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Familienpaket und Spargesinnung

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Inkonsequenzen des Familienpakets 1991 gehören ausgemerzt, Mißbräuchen muß der Boden entzogen und so gespart werden.

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Inkonsequenzen des Familienpakets 1991 gehören ausgemerzt, Mißbräuchen muß der Boden entzogen und so gespart werden.

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Das Dr. Karl Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform hat gezeigt, daß eine allgemeine Zurücknahme der innerko-alitionär schwer erkämpften Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge aus mehreren Gründen im Sparprogramm ein Fremdkörper wäre: Sowohl was die Zielsetzung des Regierungsübereinkommens betrifft, „die Zukunft der Jugend zu sichern”, wie auch die vorgeschlagenen absoluten Kürzungen der Familieneinkommen im Vergleich zur Einbremsung von Einkommenszuwächsen für die anderen Betroffenen als auch die Un-ausgewogenheit den Kinderlosen gegenüber betreffend.

Wie können junge Menschen Geschwisterlichkeit lernen, wenn der Trend zur Ein-Kind-Familie weiter forciert wird? Eine Kombination von Kinderstaffel und gleichmäßiger Senkung für alle Kinder wäre ein katastrophales Novum: eine Kinder-Kopf-Steuer!

Die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs nicht zu respektieren, der die Vernachlässigung der Unterhaltsverpflichtungen der Familien-erhal-ter bei der Bemessung der Einkommensteuer als Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes gegenüber den kinderlosen Steuerzahlern gerügt hat, erweist sich als ein Eigentor: Der (fast) gänzliche Verzicht auf das steuerliche Standbein des dualen Familienlastenausgleichs zugunsten der Leistung von Kinderabsetzbeträgen als zusätzliche Familienbeihilfe hat bewirkt, daß auch der Teil des Lastenausgleichs, der sich auf den anerkannten Grundsatz der steuerlichen Leistungsfähigkeit berufen kann, zum Gegenstand der Sozialstaatskritik geworden ist. Niemand wäre auf die Idee gekommen, das Staatsbudget durch einseitige Steuererhöhungen zu Lasten der Familienerhalter konsolidieren zu wollen.

Das Institut hat aber auch aufgezeigt, daß sich auch innerhalb des „Familienpakets” Beformen anbieten, die nicht nur Einsparungen bringen, sondern gleichzeitig auch teure und familienschädliche Fehlentwicklungen korrigieren würden.

Die derzeitige Regelung der Kinderabsetzbeträge und der Unterhaltsabsetzbeträge für getrennt lebende Unterhaltspflichtige begünstigt diese gegenüber den zusammenlebenden: bis zu 9.200 Schilling bei einem Kind, 15.500 Schilling bei zwei Kindern und 23.900 Schilling bei drei Kindern und zuzüglich 8.400 Schilling für jedes weitere Kind jährlich, wenn der (die) Alleinerzie-her(in) ein eigenes, den Alleinver-dienerabsetzbetrag ausschließendes Einkommen bezieht (siehe FURCHE 19/1993).

Der politisch einfachste Weg wäre freilich, die zusammenlebenden Familien nachzuziehen. Daran kann heute aber aus Kostengründen nicht gedacht werden. Die Reseitigung der Diskriminierung der zusammenlebenden Familien durch das inkonsistente Familienpaket 1991 durch Einschränkung der Leistungen an die getrennt lebenden ist viel komplizierter. Vielleicht gibt der Zwang zum Sparen den dazu nötigen Rückenwind.

Das Dr. Karl Kummer-Institut hat einen Vorschlag gemacht: Wenn tatsächlich für getrennt lebende Eltern höhere Kosten anfallen - wie zur Regründung dieser Regelung behauptet wurde -, dann erhöhen sich damit die dafür notwendigen Unterhaltsleistungen für den dazu gesetzlich Verpflichteten. Dann müßten die Regelbedarfssätze, die die Unterhaltspflicht quantifizieren, die zur Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages berechtigen und die durch das Finanzministerium alljährlich festgelegt werden, um die entsprechenden Kinderabsetzbeträge erhöht werden.

Damit der alleinerziehende Elternteil durch den Wegfall der ihnen bisher ebenfalls zustehenden Kinderabsetzbeträge nicht geschädigt wird, sollte ihm dieser Teil der Unterhaltsverpflichtung durch die Finanzverwaltung bevorschußt werden, die sich dann beim säumigen Unterhaltspflichtigen direkt schadlos hält. In einzelnen Ländern (zum Reispiel in Wien), die für besonders bedürftige Fälle zusätzliche Familienleistungen erbringen, ist dies schon üblich. In beiden Regierungsparteien gibt es zunehmenden Widerstand gegen die Vorstellung, daß der Staat ganz einfach Unterhaltspflichten eines säumigen Elternteiles übernimmt.

Es ist erwiesen, daß eine Begünstigung der getrennt Lebenden tatsächlich das Eingehen von Ehen zumindest verzögert. Am Beispiel der Bezieher des erhöhten Karenzgeldes für Alleinerzieher wurde festgestellt, daß die Begünstigung der getrennt Lebenden das Eingehen einer Ehe tatsächlich in einem überraschend hohen Ausmaß verzögert, um in den Genuß dieser zusätzlichen Transferzahlungen zu kommen: Von den jährlich rund 25.000 außerehelich geborenen Kindern werden dann nach drei Jahren 23.500 legalisiert, so daß tatsächlich nur noch 1.500 wirklich alleinerzogen werden (siehe dazu das Interview des OVP-Klubobmannes Khol in der „Kleinen Zeitung” vom 13. Jänner 1995).

Die zweite Systeminkonsequenz der gegenwärtigen Begelung des Al-leinverdienerabsetzbetrages liegt darin, daß alle die im Einkommensteuergesetz geregelten Absetzbeträge die gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen abgelten Rollen, jedoch auch solche Partner iri den Genuß dieses Abzugs von der Steuerschuld kommen, die keine gegenseitigen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen eingegangen sind. Dazu berechtigt und verpflichtet ausschließlich ein ziviler Ehevertrag, der dies gleichzeitig auch nachweist.

Diese gesellschaftliche Bedeutung der Ehe wird heute häufig ignoriert, ist aber eine mehrfache: Die daraus resultierenden Pflichten sind nicht nur einklagbar, die eheliche Gemeinschaft kann auch nicht ohne materielle Bechtsfolgen aufgelöst werden. Sie sorgen damit für eine relativ stabilere Beziehung, was meist vor allem dem Schutz der Frau und in aller Begel dem Wohl der Kinder dient. Mit einer Beseitigung der solcherart unzulässigen Gleichstellung von Ehe und eheähnlichen Verhältnissen wird auch jenen Mißbräuchen der Boden entzogen, die heute lediglich auf den Formalitäten des Meldewesens beruhen.

Die solcherart erzielbaren Einsparungen können schwer quantifiziert werden. Erfahrungsgemäß sind die Verhaltensweisen der Beteiligten stark von Anreizen durch gesetzlich vorgesehene Sozialleistungen des Staates beeinflußt. Allein unter den Annahmen, auf die sich Andreas Khol stützt, könnte bei den Unterhaltsabsetzbeträgen jährlich ein Betrag von zirka 100 Millionen Schilling und ein Mehrfaches davon bei den Alleinerzieherabsetzbeträgen und vor allem beim erhöhten Karenzgeld eingespart werden. Das wichtigste aber wäre die Schaffung rechtlich durchsetzbarer gegenseitiger Unterhaltsverpflichtungen für eine große Zahl von Eltern.

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