viele Firmen ein negatives Image", erklärt Schober.

Für wen spenden?

Christine Tschütscher kennt diese Vorbehalte gut. Sie leitet die Drogenberatungsstelle "dialog: Individuelle Suchthilfe". Ihr Versuch, durch Kooperationen mit Firmen etwa Sachspenden wie Rasierwasser oder Deos zu bekommen scheiterte. Umso wichtiger sind für den Verein private Spender und Spenderinnen, wie Tschütscher erläutert: "Unsere derzeitigen Spenden bestehen aus persönlichen Kontakten. Wir haben durch diese ein Spendenvolumen von an die 7000 Euro - was gar nichts ist. Wir könnten Unmengen mehr gebrauchen."

Wie ist es trotzdem zu schaffen, Spendenmittel für jene Menschen zu lukrieren, die allzu oft übersehen werden? Wie werben? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Günther Lutschinger vom Fundraising Verband Austria (FVA) in seiner täglichen Arbeit. Seine Antwort: "Kampagnen für Hilfsorganisationen, wie jene in der Aidshilfe, müssen anders aufgesetzt sein. Das einfache Anschreiben per Brief, das für SOS-Kinderdorf funktioniert, wird beim Aids-Thema nicht funktionieren." Als erfolgreiches Beispiel nennt Lutschinger den Life Ball von Gery Keszler: "Ein Ausnahmeweg, der gezeigt hat, wie es trotzdem geht."

Mit dem Beispiel Life Ball lässt sich auch gut Österreichs Spendenkultur illustrieren, denn gerne wird für Einzelevents oder Ereignisse gespendet - anlassbezogen. Weniger gerne wird regelmäßig gespendet. Und sieht man sich die Höhe der Beträge an, die regelmäßig oder unregelmäßig gespendet werden, wird das Wort weniger zu "am wenigsten". Der "Spendenweltmeister Österreich", der oft durch die Medien geistert, ist tatsächlich ein Spuk: Österreich weist zwar eine große Spendenbeteiligung auf, so spenden rund zwei Drittel der Bevölkerung mindestens einmal pro Jahr. Die Höhe der Spenden reiht sich jedoch im Ländervergleich ganz unten ein: 67 Euro wird pro Kopf gespendet, in Deutschland dagegen rund 100 Euro. Auch in der Schweiz wird mehr Geld für Hilfszwecke verschenkt. Besonders spendenfreudig sind Engländer und Amerikaner.

Woran mag es liegen, dass die Spendenfreude der österreichischen Bevölkerung nur geringe Höhen erreicht? Christian Schober vom NPO-Institut macht das Wohlfahrtsstaatsmodell mitverantwortlich dafür: In den Köpfen der Bevölkerung sei es eingeprägt, dass der Staat für Sozialleistungen die Verantwortung übernimmt. Florian Bittner vom ÖIS beurteilt die Situation ähnlich: "Viele meinen, bereits über ihre Steuerzahlungen einen Beitrag zu leisten." Die geringe Bereitschaft für Obdachlose, Suchtkranke etc. zu spenden, gründet mitunter in der Annahme, der Staat sei alleinig verantwortlich dafür.

Wer trägt die Verantwortung?

Cecily Corti hat sich damals, vor acht Jahren, trotz der vielen Bedenken ihrer Freunde und Bekannten, für Verantwortung entschieden. Heute leitet sie das VinziRast-CortiHaus im zwölften Wiener Gemeindebezirk, wo jede Nacht bis zu 60 Personen schlafen können, zusätzlich mit Abendessen und Frühstück versorgt werden und nur einen Euro dafür bezahlen müssen. Das Haus finanziert sich ausschließlich über private Spenden, die zahlreichen Helfer arbeiten ehrenamtlich.

Für Corti ein Zeichen, "dass sich das Bewusstsein für den wirklichen Mangel in unserer Welt mehr und mehr entwickelt". Ein Mangel, der die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen erfordert: "Oft wird alles dem Staat überlassen, wir fühlen uns für nichts zuständig, auch nicht für die Not in dieser Welt. Wenn wir Menschen bleiben wollen, dürfen wir nicht aus der Pflicht entlassen werden."

Wer nimmt sich in Österreich gerne aus der Pflicht? Wer spendet eigentlich wie viel? Ein abermaliger Blick in den Spendenbericht verrät, dass gerade bei Personen mit sinkendem Einkommen keineswegs auch die Spendenfreude sinkt. "Schichten mit geringerem Einkommen spenden mehr als bürgerliche Schichten", erklärt Florian Bittner vom ÖIS. Jene, die selber wenig haben, sind bereit zu geben. An Großspendern fehlt es jedoch in Österreich.

Anfang 2009 wurde die Spendenabsetzbarkeit eingeführt, um mehr Anreize zum Spenden zu setzen. Am NPO-Institut werden derzeit die aktuellen Zahlen vom Finanzministerium ausgewertet. "Eine Steigerung durch die Absetzbarkeit wird es geben", analysiert Christian Schober vorab. Für Günther Lutschinger kommt die Spendenabsetzbarkeit generell reichlich zu spät: "Von staatlicher Seite her hat es die letzten 20 Jahre keine Anerkennung gegeben", kritisiert er. Was Österreich fehle, sei eine Wertschätzung den Spendern gegenüber und dem Dienst am Mitmenschen: "Wir brauchen eine Kultur der Philanthropie." Oder in den Worten von Cecily Corti: "Es geht um das Menschsein." Ohne Ausnahme.

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