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Gerechtere Besteuerung der Familie

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Dieses wird vor allem im Zeichen einer gerechteren Familienbestetie-rung stehen. Es soll in Hinkunft nur noch zwei Steuergruppen geben: Die Steuergruppe A für alle unverheirateten Personen, die auch heute der Steuergruppe I angehören, und die Steuergruppe B für alle, die derzeit den Steuergruppen II und III zuzuordnen sind. Das grundsätzlich Neue liegt nun darin, daß anstelle der derzeit völlig unbefriedigenden Kinderermäßigung zur Berücksichtigung der Unterhaltskosten der Kinder Freibeträge in der Höhe von je 7000 Schilling für die 'beiden ersten Kinder und von je 8000 Schilling ab dem dritten Kind vorgesehen sind. Noch entscheidender für die Reform aber ist die Einführung eines Frei-toetrages für den Alleinverdiener in der Höhe von zunächst 4000 Schilling jährlich. Dieser Freibetrag dient zur Milderung der ungerechten steuerlichen Behandlung des Familienalleinerhalters gegenüber beiderseits verdienenden, nichtselbständig erwerbstätigen Ehepaaren, deren gemeinsames Einkommen 150.000 Schilling nicht übersteigt.

Nach dem jetzigen Steuerrecht zahlt zum Beispiel ein Ehepaar, in dem beide Ehegatten unselbständig erwerbstätig sind, unter der Annahme, daß der eine 36.000 Schilling, der andere 24.000 Schilling jährlich verdient, mit 5653 Schilling nur etwa die Hälfte dessen, was der Familienerhalter mit demselben Jahreseinkommen von 60.000 Schilling an Steuer zahlen muß, dessen Gattin der Erziehung der Kinder wegen keinem Beruf nachgehen kann, nämlich 11.130 Schilling!

Dadurch, daß die Kinderfreibeträge bei Ehepaaren, bei denen beide Teile nichtselbständig erwerbstätig sind, beiden Ehegatten gewährt werden, wird die unterschiedliche Behandlung des Alleinfamilienerhalters nicht gänzlich beseitigt. Das ist sicher nicht ganz befriedigend. In vielen Fällen aber wird es sich um Familien handeln, in denen auf Grund eines relativ niedrigen Einkommens gerade der Kinder wegen auch die Mutter genötigt ist, einem Beruf nachzugehen. Dies wird vor allem für junge Familien gelten. Dies beweist auch die überwiegende Zahl der Familien mit einem Kind in dieser Gruppe. Anderseits ist es diesmal noch nicht möglich, bei der Bemessung des Freibetrages für den Familienallein-erhalter über die zunächst vorgesehenen 4000 Schilling hinauszugehen. Dies hat auch die Familienverbände, die erstmals bei einer Steuersenkung offiziell konsultiert wurden, nach eingehenden Beratungen veranlaßt, dieser Lösung als der derzeit bestmöglichen ihre Zustimmung zu geben. Ein progressiver Steuertarif wird immer wieder etaer Korrektur bedürfen. Es wird Aufgabe des Gesetzgebers sein, die nächste Möglichkeit einer Steuersenkung vor allem zur Erhöhung des Freibetrages für den Familienallein-erhalter zu verwenden.

Der Grundsatz der gerechteren Familienbesteuerung kommt nicht nur der Familie allein zugute. Die relative Bevorzugung der Doppelverdiener im austriflzierten, ehemaligen deutschen Einkommensteuerrecht bevorzugt diese Gruppe auch gegenüber den Ledigen. Die Steuergruppe II findet ihre Berechtigung darin, daß der Steuerpflichtige für einen Ehegatten zu sorgen hat. Sind aber beide Ehegatten berufstätig, so ist ihre steuerliche Leistungsfähigkeit pro Person zweifellos größer als die des Ledigen, der in einem eigenen Haushalt lebt. Die bevorstehende Reform wird daher auch die Belastung der Steuergruppe A gegenüber der derzeitigen Steuergruppe I mildern und in einen systematischen Abstand zur künftigen Steuergruppe B bringen, wobei der Zuschlag in jenen Bereichen, wo er gegenüber der Steuergruppe II bisher 50 bis 80 Prozent betragen hat, auf 45 Prozent gesenkt wird.

Wenn auch die nun bevorstehende Steuerreform den Ausdruck des endgültigen Durchbruches der Familienpolitik in Österreich dokumentiert, so kann die Familie leider immer noch nicht auf allgemeines Verständnis rechnen. Gerade diejenigen, die die Neueinführung oder Erhöhung bestehender Freibeträge verlangen, bezeichnen dies, wenn es zugunsten der Familie geschehen kann, plötzlich als unsozial. Sie verlangen beispielsweise, daß der Pauschalbetrag für die Benützung des eigenen Kraftwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht wird ohne Rücksicht darauf, daß sich dieser Freibetrag trotz gleicher Kosten für die oberen Einkommensstufen genauso auswirkt wie auf niedrigere, wie der Freibetrag für das Kind.

Das gleiche spielt sich bezüglich der Sparbegünstigung beim ersten Schritt der Steuerreform ab, die mit Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist. So lange 7000 Schilling für den Steuerpflichtigen und je 1000 Schilling für die Ehegattin und pro Kind steuerfrei gespart werden konnten, hat sich niemand daran gestoßen. Kaum aber wurde der Betrag für die Ehegattin mit 7000 Schilling dem des Steuerpflichtigen gleichgestellt und der Betrag pro Kind auf 3000 Schilling erhöht, um auch der Familie eine entsprechende Sparmöglichkeit zu geben, wurde das ganze System, über dessen Problematik man sicher unterschiedlicher Meinung sein kann, plötzlich als unsozial bezeichnet.

Das aber ist der grundlegende Unterschied zwischen denen, die den Familienpflichten den Pflichten dem Staat gegenüber den Vorrang geben, und denen, die den Staat an die erste Stelle setzen: Die Anerkennung der Familienlasten als Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die die Basis zur Beurteilung der Steuerpflicht gegenüber anderen Steuerpflichtigen mit gleichem Einkommen bietet, scheidet von vornherein die Ausgaben für die Familie aus und mindert dementsprechend die Einkommensbesteuerung für die Familie. Wer jede steuerliche Berücksichtigung ablehnt, vertritt den Standpunkt, daß der Steuerpflichtige zunächst seine Steuerpflichten zu erfüllen hat und dann von dem, was ihm bleibt, je nach Gutdünken Auto- oder Fernsehraten zahlen oder einen Dackel halten oder, wenn er will, auch Kinder erhalten kann. Die Berücksichtigung des Familienstandes ist keine Belohnung oder Bestrafung, auch für die Familie keine Begünstigung, sondern lediglich die Berücksichtigung der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit.

Die scharfe Kritik der Sozialisten an dem familienpolitischen Konzept der Einkommensteuerreform ist ein Rückfall in die dunkelsten Zeiten des Liberalismus. Wir sind in der Koalition schon viel weiter gewesen. Im Bericht des Finanz- und Budgetausschusses* zum Familienlasten-ausgleichsgesetz 1966 hat sich der gesamte Ausschuß einhellig dafür ausgesprochen, daß der Familienlastenausgleich auf zwei Füßen stehen muß: auf der Gewährung von Beihilfen und auf der Berücksichtigung der Familienlasten bei der Besteuerung. Der Ausschußbericht ist nicht nur vom ÖVP-Abgeordne-ten Pius Fink, sondern auch von der sozialistischen Abgeordneten Ferdi-nanda Floßmann gezeichnet.

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