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Reform statt Reförmchen

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Der neue Finanzminister will nun doch eine große Steuerreform angehen. Einfachheit und Durch-schaubarkeit, Leistungsorientierung und Familienfreundlichkeit zählen zu den Voraussetzungen für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem.

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Der neue Finanzminister will nun doch eine große Steuerreform angehen. Einfachheit und Durch-schaubarkeit, Leistungsorientierung und Familienfreundlichkeit zählen zu den Voraussetzungen für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem.

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Die 1978 initiierte Steuerreform sollte eine alle Steuerarten umfassende Strukturreform sein. Bedauerlicherweise ist so gut wie nichts bisher in die finanzpolitische Praxis umgesetzt worden.

Wenn man meint, der Staat hätte aus Gründen der Budgetsanierung keine Mittel zu einer Absenkung der Steuerprogression oder gar zu einer allseits gewünschten Steuersenkung, so könnte man doch das Einhebungssystem den modernen Verhältnissen anpassen, gerechter und überschaubarer machen. Dies würde den Staat nichts kosten, sondern eher die Steuermentalität verbessern.

Die Hauptaufgabe der Steuerreform ist daher die Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Steuerpflichtigen und dem Fiskus. Das gegenseitige Feindbild muß eliminiert werden.

Es geht darum, das gegenseitige Mißtrauen abzubauen und zu gewährleisten, daß sich die beiden Partner nach den allgemeinen Regeln unserer Gesellschaftsordnung verhalten und miteinander verkehren. Darunter verstehe ich auch eine allgemeine Informati-ons-, ja eine Fürsorgepflicht der letzten Endes auf die Steuerverwaltung spezialisierten Behörde gegenüber dem Steuerbürger; daß - wenn dies derzeit auch in den Steuergesetzen und der Praxis nicht gilt - Treu und Glaube Geltung haben sollen.

Es ist nicht angängig, daß Sachverhalte, noch dazu wenn sie in früheren Betriebsprüfungen hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung abgeklärt sind, bei gleichen Verhältnissen ohne Vorwarnung für frühere Veranlagungszeiträume rückwirkend anders beurteilt werden.

Oder aber, daß eine strengere Rechtsauslegung der Höchstgerichte auch für zurückliegende Zeiträume angewendet wird. Der Fiskus sollte verhalten sein, in solchen Fällen den Steuerpflichtigen auf geänderte Rechtsauslegungen aufmerksam zu machen.

Novellen, Gesetze und geänderte Verwaltungsübungen sollten auch nicht in bestehende private Rechtsverhältnisse eingreifen. Ich denke an die Besteuerung der Gesellschafter-Geschäftsführer, gültig auch für Pensionisten dieser Art, an Verlustzuweisungen bei beschränkt Haftenden und neuerdings an die im Entwurf des Abgabenänderungsgesetzes 1984 konzipierte Besteuerung der Veräußerung von stillen Gesellschaftsbeteiligungen.

Rechtzeitige Gesetze, kürzere Verfahren, keine Verböserungen im Berufungsverfahren, Rechtsmittelverzichte gegebenenfalls auch über Teilbereiche, Berichtigungen von Irrtümern der Behörde ohne Einwendungen einer Verjährung, wären geeignete Maßnahmen, das Vertrauen zwischen den Partnern zu stärken, Einseitigkeiten in den Rechten und Pflichten auszuschalten.

Im Gegenteil: Dem Schwächeren der beiden Partner sollten mehr Rechte eingeräumt werden als dem Stärkeren.

Letzten Endes ist immer zu bedenken, daß der Steuerpflichtige und sein Vertreter in der Tatsache, daß sie Bekenntnis über die Verhältnisse legen müssen, einen wesentlichen Teil der Administration selbst auf sich nehmen.

Aus diesen Gründen wäre auch die Kontrolle, das System der Betriebsprüfung, zu liberalisieren. Ein offenes Verfahren müßte zum Prinzip werden; das Institut der Selbstanzeige ist insoweit zu erweitern, als die Mitarbeit des Steuerpflichtigen bei der Betriebsprüfung als solche bewertet wird.

Eine langfristige Ankündigung von Prüfungen zur Vermeidung des Uberraschungseffektes, angemessene und gleichmäßige Prüfungszeiträume, ein wirksamer Verzicht auf Rechtsmittel nur im Falle der Vertretung durch einen befugten Parteienvertreter, kürzere Rechtsmittelerledigungen bei allen Instanzen sind zu fordern.

Letzten Endes sollte die unbürokratische Klärung, daß im Zusammenhang mit der abgeführten Betriebsprüfung kein Finanzstrafverfahren oder gegebenenfalls nur ein Verfahren nach einem vereinfachten Modus erfolgt, in der Praxis und nicht nur nach dem Gesetzestext gewährleistet sein.

Gerade die Kontrollmaßnahmen sind einige der wenigen Kontakte, die die Finanzverwaltung mit dem Steuerpflichtigen heute noch hat. Sie sind besonders sensibel und daher — wie leider Beispiele der Vergangenheit zeigen — außerordentlich reformbedürftig.

Der Autor ist Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder und Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Das Steuersystem eines modernen Staates ist ein äußerst kompliziertes Gebilde. Wie bei allen komplexen Systemen sind einzelne leichtfertige Eingriffe nur störend und erzeugen eine Unzahl von nicht beabsichtigten Nebenwirkungen. Diese Gedanken zu einem leistungsgerechten Steuersystem sind daher kein Steuerreformvorschlag an den Finanzminister.

Leistungsgerechtigkeit ist eine der wesentlichsten Anforderungen an ein funktionierendes Steuersystem. Je weniger Leistung belohnt wird, desto mehr wächst der Steuerwiderstand. Ohne ausreichende Steuergerechtigkeit und Steuerwahrheit werden Steuersysteme unwirksam wie die derzeitige allgemeine Tendenz zur Steuervermeidung zeigt.

Ein leistungsgerechtes Steuersystem ist abhängig von der Bereitschaft des Staates, sein Budget in Ordnung zu halten. Solange die Staatsausgaben ständig steigen, besteht kein Spielraum für eine grundlegende Veränderung des Steuersystems. Die Forderung nach Steuersenkung ist daher meist ein Element der politischen Demagogie, solange nicht eine tatsächliche gemeinsame Bereitschaft zur Bereinigung der Staatsausgaben gegeben ist.

Als Besonderheit betrachte ich im österreichischen Steuer- und Abgabensystem den extrem hohen Anteil, der in solche Wirtschaftsbereiche fließt, die dem direkten Zugriff von Staat und Parlament entzogen sind, z. B. der gesamte Bereich der Sozialversicherungen.

Der hohe Anteil an Transfereinkommen ist leistungshem-mend für den Durchschnittsösterreicher. In vielen Fällen ergibt sich das Dilemma für den einzelnen, ob er sein verfügbares Einkommen mehr durch berufliche Leistung oder durch das Geschick beim Eröffnen vom mehr Transfereinkommen erhöht. Von der Wohnung über Kindergarten, das Ferienlager, das Urlaubsheim bis zu diversen Gebührenbefreiungen erstreckt sich die lange Reihe von Naturalbezügen des modernen Sozialstaates.

Transfereinkommen sind jedoch nicht ein Privileg des Privaten. So wächst das Förderungsgestrüpp auf der Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden für Wirtschaftsunternehmen von Jahr zu Jahr. Auch in diesem Fall gilt, daß es für ein erfolgsorientiertes Unternehmen schwer zu entscheiden ist, ob Bemühungen am Markt oder Anstrengungen um einzelne Förderungen mehr Erfolg für das Unternehmen bringen.

Bei Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit muß eine leistungsgerechte Steuer mehr auf den konsumwirksamen Teil des Einkommens abgestellt werden.

Uber den Weg einer allgemeinen Veranlagung, auch für bisher Lohnsteuerpflichtige, könnten ebenfalls alle Steuerprivilegien entfallen. Es ist nicht einzusehen, warum Künstler, Journalisten und Hochschulprofessoren für ihr erzieltes Einkommen weniger Steuer zu zahlen haben als Manager aus der Wirtschaft oder andere Gruppen, die dem Gesetzgeber weniger förderungswürdig erscheinen.

Für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung erscheint es auch nicht sinnvoll, bei der bisherigen Gewinnbesteuerung zu bleiben. Günstiger erschiene eine Entnahmebesteuerung neben einer allgemeinen Betriebssteuer, die die Unzahl von heutigen Steuern ersetzen könnte.

Um leistungsmotivierend zu bleiben, dürfte der Grenzsteuersatz maximal 50 Prozent betragen, wobei durch den Wegfall diverser Privilegien dies nicht unbedingt ein schlechteres Steueraufkommen bewirken müßte, wohl aber ein gerechter verteiltes.

Ein leistungsfähiges Wirtschaftssystem braucht breit gestreutes und ausreichendes Risikokapital. Der Erwerb von Beteiligungen oder von Beteiligungspapieren sollte die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verringern.

Analog könnten Kreditaufnahmen für bestimmte volkswirtschaftlich interessante, private Investitionen unabhängig von der Vermögenslage des einzelnen gefördert werden. Das beste Beispiel dafür wäre das Wohnen. Die beeindruckende Mobilität in den USA, verbunden mit einem selbstverständlichen Hauskauf, erklärt sich aus der dortigen steuerlichen Behandlung solcher Investitionen.

Auch im Steuerbereich sollte es mehr Wettbewerb und Kontrolle durch den Bürger geben. Anstelle von komplizierten Finanzausgleichen wäre es daher wünschenswert, wenn die Steuerhoheit mehr zu Ländern und Gemeinden verschoben wird.

Es wäre interessant zu prüfen, ob der Österreicher nicht genauso reagiert wie der Schweizer, wenn bei Investitionen in seiner Wohngemeinde nicht mehr der Bürgermeister der Gönner ist, sondern sich für diese Entscheidungen rechtfertigen muß, da sie Auswirkungen auf die Höhe der einzuhebenden Steuer haben.

Ein Steuersystem wäre dann ideal, wenn es die Leistung des einzelnen honoriert und die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtungen verbessert. Mehr Lohn für private Leistung durch mehr Effizienz bei den öffentlichen Einrichtungen!

Der Autor ist Mitglied des Vorstandes der Wienerberger Baustoffindustrie und stellvertretender Obmann des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender.

Ob der Steuerpflichtige das Einkommen auf mehrere Personen aufteilen muß, das heißt, ob er Kinder hat, und ob das Einkommen bei ein oder zwei Personen in der Familie steht, wird heute bei der steuerlichen Bemessung nicht berücksichtigt.

Ob ein Steuerpflichtiger Kinder hat, findet nur bei den Sonderausgaben, der außergewöhnlichen Belastung und bei der Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes Berücksichtigung.

Nach dem Familienrecht leistet auch der nichtaußerhäusliche erwerbstätige Ehepartner durch Haushaltsführung und Kindererziehung einen Beitrag zum Unterhalt. Dennoch muß — nach derzeit geltender Rechtslage — beim gemeinsamen Erwerb von Wohnungseigentum jener Ehepartner, der einem außerhäuslichen Erwerb nachgeht, für jenen Anteil des Einkommens, der auf den nichterwerbstätigen Ehepartner entfällt, Schenkungssteuer bezahlen, soferne der nichterwerbstätige Ehepartner nicht nachweisen kann, daß der auf ihn entfallende Anteil tatsächlich aus vorhandenen, ihr/ihm zuzurechnenden Eigenmittel bestritten werden konnte.

Derzeit wird also der Familien-, erhalter, der für Kinder zu sorgen hat, steuerlich genauso belastet, wie jener, der für keine Kinder zu sorgen hat. Es wird zuerst weggenommen und danach findet die Umverteilung über Beihilfen und Sachleistungen statt.

Der richtige Grundsatz aber wäre, die Wirtschaftskraft der Familie zu stärken.

Beihilfen, Besteuerung und Sachleistungen, die aber nicht aus dem Familienlastenausgleichs-fonds, sondern aus dem allgemeinen Budget zu finanzieren wären, stellen Instrumente für mehr soziale Gerechtigkeit dar. Sie sind nicht beliebig austauschbar. Erst ihr ausgewogenes Zusammenwirken dient dem Ziel „Mehr soziale Gerechtigkeit".

Ein wesentlicher Fortschritt im Bemühen um mehr soziale Gerechtigkeit wäre die Garantie für ein steuerfrei zu belassendes Familienmindesteinkommen, analog zum steuerfrei belassenen Mindesteinkommen der Einzelperson.

Dabei solldasFamilienmindest-einkommen als gewichtiges Pro-Kopf-Einkommen auf der Basis des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende verstanden werden.

Daraus ergibt sich an das Steuersystem die vordringliche Forderung: Steuerfreiheit des Familienmindesteinkommens als Beitrag auf dem Weg zu einem garantierten Familienmindesteinkommen.

Steuergerechtigkeit kann nur dann erreicht werden, wenn — neben der Höhe des Einkommens — die familiären Verpflichtungen für die Höhe der abzuführenden Steuer mitbestimmend sind. Ein Steuersystem, das nur das erhaltene Einkommen betrachtet, wird dem nicht gerecht.

Daraus ergeben sich folgende Forderungen:

• Für jedes in der Familie zu versorgende Mitglied muß es einen Freibetrag ähnlich dem Allein-verdienerabsetzbetrag geben.

• Jener Anteil der durchschnittlichen Kinderkosten, der nicht durch Beihilfen abgedeckt wird, muß von der Steuer befreit sein.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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