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Die Bürde der Verantwortung

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Erstellt ein privater Kaufmann einen Voranschlag für ein neues Geschäftsjahr, wird er zunächst überlegen, mit welchen Umsätzen beziehungsweise Erträgen zu rechnen sein dürfte. Anders bei der Haushalterstellung des Bundes. Hier werden zunächst alle jene Erfordernisse errechnet, die auf Grund geltender Gesetze zu erfüllen sind. Das sind in erster Linie die Bezüge der öffentlich Bediensteten, die Ruhe- und Versorgungsgenüsse, die Leistungen an die Kriegsopfer, die Zuschüsse des ' Bundes zur Sozialversicherung, gewisse Preisstützungen, Schuldentilgungen usw. Daher stehen im Budget jeweils die voraussichtlichen Ausgaben an erster Stelle.

Die Einnahmen des Staates ergeben sich aus Steuern, Abgaben, Zöllen und nur zum geringsten Teil aus den Erträgnissen eigener Staats-nkeftiebfcr;Daraus ergibt ;jsiclv; also, .daß.-die. Höhe der .öffentlichen Einnahmen weitgehend vom Konjunkturablauf abhängt. In Zeiten der Vollbeschäftigung werden die Einnahmen in den Kassen des Finanzministers steigen, in Zeiten wirtschaftlicher Depressionen rückläufig sein. Man darf also sagen, daß in einem demokratischen Staat dem Budget eine sehr maßgebliche, die Konjunktur beeinflussende Bedeutung zukommt. Der Staat ist ja nicht nur Verwalter öffentlicher Belange oder Dienstgeber für rund eine halbe Million Menschen, sondern er ist ebenso ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, und zwar über den Weg direkter oder indirekter wirtschaftlicher Maßnahmen. Daher ist es sehr entscheidend, wie groß der Spielraum zwischen gesetzlich festgelegten und verpflichtenden Ausgaben und den voraussichtlichen Einnahmen ist, denn nur diese nicht festgebundenen Beträge können vom Staat unmittelbar jenen Wirtschaftszweigen zugeführt werden, wo sich dies als wirtschaftlich notwendig und erfolgversprechend erweist. In den letzten Jahren ist dieser freie Raum im Budget Immer enger geworden, das heißt, daß die gesetzlichen Verpflichtungen immer höher wurden. Sie betragen mehr als 80 Prozent der Einnahmen des Bundes.

Nun sollen zunächst einmal die Ziffern des Voranschlages 195 9 kurz beleuchtet werden. Der Bund rechnet im kommenden Jahr mit Ausgaben in der ordentlichen und außerordentlichen Gebarung von 40,4 Milliarden. Diesen stehen Einnahmen in der voraussichtlichen Höhe von

36.4 Milliarden gegenüber. Der Budgetabgang, der im wesentlichen durch mögliche Mehreinnahmen oder Kreditoperationen gedeckt werden muß, beträgt also rund vier Milliarden.

Einnahmen und Ausgaben des Staates stehen in einem gewissen Zusammenhang mit dem Bruttonationalprodukt. Dieses ist in den letzten Jahren erfreulicherweise gestiegen, und zwar von

87.5 Milliarden im Jahre 1954 auf 121,8 Milliarden im Jahre 1957. Für dieses Jahr wird mit einem Bruttonationalprodukt von 126,4 Milliarden und für das kommende Jahr mit 130,5 Milliarden gerechnet. Nach der starken Aufwärtsentwicklung'zwischen 1954 und 1957ergabrs:h in den letzten Jahren ein wesentlich geringeres Ansteigen des Bruttonationalproduktes. Der Staat nimmt davon rund ein Drittel für sich in Anspruch. Dazu kommen aber noch andere Institutionen, die an dem erarbeiteten Ertrag zum Teil recht erheblich partizipieren. Es sind dies Länder und Gemeinden, Kammern und Sozialversicherungsinstitute. Nach voraussichtlichen Berechnungen werden alle diese Institutionen, einschließlich des Bundes, im kommenden Jahr von einem Bruttonationalprodukt von 130,5 Milliarden nicht weniger als 46,3 Milliarden beanspruchen.

Im Laufe eines Jahres — und mit besonderer Nachdrücklichkeit während der Budgetberatungen — werden immer wieder Forderungen an die Adresse des Staates gerichtet. Zum Teil handelt es sich um durchaus berechtigte Wünsche. Aber die Fordernden vergessen dabei in den meisten Fällen, daß sie alle diese Forderungen schließlich an sich selbst richten, denn die sieben Millionen Oesterreicher bilden eine Familie, und ihre Glieder müssen das erzeugen, was für den Verbrauch zur Verfügung stehen soll. Man kann nicht auf der einen Seite über hohe Steuern und Abgaben klagen und auf der anderen Seite in allen Lebenslagen vom Staat Hilfe fordern und erwarten.

Es mag unpopulär sein, diese Dinge offen auszusprechen, und dies vor allem dann, wenn Wahlen vor der Tür stehen, sind doch in Wahlzeiten die Versprechen überaus billig. Der Staat kann aber seine Verpflichtungen und die Wünsche der Staatsbürger nur aus drei Quellen befriedigen: Steuern und Abgaben, Anleihen und Kredite, Druck von Banknoten. Manche Leute sind der Meinung, die von Finanzminister Dr. Karnitz durchgeführte mehrmalige Steuersenkung sei falsch gewesen. Nein, sie war richtig, denn was der einzelne weniger an Steuern zu leisten hat, wandert entweder direkt in die Wirtschaft oder auf ein Sparkonto. Auf jeden Fall kann der einzelne Steuerzahler über das Mehr, das ihm der Fiskus aus seinem Arbeitsertrag beläßt, frei verfügen.

Natürlich muß der Staat gewisse Ausgaben, vor allem, wenn es sich um langfristige Investitionen handelt, deren Erträgnisse mehreren Generationen zugute kommen, durch Kredite und Anleihen decken, andernfalls würden sich für die jetzt lebende Generation unerträgliche Steuerlasten ergeben. Aber auch das Aufnehmen von Anleihen und Krediten hat seine Grenzen, denn Darlehen sind nur dort gesund und zu verantworten, wo echte zusätzliche Werte geschaffen werden. Die Zuflucht zur Notenpresse zur Deckung erhöhter Staatsausgaben kann kein verantwortungsbewußter Politiker befürworten, führt doch dieser Weg ganz zwangsläufig in die Inflation und damit zur vollständigen Entwertung der Spargroschen, zur Vernichtung jedes Sparwillens und damit zur Zerschlagung jeder gesunden wirtschaftlichen Grundlage.

In den nächsten Wochen werden die Abgeordneten wieder zahlreiche Wünsche zum

Budget anmelden. Und wer hätte nicht solche Wünsche! Sie sind in den verschiedensten Variationen vorhanden. Wer möchte nicht mehr Geld für den Wohnungsbau ausgeben? Die österreichischen Schulgebäude befinden sich da und dort in einem trostlosen Bauzustand. Den Sozialrentnern und den Kriegsopfern wären durchaus höhere' Renten, den Beamten der 14. Monatslohn zu gönnen. Den Opfern der Krjegsr, f und, (Nachkriegszeit! is|t,btys%?„ mJSv sehr .. .unzulänglicher Weise geholfen ..worden. Viele mehr oder weniger berechtigte Wünsche stehen auf der Tagesordnung im politischen Alltag.

Hier geht es nun um eine Gewissensfrage, die sich jeder einzelne Abgeordnete stellen muß. Es ist nämlich nicht so, daß für die Einnahmen nur die eine und für die gerechte Verteilung dieser Mittel die andere Seite verantwortlich wäre. Dieses Spiel, daß die einen immer neue Forderungen anmelden “und die anderen auf die Begrenztheit der Einnahmen verweisen müssen, zeigt sich nicht etwa nur zwischen Koalition und Opposition, sondern auch innerhalb des Regierungslagers. Hier, sei mit allem Nachdruck festgestellt, daß für die Belastung des einzelnen Staatsbürgers durch Steuern und Abgaben alle 165 Abgeordneten in gleicher Weise verantwortlich sind.

Das von Finanzminister Dr. Karnitz bei seinem Amtsantritt verkündete Programm, daß die Ausgaben des Staates in einem gesunden Verhältnis zu den Einnahmen stehen müssen, war durchaus richtig. Auch seine zweite Theorie, nach der höhere Staatseinnahmen durch steuerliche Entlastungen der Staatsbürger zu erzielen sind, hat sich bewahrheitet, denn trotz Steuersenkungen sind die Staatseinnahmen in einem nicht unerheblichen Maß gestiegen. Nun scheint die zweite Regierungspartei zum Generalangriff auf diese Grundsätze angetreten zu sein, denn sie will den Finanzminister zu einer Ausgabenwirtschaft zwingen, die mit seinen ursprünglichen Ansichten nicht mehr in Uebereinstim-mung steht. Davor muß rechtzeitig gewarnt werden, denn das .Gebot der Stunde heißt nicht: mehr ausgeben, sondern Sparsamkeit und nochmals Sparsamkeit. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um die Sicherung alles dessen, was in jahrelanger und mühevoller- Arbeit in Oesterreich aufgebaut wurde. Es geht um die Stabilität der Währung, die Erhaltung der Kaufkraft des Schillings und um die Wertbeständigkeit der Spareinlagen. Experimente wären ein Unglück, vor allem für die kleinen Leute. Solche Experimente würden letzten Endes aber nur jenen schaden, die sie um den Preis des Tageserfolges für die kommenden Wahlen erzwingen wollen. Noch ist Zeit zur Besinnung, und man kann nur hoffen, daß sich die 165 Abgeordneten der ihnen vom Volk übertragenen Verantwortung gerade in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht voll bewußt bleiben.

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