Mehr Armut, weniger Spenden

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Mit der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden an Hilfsorganisationen versucht die Bundesregierung, die Österreicher wieder spendenfreudiger zu machen. Finanz- und Wirtschaftskrise lassen Spendenbereitschaft und -aufkommen sinken.

Eines "der größten Weihnachtswunder meines Lebens" nennt Kurt Bergmann, der Erfinder von "Licht ins Dunkel", die von der Regierung in dieser Woche angekündigte steuerliche Absetzbarkeit von Spenden. Und tatsächlich, der Schwenk, den Finanzminister Josef Pröll mit diesem Beschluss unternommen hat, ist der vorläufige Schlusspunkt einer Debatte, die zu Recht eine leidige "never ending story" geschimpft wurde.

Trotz regelmäßiger politischer Willensbekundungen wurde diese Entscheidung seit einem Jahrzehnt und länger hinausgeschoben. Unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat man bereits ein Gesetz formuliert, beschlossen wurde es nie. Warum? Der Wiener Universitätsprofessor für Finanzrecht, Michael Tanzer, antwortete darauf in der Weihnachtsausgabe der FURCHE im Jahr 2001 (!), als das Thema wieder einmal hochgekocht ist: "Davor fürchtet sich die Budgetsektion im Finanzministerium wie der Teufel vorm Weihwasserkessel! Man will keine deutschen Verhältnisse schaffen, bleibt doch, wenn man alle gemeinnützigen Vereine einbezieht, für die Steuerleistung nicht mehr viel übrig."

Sieben Jahre später ist in Österreich auch das (fast) möglich, was in Deutschland und anderen europäischen Ländern gang und gäbe ist. Dass sich Österreich mit seiner Position "international nicht mehr präsentieren konnte", ist für den Leiter des Österreichischen Instituts für Spendenwesen (ÖIS), Gerhard Bittner, ein Grund für den Schwenk im Finanzministerium. Weitere Auslöser für den Meinungsumschwung sind für Bittner "das jahrelange Bohren dieser harten Bretter vor allem durch die großen Hilfsorganisationen Rotes Kreuz und Caritas". Entscheidend für den Durchbruch in diesen Verhandlungen gerade jetzt ist aber "sehr wohl der aktuelle Rückgang bei der Spendenbereitschaft und beim Spendenvolumen".

60 Prozent der Österreicher spenden

Laut ÖSI-Spendenbericht 2008 haben 60 Prozent der Bevölkerung angegeben, mindestens einmal im Jahr 2008 Geld für wohltätige Zwecke hergegeben zu haben. 2006 waren es noch 81 Prozent. Eine Umfrage des Linzer Instituts "Public Opinion" kommt zu ähnlichen Ergebnissen. 2008 spendeten die Österreicher im Durchschnitt 82 Euro - das sind um vier Euro weniger als 2007. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass der Spendenkuchen kleiner geworden ist, beeindruckend ist er immer noch: ÖIS schätzt das Spendenvolumen für 2008 auf 430 Millionen Euro. Der Löwenanteil davon, 320 Millionen, geht an die 1127 eingetragenen Vereine und Organisationen, die regelmäßig zu Spenden aufrufen. 50 Millionen Euro waren "informelle Spenden" an Kirchen, Religionsgemeinschaften, freiwillige Feuerwehren, lokale Kulturvereine etc. Dazu kommen noch 60 Millionen Euro an bisher bereits steuerlich absetzbaren Spenden für Wissenschaft, Forschung, Kulturgüter und Museen.

Dieser letzte Bereich wird mit der Erweiterung der Steuerabsetzbarkeit auf Spenden für "mildtätige Zwecke" im In- und Ausland sowie für Entwicklungshilfe kräftig wachsen. Zwei Modellrechnungen, um einen Eindruck von der Steuerersparnis zu bekommen: Wer im nächsten Jahr ein Zehntel seines Jahreseinkommens von 29.000 Euro, also 2900 Euro, spendet, bekommt beim Steuerausgleich 1345 Euro gutgeschrieben. Das Finanzamt vergütet demnach fast die Hälfte (46 Prozent) der Spende. Bei einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro und 2000 Euro Spenden beträgt der Steuerbonus 766 Euro (38 Prozent).

Finanzminister Pröll hat den vermuteten Steuerausfall mit 50 bis 80 Millionen Euro beziffert. Die riesige Spannbreite dieser Schätzung zeigt, dass niemand vorhersehen kann, wie viele, vor allem von den Kleinspendern, die Steuerabsetzmöglichkeit in Anspruch nehmen. Noch dazu, wo viele schon bislang die Gelegenheit zum Lohnsteuerausgleich ungenutzt lassen. Entscheidend dafür ist sicher, wie aufwendig der Spendennachweis ausfällt. Die Hilfsorganisationen plädieren für die Orientierung am deutschen Vorbild, wo man einen unbürokratischen Nachweis für Kleinspender eingeführt hat.

Anders als in Deutschland, wo Spenden für Umwelt- und Tierschutz auch steuerlich absetzbar sind, bleiben diese Hilfsorganisationen in Österreich von der neuen Regelung explizit ausgeschlossen. Greenpeace, Global 2000 und WWF als die drei größten Umweltorganisationen protestieren zwar schärfstens gegen diese Benachteiligung, die Position des Finanzministeriums scheint in dieser Frage aber einzementiert.

Ist Umweltschutz "mildtätig"?

Was nicht so recht verständlich ist, bekommen Umweltorganisationen doch nur fünf Prozent des Spendenaufkommens. Dafür die gute Presse für den Jahrzehnte-Erfolg Spendenabsetzbarkeit aufs Spiel setzen? Dass Pröll als Finanzminister damit eine Retourkutsche gegen Umweltorganisationen startet, die ihm sein Umweltminister-Dasein erschwert haben, wird von ihm dementiert, und ist auch wenig überzeugend.

Eher trifft die Umweltorganisationen selber eine Teilverantwortung an ihrem Ausschluss. Immer wieder hat man im Finanzministerium eine zeitgemäße Definition für den in dieser Frage legistisch entscheidenden Begriff "mildtätig" eingefordert - zu der heutzutage natürlich auch ökologische Aspekte gehören. Diese Neuformulierung wurde verabsäumt, und das Finanzministerium grenzt damit jetzt alle nicht im engen Wortsinn "mildtätigen" Hilfsorganisationen von der Steuerabsetzbarkeit für Spenden aus.

Vielleicht wollen neben den ausgeschlossenen Organisationen andere letztendlich aber das Angebot des Finanzministers gar nicht annehmen. Knackpunkte für die ab kommenden Montag anstehenden Detailverhandungen gibt es noch genug: Wie viele und welche Informationen müssen die Hilfsorganisationen über ihre Spender an das Finanzministerum melden? Kürzt der Staat Budgetmittel - weil er mit der Spendenabsetzbarkeit seine Verantwortung erfüllt sieht? Wird der Steuerentfall als Aufwendung für die Entwicklungszusammenarbeit gegengerechnet? Es gebe noch viele Möglichkeiten, meinen bereits in die Verhandlungen involvierte Insider, dass das "Weihnachtswunder" am Ende kleiner, vielleicht sehr klein, vielleicht sogar ganz ausfällt.

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